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Anhörung im Gesundheitsausschuss zur Kostenübernahme

Am 28. November 2018 war unser Verein DI-Netz e.V. zu einer Öffentlichen Anhörung des Gesundheitsausschusses im Deutschen Bundestag eingeladen, zu der wir auch eine schriftliche  Stellungnahme eingereicht haben.

Es ging um den Entwurf eines Gesetzes der GRÜNEN zur Änderung des Fünften Buches Sozialgesetzbuch zur Gleichstellung nichtehelicher Lebensgemeinschaften und lesbischer Paare bei der Kostenübernahme für Maßnahmen der künstlichen Befruchtung (BT-Drs19/1832) und um den Antrag der Fraktion DIE LINKE, „Medizinische Kinderwunschbehandlungen umfassend ermöglichen“ (BT-Drs. 19/5548).

Die Öffentliche Anhörung wurde aufgezeichnet und kann hier nachträglich verfolgt werden: https://www.bundestag.de/ausschuesse/a14/anhoerungen/stellungnahmen-inhalt/578608

Der Gesetzentwurf der Grünen wurde bereits 2015 im Deutschen Bundestag diskutiert und anschließend mit einer Beschlussempfehlung (BT-Drs. 18/7517) abgelehnt: http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/18/075/1807517.pdf In dieser Beschlussempfehlung wurden Forderungen genannt, die zunächst erfüllt sein müssten, damit man sich im Deutschen Bundestag auch für eine Kostenübernahme der Familiengründung mit Samenspende entscheiden könne.

Da die von uns vertretenen Familien einschließlich ihrer Kinder – durch den Ausschluss bei der Kostenübernahme explizit für unsere Familienform – unmittelbar von der Diskriminierung betroffen sind, die mit dem Vorschlag der Grünen und der Linken sowie auch mit einem Vorschlag der FDP (BT-Drucksache 19/585) beseitigt werden soll, haben wir ein großes Interesse daran, dass diese Benachteiligung schnellstmöglich aus der Welt geschafft wird. Bislang wurden unsere Bitten um Gleichstellung bei der Kostenübernahme stets von der Politik abgewiesen, weil die Samenspende rechtlich unzureichend geregelt war.

Die in der o.g. Beschlussempfehlung genannten Gründe sind inzwischen weitgehend aus der Welt geschafft worden. Mit dem Samenspenderregistergesetz (SaRegG) wird dem Recht des Kindes auf Kenntnis der Abstammung bei Samenspende nun Rechnung getragen. Gleichzeitig wurden mit diesem Gesetz unterhalts- und erbschaftsrechtliche Probleme beseitigt. Wird im Rahmen einer medizinischen Einrichtung Samen gespendet, ist die Feststellung des Samenspenders als juristischer Vater laut §1600 (4) BGB ausgeschlossen. Aufgrund von Vorschlägen des Arbeitskreises Abstammung im Justizministerium wird derzeit ein Anpassungsgesetz erarbeitet, mit dem die noch offenen abstammungs- familien-, sozial- und zivilrechtlichen Fragen geklärt werden sollen.

Im Zuge der erneuten Anhörung am 28.11.2018 wurde deutlich, dass der Begriff der „auf Dauer angelegten Partnerschaft“, der Bestandteil des Gesetzesvorschlages der Grünen ist, nicht so einfach zu definieren ist. Dazu kam von verschiedenen Seiten ein Lösungsvorschlag: Eine präkonzeptionelle Vaterschafts- bzw. Mutterschaftsanerkennung jeweils von zwei Personen. Diesen Vorschlag hatten auch wir bereits im Jahr 2015 in der Kommunikation mit den Grünen unterbreitet und wir hoffen, dass dieser nun mit dem Anpassungsgesetz zügig umgesetzt werden kann.

Weiterhin wurde bei der Anhörung deutlich, dass definiert werden muss, was mit dem Begriff „medizinisch indiziert“, der ebenfalls Bestandteil des Gesetzentwurfs der Grünen ist, dann vom Gesetzgeber gemeint ist. Fallen darunter „nur“ solche Paare, bei denen auch bei der Frau eine medizinische Indikation vorliegt oder ist die medizinische Indikation beim Mann ausreichend als Voraussetzung für die Kostenübernahme? Wie sind Fälle zu bewerten, bei denen keine medizinische Indikation in dem Sinn vorliegt, also bei Frauen, die auch ohne medizinische Hilfe fortpflanzungsfähig wären, die jedoch mit einer anderen Frau eine Lebensgemeinschaft bilden oder die ihr Kind als alleinstehende Mutter bekommen möchten. Das ist eine Frage der Begriffsdefinition, mit der sich der Gesetzgeber in der Diskussion um die Ausgestaltung des neuen Gesetzes auseinandersetzen muss. In jedem Fall sollten baldmöglichst die Fälle geregelt werden, bei denen eine medizinische Indikation (auch) bei der Frau vorliegt.

Erinnert sei an dieser Stelle an die Möglichkeit, Leistungen auch als freiwillige Satzungsleistung der Krankenkasse zu ermöglichen oder aus öffentlichen Mitteln zu finanzieren, zum Beispiel durch staatliche Fonds. Der Gesetzgeber sollte stichhaltige sachliche Gründe nennen, falls er auch das ablehnt.

Der Verein Spenderkinder vertrat wiederholt die Auffassung, man müsse Eltern von Kindern, die mittels Samenspende gezeugt wurden, dazu zwingen, ihre Kinder über die Zeugungsart aufzuklären. Eine Kostenübernahme der Samenspende ließe nach der Ansicht des Vereins Spenderkinder die nötige Reflexion der zukünftigen Eltern vor einer Behandlung voraussichtlich entfallen und es werde der Eindruck vermittelt, dass kein Unterschied zu einer homologen Insemination bestünde. – In diesem Zusammenhang verweisen wir darauf, dass sich nach unserer Erfahrung Wunscheltern, die eine Samenspende in Erwägung ziehen, sehr gründlich mit den vielfachen damit im Zusammenhang stehenden Fragen auseinandersetzen. Bereits heute gibt es in Deutschland umfassende Informations- und Reflexionsangebote, auch direkt über das DI-Netz. Wir erinnern zudem gerne daran, dass eine Entstigmatisierung unserer Familienform notwendige Voraussetzung ist, um Eltern für mehr Offenheit zu gewinnen und zur Aufklärung ihres Kindes über seine Zeugungsart zu überzeugen. Eine Anerkennung unserer Familienform durch eine gleichwertige Kostenübernahme im Vergleich zur Kostenübernahme bei anderen Familienformen könnte einen entscheidenden Beitrag zur Entstigmatisierung leisten.

Letztlich wurden bei der Anhörung noch diverse „Gründe“ für einen Aufschub der Entscheidung genannt, die eigentlich keine Gründe sind, um die Beseitigung der bestehenden Diskriminierung weiterhin aufzuschieben. Hier ging es hauptsächlich um die Forderung nach einem in sich schlüssigen Fortpflanzungsmedizingesetz, die DI Netz e.V. nur begrüßen kann.

Wir haben die große Befürchtung, dass auch zukünftig bei jeder neuen Einbringung des Gesetzesvorschlags immer wieder neue Gründe gefunden werden, um die Realisierung der Gleichstellung weiterhin zu blockieren. Deshalb fordern wir den Gesetzgeber auf, schnellstmöglich zu handeln, das heißt, eine Kostenübernahme für Familiengründung mit Samenspende ab sofort für alle heterosexuellen Partnerschaften und in sehr absehbarer Zukunft nach Beseitigung des im Zusammenhang mit der Stiefkindadoption bestehenden Problems auch für lesbische Partnerschaften sowie für allein lebende Frauen, die eine zweite für das zukünftige Kind als Mutter oder Vater sorgende Person mitbringen.

Thema im Bundestag: Finanzielle Unterstützung bei assistierter Reproduktion

Die finanzielle Unterstützung von Kinderwunschbehandlung ist Thema im Bundestag.

Vor einigen Wochen gab es bereits einen Antrag der FDP auf finanzielle Förderung von Kinderwunschbehandlungen (Er wurde im Familienausschuss mehrheitlich abgelehnt.)

Jetzt liegen noch zwei weitere Anträge von den GRÜNEN und von den LINKEN vor, die ebenfalls eine bessere finanzielle Untersützung fordern und vor allem bestimmte Personengruppen nicht mehr von den Förderungsmöglichkeiten bei assistierter Reproduktion auszuschließen.

DI-Netz ist als Sachverständige zu einer Anhörung im Gesundheitsausschuss des Bundestages eingeladen (Mittwoch 28.11.18, 16-17:30 Uhr). Unsere ausführliche schriftliche Stellungnahme lässt sich bereits auf der Webseite des Bundestages nachlesen. Hier der: LINK.

Termine 2019 Vorbereitungsseminare „Familiengründung mit Samenspende – unser Weg?!“

Die Deutsche Vereinigung von Familien nach Samenspende DI-Netz bietet Informationsveranstaltungen an für Paare und Einzelpersonen, die darüber nachdenken eine Samenspende zu nutzen. Die Teilnahme am Vorbereitungsseminar soll helfen, Antworten auf eigene Fragen zu finden, eine gute Entscheidung für oder auch gegen eine Samenspende zu treffen und für den weiteren persönlichen Weg gut vorbereitet zu sein.

Die nächsten Termine sind:

Sonntag, 7. Juli 2019, 11-16 Uhr; Bielefeld

Sonntag, 15. September 2019, 11- 16 Uhr; Bielefeld

Sonntag, 10. November 2019, 11- 16 Uhr; Bielefeld

 Das Seminar bietet:

  • Information zu psychologischen, medizinischen und juristischen Aspekten der Spendersamenbehandlung. Was bedeutet für uns das neue deutsche Samenspenderregistergesetz (SaRegG)?
  • Informationen zur Wahl des Arztes, der Samenbank und der Spenderauswahl: Was sie beachten können…
  • Informationen über die Entwicklung von Kindern nach Samenspende: Wie geht es den Kindern? Sollten Sie mit dem Kind später über die besondere Zeugungsart sprechen?
  • Hilfestellung bei der Überlegung, ob Sie mit Freunden, nahen Verwandten oder Außenstehenden über die Samenspende sprechen wollen.

Teilnehmerzahl: 8 – 18 Personen

Kosten: 45 Euro pro Person; ermäßigt für Mitglieder des DI-Netz e.V. 25 Euro pro Person

Anmeldung:

Per Post oder via Email an: info@di-netz.de; Bitte geben Sie Ihre Postadresse, evtl. Email und Ihre Telefon-Nummer an. Anschließend erhalten Sie eine Anmeldebestätigung mit weiteren Informationen.

Seminarleitung:

Claudia Brügge, Jg. 67, Psychologische Psychotherapeutin, BKiD-zertifiziert für Beratung bei Gametenspende

Ulrich Simon, Jg. 65, Familientherapeut, Kinder und Jugendlichenpsychotherapeut

Beide sind Eltern nach Samenspende und leben mit ihrer Tochter in Bielefeld.

Pressemitteilung: Kinderwunsch-Tage in Köln

Pressemitteilung der Deutschen Vereinigung von Familien nach Samenspende  DI-Netz e.V. – zu den „Kinderwunsch-Tagen“ am 13./14. Oktober 2018 in Köln

DI-Netz nutzt Kinderwunsch-Tage als Forum

Die Deutsche Vereinigung von Familien nach Samenspende DI-Netz e.V. wird im Oktober 2018 wieder mit eigenem Informationsstand und Vortrag an den Kinderwunsch-Tagen teilnehmen.

DI-Netz unterstützt Menschen vor, während und nach einer Spendersamenbehandlung und begleitet vor allem viele Familien noch lange Jahre, wenn die Behandlungszeit längst vorbei ist. Unser Netzwerk nutzt die Kinderwunsch-Tage als Informationsbörse und als Forum, um unsere Unterstützungsangebote einem größeren Publikum vorzustellen. Wir erzählen den Besucherinnen und Besuchern gern davon, wie viel Freude wir mit unseren Familien haben, die ohne Samenspende nicht entstanden wären.

Gegen Spenderanonymität, Sperma-Shopping und aggressive Werbung

Dabei betonen wir, dass wir von der Spenderanonymität im Ausland und von Sperma-Shopping nichts halten. Anonyme Samenspende ist in Deutschland im Interesse der Kinder aus gutem Grund verboten, denn ihnen soll die Möglichkeit offen stehen, später mehr Informationen über den Spender erfahren zu können.

DI-Netz informiert die Messebesucher gern über die Stärken und Schwächen des neuen deutschen Samenspenderregistergesetzes, das seit 2018 in Kraft getreten ist und die Auskunftsrechte der Kinder absichert. Wir raten ausdrücklich davon ab, sich im Ausland mit anonymen Samenspenden behandeln zu lassen, um dadurch das neue deutsche Samenspenderregistergesetz zu umgehen. Eine ebenso schlechte Idee ist es, sich in Deutschland anonymen Samen aus dem Ausland direkt nach Hause zu bestellen (sog. home-insemination). Dies ist nicht im Interesse der so gezeugten Kinder. Selbst lesbische und alleinstehende Frauen müssen nicht darauf zurückgreifen, denn sie erhalten inzwischen auch in Deutschland eine Spendersamenbehandlung.

DI-Netz stimmt also nicht mit allen auf den Kinderwunsch-Tagen vertretenen Interessen überein. Und wir werden dies auch in diesem Jahr wieder vor Ort diskutieren, denn es ist wichtig, diese Debatten zu führen.

Bei vergangenen Kinderwunsch-Messen haben wir es als abschreckend erlebt, wie offensiv manche ausländische Firmen umstrittene Methoden wie Leihmutterschaft und anonyme Gametenspende angepriesen haben. Wenn es ums Kinderkriegen geht, verbieten sich aus unserer Sicht überhöhte Erfolgsversprechen und aggressive Werbestrategien.

Leihmutterschaft und Eizellspende sind keine Vereinsthemen des DI-Netzes, denn DI-Netz ist seinem Zentralthema verpflichtet: der Familiengründung mit Samenspende und der gesellschaftlichen Akzeptanz von Familien, die auf diesem Weg entstehen. DI-Netz verfolgt keine Geschäftsinteressen – uns geht es um Herzensangelegenheiten und nicht ums Geld.

Für eine sachgerechte Berichterstattung in den Medien

Abschreckend ist es auch, wenn sich mediale Berichterstattung skandalfreudig und empathielos über wichtige Themen der Kinderwunschtage hermacht. Die Wochenzeitung „DIE ZEIT“ kommentierte vor einem Jahr passend, dass das „aufgeklärte Deutschland“ allzu bereitwillig mit „Spott und Empörung“ auf die Kinderwunsch-Tage reagiert. Menschen, die problemlos Kinder bekommen können, können sich manchmal das ungeheure Leid von Menschen mit schweren Fruchtbarkeitsstörungen nicht vorstellen. Moralische Selbstüberhöhung ist unfair gegenüber denjenigen unter uns, die nicht so leicht Kinder bekommen können wie die Mehrheit der Gesellschaft. Es ist auch nicht fair, alle Methoden der Reproduktionsmedizin – sei es IVF, Samenspende, Eizellspende oder Leihmutterschaft – gleichzusetzen, um sie dann allesamt unterschiedslos zu verdammen. Es ist vor allem nicht im Sinne unserer Kinder, wenn fundamentalistische Gegner der Reproduktionsmedizin selbstgefällig einen ethisch höherwertigen Kinderschutz für sich reklamieren. Diese selbsternannten Fürsprecher der Kinderinteressen brauchen unsere Kinder nicht.

In diesem Sinne unterstützt DI-Netz eine sachgerechte Berichterstattung.

Ansprechpartnerin für Presseanfragen:

Dipl.-Psych. Claudia Brügge,

Vorsitzende DI-Netz – Deutsche Vereinigung von Familien nach Samenspende

claudia.bruegge@di-netz.de;

Tel: 0521/9679103

Experten befürworten FDP-Antrag zur Finanzierung von Kinderwunschbehandlungen

Am 25. Juni 2018 gab es eine öffentliche Expertenanhörung im Familienausschuss des Bundestages zum Antrag der FDP: „Kinderwünsche unabhängig vom Wohnort fördern“.

Wir haben die Anhörung mit großem Interesse verfolgt und begrüßen die mehrheitliche Auffassung der Experten, dass die derzeitige Regelung der Kostenübernahme in diversen Punkten verbesserungsbedürftig ist.

Die Deutsche Vereinigung von Familien nach Samenspende DI-Netz e.V. möchte insbesondere eine Aussage der Ethikexpertin Prof. Dr. Dr. Sigrid Graumann unterstützen (1:21:49). Wenn Kostenübernahmen für reproduktionsmedizinische Behandlungen von der Gesellschaft bereitgestellt werden, dann sollte dies aus ethischer Sicht nach dem Gleichheitsgrundsatz geschehen. Zum Beispiel ist es Diskriminierung, wenn man einer lesbischen Frau mit Fertilitätsstörung keine Kostenübernahme für eine IVF gewährt, während dagegen eine heterosexuelle Frau eben diese Kostenübernahme erhält.

Diese Aussage lässt sich auch auf heterosexuelle Frauen mit zeugungsunfähigem Partner übertragen. Die bisherige Kostenübernahmeregelung diskriminiert Paare, die sich aufgrund der Unfruchtbarkeit des Mannes für eine Familiengründung mit Spendersamen entschieden haben. Daher begrüßt DI-Netz jede politische Initiative, die eine finanzielle Unterstützung der Behandlung zum Ziel hat (s. DI-Netz-Stellungnahme zu einem Gesetzesantrag der GRÜNEN 2015). Die Finanzierung von Behandlungen wäre entweder als Krankenkassenleistung denkbar oder aber über steuerfinanzierte Fonds – der Einheitlichkeit willen aus Bundesmitteln – so wie dies in vielen europäischen Nachbarländern längst üblich ist.

Mit Inkrafttreten des SaRegG zum 1. Juli 2018 wurde die Samenspende in Deutschland in wichtigen Kernpunkten geregelt (z.B. gesetzliche Freistellung des Samenspenders, Absicherung des Rechts des Kindes auf Kenntnis der Abstammung). Zahlreiche Studien zeigen, dass es unseren Kindern nicht schlechter geht als Kindern, die genetisch von beiden Eltern abstammen. Wunscheltern, die sich für eine Familiengründung mit Spendersamen entscheiden oder die bereits auf diesem Weg Eltern geworden sind, bekommen psychosoziale Unterstützung durch DI-Netz oder beispielsweise durch Beratungsfachkräfte von BKiD. Hier wird Ihnen bei der Aufklärung der Kinder über die Art ihrer Entstehung geholfen und hinsichtlich aller Fragen, die im Zusammenhang mit der besonderen Familiengründung stehen.

Insofern ist die derzeitige Kostenübernahmeregelung nicht mehr up to date. Wir erwarten, dass bei der bevorstehenden Änderung der Kostenübernahmeregelung Wunscheltern berücksichtigt werden, die sich für die Familiengründung mit Spendersamen entschieden haben.

Los geht’s – Überregionale Gruppenangebote für Familien nach Samenspende

DI-Netz bietet für alle Familien, die mit Hilfe einer Samenspende entstanden sind, Hilfestellung bei der Bildung von überregionalen Gruppen.

Eine überregionale Gruppe trifft sich beispielsweise jedes Jahr an einem verlängerten Wochenende in irgendeiner Deutschen Jugendherberge. Dort gibt es gemeinsame Freizeitaktivitäten und zugleich Gelegenheit zum Austausch über Themen der eigenen Familie. Die durchschnittliche Gruppengröße liegt ungefähr bei etwa 12 Familien.

Zu den Themen der Eltern zählen immer auch Fragen zur Aufklärung der eigenen Kinder und zum Umgang mit dem sozialen Umfeld sowie andere Aspekte, die sich aus der besonderen Zeugungsgeschichte ergeben. Es geht dort zwar regelmäßig um Persönliches, es handelt sich aber keinesfalls um „Psycho- oder Selbsterfahrungsseminare“. Auf viel gemeinsame Freizeitgestaltung mit den Kindern und Erlebnisse in der umliegenden Natur wird meist ausgesprochen großen Wert gelegt.

Die bereits bestehenden Familiengruppen haben bisher sehr gute Erfahrungen sammeln können. Nirgendwo hat das Thema Familiengründung mit Samenspende eine solche Normalität wie in diesen Gruppen – das tut unseren Kindern und uns Eltern immer wieder gut.  Für die Kids werden solche Wochenenden zu einem echten Highlight im Jahresverlauf. Sie freuen sich auf das Zusammentreffen und die gemeinsamen Aktivitäten. Sie werden miteinander groß.

Selbstverständlich sind die DI-Netz-Gruppen auch offen für Familien lesbischer Mütter und für Familien von Solo-Müttern.

DI-Netz kann jeder Familie, die mit Hilfe einer Samenspende entstanden ist, die Teilnahme an einer solchen Gruppe nur empfehlen.

Derzeit sind folgende überregionalen Gruppen in Gründung:

a) Überregionale Gruppe Süd, mit Kindern zwischen ca. 2012 und 2016 geboren

b) Überregionale Gruppe Nord, mit Kindern zwischen ca. 2012 und 2016 geboren

c) Überregionale Gruppe für Familien mit ganz kleinen Kindern, seit 2016 geboren

Alle Familien nach Samenspende, die Interesse an der Teilnahme haben, können sich bei der DI-Netz-Vorsitzenden Claudia Brügge in eine Interessentenliste für die jeweilige Gruppe eintragen lassen: claudia.bruegge@di-netz.de

Neu: Netzwerk von Familien nach Eizellspende

Auch das DI-Netz hatte in den vergangenen Monaten immer wieder Kontakt-Anfragen von Familien nach Eizellspende. DI-Netz konnte hier bisher nicht viel anbieten, selbst wenn Familien nach Eizellspende durchaus mal willlkommen sind bei unseren Regionalgruppentreffen oder wenn unsere Aufklärungsbroschüren „Offen gesprochen“ auf Familien nach Eizellspende übertragbar sind.

Erfreuliche Neuigkeit:

Es gründet sich inzwischen ein eigenes Netzwerk von Familien nach Eizellspende. Etwa parallel zu unserem DI-Netzwerk von Familien nach Samenspende.

Angesprochen sind mit dem Vernetzungsangebot alle Eltern, die bereits Kinder mithilfe einer Eizellspende bekommen haben und die Kontakt und Austausch untereinander suchen. Paare, die sich noch vor oder in der Behandlung befinden, können allerdings aus juristischen Gründen noch nicht teilnehmen.

Claudia Brügge hat sich bereit erklärt, zu Beginn die vorübergehende Koordination der Vernetzung der Familien zu übernehmen.

Am Samstag, den 4. August 2018 gab es ein erstes Treffen in Bielefeld.

Alle Eltern nach Eizellspende (ggfs. mit ihren Kindern) sind herzlich eingeladen, an diesem Treffen teilzunehmen. Dazu bitte Kontakt aufnehmen unter: claudia.bruegge[at]t-online.de

Donor Conception Network feiert 25-jähriges Jubiläum

Das Donor Conception Network (DCN) ist unsere englische Partnerorganisation und mit über zweitausend Mitgliederfamilien das  größte Familiennetzwerk im Bereich der assistierten Reproduktion weltweit. In diesem Jahr feiert das DCN sein 25- jähriges  Jubiläum, und im April gab es zwei große Jubiläumsveranstaltungen, zu denen DI-Netz-Vorsitzende Claudia Brügge mit ihrer Familie beide Male angereist ist.

„Mein Mann, unsere Tochter und ich sind der Einladung zu den beiden Jubiläumsfeiern sehr gern gefolgt. Immerhin hat unsere Partnerorganisation für das deutsche DI-Netz eine wichtige Vorreiterfunktion, und es war schön, unseren englischen Freunden zu ihrer Erfolgsgeschichte persönlich gratulieren zu können.

Das erste Event fand in ausgesprochen würdiger und schöner Umgebung direkt im Westminster in London statt. Es gab einen Empfang im House of Lords, dem britischen Oberhaus, zu dem sehr viele Unterstützer und Kooperationspartner zum Teil extra aus dem Ausland angereist sind. Vor den Sicherheitskontrollen gab es bereits ein buntes und herzliches Hallo, und ich habe mich sehr gefreut, dort schon einige Freunde und Unterstützer des deutschen DI-Netzes wieder zu treffen: zum Beispiel unser Ehrenmitglied aus Neusseland Ken Daniels und seine Frau, ebenfalls DI-Netz Ehrenmitglied Marilyn Crawshaw aus York (GB) und Astrid Indekeu aus Belgien. Der Empfang selbst fand in einem Saal im hinteren Teil des Westminster- Gebäudes statt. Und weil das Wetter gut war, war auch die an den Saal angrenzende Terrasse geöffnet. Von dort konnten die Gäste einen wunderschönen Ausblick auf die abendliche Themse genießen.  In lockerer Atmosphäre bei Sekt und Canapès gab es viel Gelegenheit, mit einer ganzen Reihe interessanter Menschen in Kontakt zu kommen – mit den Mitarbeiter_Innen des DCN, sowie neuen und alten Mitgliedern des Netzwerkes, Politiker_Innen, Berater_Innen, Jurist_Innen und Klinikvertreter_Innen.  – So verging der Abend wie im Flug.

Zu Ehren des DCN wurden auch mehrere Festreden gehalten:

Baroness Hayter of Kentish Town, Prof. Ken Daniels und Dr. Marilyn Crawshaw lobten die große Bedeutung, die das Donor Conception Network im eigenen Land aber auch darüber hinaus international hat. Sie würdigten die Bandbreite an Unterstützung, die das Netzwerk für Betroffene bietet. Vom DCN wurden eine Vielzahl wichtiger Publikationen herausgebracht , die Familien auf ihrem Weg unterstützen. Zum Beispiel die Bände von „Telling and Talking“ und „Our Story“ (bald in neuem Design). Auch die Webseite (schon in neuem Design) enthält sehr viel Content und Informationen. Das Wichtigste: im DCN gibt es immer ein offenes Ohr. Keine Organisation hat so sehr dazu beigetragen, dass Familien nach Gametenspende heute offen darüber sprechen können, wie sie entstanden sind, und wie sie dies erleben.

Eine weitere bewegende Rede wurde von einer Mutter aus dem Netzwerk gehalten. Sie sprach darüber, wie wichtig die Begleitung durch das Netzwerk für ihre Familie bisher war. Sie fände es sehr hilfreich, dass es im Netzwerk bereits viel Erfahrung gibt und dass hier andere Personen schon vor ihr all die Dinge durchgedacht haben, die auf ihre eigene Familie zukommen. Dies habe ihr bisher immer sehr gut getan, insbesondere wenn man bedenke, dass sobald das ersehnte Kind endlich da ist, Eltern dazu tendieren, die Tatsache der besonderen Zeugung schnell ad acta legen zu wollen. Es ist gut, dass das DCN dann an die Notwendigkeit des Dialogs erinnert, auf mögliche Herausforderungen hinweist und die Familie in den verschiedenen Phasen begleitet. – Ziemlich beeindruckend war auch die Rede des 15- jährigen Aled, der über seine Einstellung hinsichtlich der Embryonenspende sprach, durch die er gezeugt worden ist. Er erzählte ziemlich entspannt davon und gab mit einigem Humor Kommentare seiner Mitschüler zum Besten. Zum Schluss erinnerte Nina Barnsley, die Leiterin des Netzwerkes, noch daran, dass das Netzwerk zwar viel leistet, aber selbst auch finanzielle Unterstützung braucht, weil sich das Netzwerk, inklusive seines Büros mit mehreren Mitarbeiterinnen, ausschließlich aus eigenen Mitteln finanziert. Das DCN hat anlässlich seines Jubiläums einen Spendenaufruf gestartet, der dem Netzwerk bis zum Jahresende 25.000 Pfund einbringen soll.Zwei Wochen nach dem Event im House of Lords gab es dann bereits die nächste Jubiläumsveranstaltung: die diesjährige Spring Conference des Donor Conception Networks. Im Anmeldemonat März war diese Tagung innerhalb von 48 Stunden mit 230 Teilnehmenden bereits komplett ausgebucht, Anmeldungen von über 100 weiteren Personen konnten leider nicht mehr entgegengenommen werden.

Die Jahreskonferenzen finden in einer Schule im Norden Londons statt. Als wir ankamen, gab es in der Eingangshalle bereits ein großes Gewusel an Menschen, viele von ihnen im lebendigen Gespräch miteinander. Das war sehr beeindruckend, auch weil ich mir so ein großes Treffen für Deutschland noch nicht vorstellen kann! Beeindruckend über den Tag war dann immer wieder auch die offensichtlich sehr professionelle Organisation der Tagung.

Eltern reisen zusammen mit ihren Kindern zu den Konferenzen des Donor Conception Networks an – sie können als ganze Familie dabei sein. Für die Kids heuert das DCN an diesem Tag eine professionelle Organisation an, die in größerem Umfang Kinderbetreuung bereitstellt, so dass es diesmal für über 100 Kinder überall im Haus verschiedene Räume gab zum Spielen, Basteln und Toben. Für die größeren Kids gab es auch einen Workshop von Sharon Pettle. Und außerdem sorgten die über zwanzig Betreuungsfachkräfte für die Bedürfnisse der Kleinen und Großen und bespaßten sie mit viel Elan. Einige Kinder – so berichteten die Betreuerinnen – träfen hier jedes Jahr ihre lieb gewonnenen Freunde aus der Community wieder.

Für die Erwachsenen gab es den ganzen Tag lang mehrere Vorträge in der großen Aula und unterschiedliche Workshops in den Klassenräumen. Nina Barnsley und Claire Beasley führten durch das Programm.

Zu Beginn ist der Tagungsablauf über die vielen Jahre immer gleich: Nach der Begrüßung bekommt das Publikum im Saal Gelegenheit, sich mit den eigenen Sitznachbarn etwa zehn Minuten darüber auszutauschen, warum man hier ist. Bei 230 Menschen im Saal ein einziges summendes und surrendes Stimmengewirr. Telling und Talking pur. Ein ins Gesprächkom-men, das auch den ganzen Tag so weiter geht, in den Pausen, in der Mittagspause, in den Workshops, weil die Bereitschaft hier spürbar groß ist, sich untereinander über eigene  Erfahrungen auszutauschen. Ganz offensichtlich andere Zeiten als vor 25 Jahren, als auch in England über Gametenspende tunlichst geschwiegen wurde. Das ist sicher die größte Leistung des Donor Conception Network: das allgemeine Schweigen und Verstummen der Vergangenheit aufzubrechen und das Gespräch zu suchen.

Ken Daniels hielt an diesem Konferenztag den Hauptvortrag.  Es ist sein Lebenswerk, dass er sich in den letzten 40 Jahren wissenschaftlicher Forschungsarbeit mit den Perspektiven aller Beteiligten intensiv befaßt hat: den Perspektiven der Eltern, der Ärzte, der Kinder, der Spender, der Politiker, der Berater und der Öffentlichkeit. Er sprach übrigens auch von den  ersten Vorbereitungsseminaren für Wunscheltern, die er in früheren Jahren mit Petra Thorn in Deutschland abgehalten hat – einige von uns kennen ihn daher – und dass ihm diese Erfahrung viel bedeutet.

Ken sprach über Grundprinzipien, wie Familien gut funktionieren und dass vor allem eine gute Kommunkation und gute Bindung unerläßlich sind. Er erläuterte, wie sehr sich zwei verschiedene Kulturen ausmachen lassen: eine alte Ära der Geheimhaltung in früheren Jahren ( in der man sich gegenseitig Schweigegebote auferlegt hat) und eine neue der Offenheit und des Dialogs (in der manche Dinge gelegentlich sehr unverblümt zur Sprache kommen). Auch stellte Ken Ergebnisse einer neueren Studie vor, die er gerade in Neuseeland durchgeführt hat. Er befragte 21 donogen gezeugte Erwachsene im Alter von 19 bis 46 Jahren nach ihren Einstellungen zur donogenen Zeugung, zu ihrer Sicht auf sich selbst und ihrer Familie und zu ihrem Spender. Einige Ergebnisse waren:

  • Es sind die Eltern, die die Familienatmosphäre rund um das Thema Gametenspende prägen. Erleben die Eltern Stolz und Selbstvertrauen hinsichtlich der Spende oder aber Scham und Schuld, wirkt sich dies auch auf die Selbstwahrnehmung ihrer Kinder aus.
  • Die befragten Personen betonten, wie wichtig es ihnen ist, über die besondere Zeugung und ihre Ansichten sprechen zu können: „Wenn ich nicht darüber sprechen darf, gibt es mir das Gefühl, dass ein Teil von mir nicht existiert.“
  • Die befragten Personen zeigten oft mehr oder weniger großes Interesse an dem Spender, was sich über die Zeit verändert. Als Vater sahen sie ihn nicht, da ihnen die genetische Verwandtschaft dafür nicht ausreichte. Sie betonten, dass sie bereits eine Familie haben.
  • Die späte Aufklärung über die Gametenspende kann zu Irritationen und verstörenden Erfahrungen führen, auch zu Spannungen in den familären Beziehungen. Allerdings fand nach einer Zeit der Krise meist wieder eine Annäherung oder engerer Kontakt zu Eltern und Familie statt.

Nach dem Vortrag von Ken folgte ein Panel von drei donogen gezeugten Erwachsenen im Alter von 26, 37 und 54 Jahren, die also in unterschiedlichen Zeiten/Kulturen groß geworden sind. Sie beantworteten Fragen, in welcher Hinsicht sich die donogene Zeugung auf ihr Leben auswirkt, insbesondere auf eigene Elternschaft, und wie sie über Halbgeschwister und den Spender denken. Die zwei älteren Personen kennen ihren Spender. In einem Fall ist es der Arzt Berthold Wiesner und sie hat sehr zügig 25 Halbgeschwister kennenlernen können. Zu ihnen Kontakt zu haben, habe ihr sehr gut getan. Inzwischen zeichnen sich fast 200 mögliche Halbgeschwister ab und sie fühlt sich durch den Kontakt eher überfordert. Die zweite hat über einen DNA-Test einen Cousin gefunden, weiss nun auch wer der Spender ist und hat auch ein Foto von ihm. Der Spender lehnt aber den Kontakt zu ihr ab. Der dritte, jüngste Teilnehmer findet die Idee, dass es Halbgeschwister gibt, zwar interessant, aber er unternehme keine Schritte, um sie oder den Spender kennenzulernen. Er wurde anders als die anderen beiden früh aufgeklärt und hat eine enge Beziehung zu seinen Eltern und zu seinem Bruder (der von einem anderen Spender abstammt). Diese vier Personen seien für ihn seine Familie, in der niemand fehle.

Am Nachmittag gab es noch verschiedene Workshops und in der Aula eine Veranstaltung mit einer Solo-Mum und ihrer 17jährigen Tochter, die Fragen aus dem Publikum beantworteten.

Für meine Familie gab es auch auf dieser Konferenz wieder viele schöne Begegnungen. Mit einer wissenschaftlichen Mitarbeiterin aus Cambridge Yvonne Frankfurth, die gerade zur Eizellspende forscht, hatte ich mich schon vorher verabredet. Mit ihr konnte ich mich den ganzen Tag wunderbar über unsere Eindrücke und die kulturellen Unterschiede zwischen England und Deutschland austauschen. Yvonnes Herzlichkeit machte es meiner ganzen Familie leicht, uns auf der Konferenz und in London zu bewegen. Neben ihr traf ich auch verschiedene andere deutsche Frauen, die derzeit mit ihren Kindern in England leben und mir davon erzählten. Sehr erfrischend war es auch, Vince Londini aus Kanada kennenzulernen, der in Ontario gerade mit viel Engagement ein Unterstützungsnetzwerk für DC-Familien mit aufbaut.

Am Tag nach der Konferenz ging es gleich weiter. Wir hatten die wunderbare Gelegenheit, uns dann mit Nina, Olivia und ihrem Team im Büro des DCN zu treffen. Wir wurden erneut warmherzig empfangen! Alle haben sich Zeit genommen, den ganzen Morgen lang über die Gemeinsamkeiten und Unterschiede der Netzwerke zu sprechen. Wir  diskutierten über die Profile und Entwicklungen, die Mitglieder- und Organisationsstrukturen beider Vereine, über Erfolge und Probleme, denen wir begegnen. So viel Aufmerksamkeit und Offenheit, noch dazu nach einem anstrengenden Konferenztag – das fand ich schon sehr, sehr großzügig!

Eins wurde durchgängig deutlich: Großbritannien ist Deutschland in Sachen Gametenspende, ihrer sozialen Akzeptanz und in der Professionalisierung der Unterstützungsorganisation der Familien wirklich um 20 Jahre voraus. Das ermöglicht aber auch, ein paar gute Ideen und einigen Schwung für die Zukunft des DI-Netzes mit nach Deutschland zurückzubringen.

Wir danken dem DCN noch einmal, für seine großen Leistungen und Errungenschaften in den letzten Jahren und dass wir während unseres Aufenthalts in London davon einen so prächtigen Eindruck bekommen konnten.“

 

Wenn Ärzte eigenes Sperma spenden

Kommentar von Claudia Brügge, Vorsitzende DI-Netz e.V.*

„Stina“ ist das Pseudonym einer 37-jährigen Frau, die vor einigen Jahren den Verein „Spenderkinder“ und die gleichnamige Webseite mit aufgebaut hat (1).

Stina wurde 1979 durch eine Spendersamenbehandlung in der Essener Uniklinik gezeugt (2). Ihre Eltern klärten sie erst im Alter von 26 Jahren über die Samenspende auf. Anschließend wollte Stina die damaligen Ärzte auf Herausgabe der Spenderidentität verklagen, blieb jedoch auf juristischem Wege erfolglos (3).

Jetzt allerdings meldet Stina auf der Spenderkinder-Webseite, dass sie nach zwölf Jahren Ungewissheit doch ihren Spender identifizieren konnte (4). Mithilfe einer DNA-Datenbank und mithilfe des Internets.

Stinas Recherche-Bericht

In ihrem Posting beschreibt Stina, wie sie sich bei drei verschiedenen internationalen Firmen, die DNA-Tests durchführen, registrieren ließ und Ende März ein Match mit einem amerikanischen Cousin ersten oder zweiten Grades übermittelt bekommen habe (5). Nach dieser Nachricht habe es nur noch zwei Minuten gebraucht, um den Spender zu ergoogeln: einen Arzt, der am Universitätsklinikum Essen tätig war, als ihre Mutter dort behandelt wurde. Seinen Namen nennt Stina nicht.

Sie beschreibt in knappen Worten ihr Vorgehen. Mit Hilfe des Namens des Cousins aus der Gendatenbank habe sie im Internet zügig den Nachruf auf einen amerikanischen Onkel des Spenders ausgemacht, worin ein deutscher Neffe erwähnt worden sei. Ähnlich zügig konnte sie wohl den Namen dieses deutschen Neffen einem Mann aus dem damaligen ärztlichen Mitarbeiterstab des Essener Klinikbetriebes zuordnen. Ihr kurzer Bericht endet mit einer positiven Einschätzung der Nützlichkeit von DNA-Tests.

Die Meldung Stinas ist in zweierlei Hinsicht hochinteressant:

Erstens zeigt sich die hohe Relevanz von DNA-Tests im Zusammenspiel mit den Möglichkeiten des Internets. Zweitens ist das Faktum sehr bemerkenswert, dass ein Arzt aus dem unmittelbaren Kontext der behandelnden Einrichtung als Samenspender fungiert haben soll.

1.) DNA-Tests ermöglichen Donor Tracking

Mit dem Trend zur Enttabuisierung und zum offenen Umgang mit der Samenspende etablierte sich auch die Suche der Kinder, Spender und Eltern nach genetischen Verwandtschaftsbeziehungen.

Weltweit werden in den letzten Jahren verstärkt DNA-Tests und das Internet von Betroffenen genutzt, um erstens eine unzutreffende genetische Verwandtschaft zu einem Familienmitglied nachzuweisen und um zweitens Samenspender und genetische Halbgeschwister ausfindig zu machen. Es handelt sich um eine effektive Methode, das gängige Anonymitätsregime der Reproduktionsmedizin zu unterlaufen, das der Ärzteschaft bisher ein deutliches Informationsmonopol zuwies (5). Mit zunehmender Etablierung der neuen Recherche-Methoden wie Internet und DNA-Test muss mittlerweile allen Beteiligten klar sein: Die Anonymität von Samenspenden gibt es nicht mehr.

Genau dies ist ein zentrales Argument gegenüber Eltern, Spendern und Ärzten, sich nicht länger in der falschen Sicherheit zu wiegen, der Samenspender würde für das Kind ohnehin anonym bleiben oder das Kind würde schon nicht von der Spende erfahren. DNA-Tests und Internet stellen machtvolle Instrumente der Gegenwehr und des Empowerments von donogen gezeugten Menschen dar, wenn ihnen Informationen vorenthalten werden. Der Trend zur Entanonymisierung und zur Herstellung von Verbindungen ist nicht mehr aufzuhalten.

So berichtete der deutsche Verein „Spenderkinder“ in den letzten Monaten bereits von 18 erfolgreichen Halbgeschwistertreffern und einigen Matches mit Samenspendern. Im großen Maßstab gibt es auf internationaler Ebene das „Donor Sibling Registry“ in den USA, das von DI-Netz-Ehrenmitglied Wendy Kramer geleitet wird. Im DSR haben sich mittlerweile bei einer Mitgliederzahl von fast 60.000 Personen mehr als 15.000 Matches zu genetischen Halbgeschwistern und Spendern ergeben.

In der derzeitigen Praxis der DI herrscht gegenüber den Wunscheltern immer noch eine Anonymisierung der Samenspende. Es gilt als unumgänglich, dass sie im Vorfeld einer Behandlung nur rudimentäre Informationen über den Spender bekommen können, schon gar nicht über seine Identität. Diese Regel gilt selbst dann, wenn beide Seiten Interesse zeigen, sich vor der Behandlung gegenseitig kennenzulernen. Auch diese ärztliche Praxis, in der es undenkbar erscheint, der Patientin mitzuteilen, um wessen Samen es sich handelt, dürfte durch die Existenz der DNA-Tests, mit deren Hilfe auch von Eltern die genetische Verwandtschaft des Kindes gefunden werden kann, fraglich werden. Mit den Möglichkeiten der DNA-Datenbanken entfällt zunehmend der Grund, nicht nur dem Kind sondern auch der Frau, der der Samen eingeführt wurde, die Information über den Samenspender zu versagen (6).

2.) Ärzte als Samenspender: welche Tragweite?

Neben der Erfolgsmeldung zum eigenen Donor Tracking gibt es eine Besonderheit in dem Fall Stina: Ihrem Bericht zufolge soll nicht etwa irgendein Mann seinen Samen bereitgestellt haben. Kein beliebiger Mann, der wie die meisten anderen Samenspender von außen als Fremder an die Kinderwunschklinik herangetreten ist. Vielmehr sei es ein Arzt gewesen, der damals selbst am Universitätsklinikum tätig gewesen sei und nach seinen eigenen Angaben nur zwei bis drei Mal auf Bitte von Kollegen ausgeholfen habe, als es Engpässe bei der Bereitstellung von Frischsperma gegeben habe. (Zu dieser Zeit gab es noch keine Kryokonservierung.)

Die Meldung Stinas lässt die damalige Funktion des von ihr ermittelten Arztes in der Klinik und seine Rolle im Rahmen der ärztlichen Behandlung ihrer Mutter offen. Folgt man dem Bericht, könnte es sich rein theoretisch um einen beliebigen Medizinstudenten der Klinik gehandelt haben, um einen ärztlichen Kollegen aus der Nachbarabteilung oder aber um einen Mann aus dem kleinen Kreis der Ärzte, die zur gynäkologischen Abteilung gehörten und für die Behandlung der Mutter zuständig waren.

Behandler und Samenbankbetreiber als Samenspender?

Über die Identität des Spenders in dem speziellen Fall Stina ließe sich an dieser Stelle nur spekulieren, da die Autorin den Namen nicht preisgibt.

Unabhängig von dem konkreten Einzelfall stößt Stinas Bericht allerdings weitergehende Grundsatzfragen an, was es eigentlich bedeutet, wenn ein Arzt einer Klinik, eines Kinderwunschzentrums, einer Samenbank oder einer gynäkologischen Praxis, seinen Samen für die/seine dort behandelten Kinderwunschpaare spendet. Wir wissen heute nicht, in welchem Ausmaß dies in der Vergangenheit vorgekommen ist, jedenfalls ergäben sich daraus ernstzunehmende juristische, gesundheitspolitische, ethische und psychologische Fragestellungen.

Aus juristischer Sicht lässt sich zunächst konstatieren, dass im Unterschied zu verschiedenen Skandalfällen im Ausland (vgl. William Pancost, Cecil Jacobson, Thomas Lippert, Gerald Mortimer, Donald Cline, Berthold Wiesner, Jan Karbaats) in Deutschland bisher kein einziger Gerichtsfall bekannt wurde, in dem ein Arzt seine Patientinnen mit eigenem Sperma behandelt hätte (8).

In Deutschland gibt es zur Samenspende von Ärzten kein geschriebenes Recht. Es gibt keine spezifischen, gesetzlichen Vorschriften und keine Rechtsprechung, an der man sich orientieren könnte. Für die allgemeine Rechtslage zwar unbedeutend, aber doch bemerkenswert ist, dass es bisher auch kein anderweitiges juristisches Schrifttum in Form von Expertisen oder Beiträgen in Fachzeitschriften gibt, die sich theoretisch mit den denkbaren Fallkonstellationen ärztlicher Samenspende auseinandersetzen.

Es bleiben nur allgemeine Vertragsgrundsätze.

Samen zu spenden ist für Ärzte keine Straftat. Grundsätzlich kann auch ein Arzt oder Medizinstudent Samenspender sein. Er hat wie jeder andere Mann das prinzipielle Recht, seinen Samen für reproduktionsmedizinische Behandlungen zur Verfügung zu stellen. Der deutsche Gesetzgeber hat bisher kein Gesetz formuliert, das die Samenspende von Ärzten – am eigenen Arbeitsplatz – verbieten würde.

In den Richtlinien des 1995 gegründeten Arbeitskreises Donogene Insemination (AK DI), dem Interessenverband von Samenbankbetreibern und Reproduktionsmedizinern, gibt es allenfalls eine kurze Bestimmung, die nicht weiter begründet wird. Dort steht in den „Richtlinien zur Auswahl von Samenspendern“ von 1995: „Der Therapeut und seine Mitarbeiter können nicht als Spender in Frage kommen.“ (9) und 2006 findet sich in den Richtlinien des Arbeitskreises schließlich der Passus: „Alle Mitarbeiter einer Samenbank oder deren Angehörige können nicht als Spender für die Samenbank tätig werden“ (10). Diese Richtlinien haben nur Empfehlungscharakter, sie entfalten keine gesetzliche Bindungswirkung.

Weiterführend ist hier allenfalls das Vertragsrecht.

Ein Wunschelternpaar, das sich in Behandlung begibt, geht davon aus, dass die Samenspende von einem Dritten stammt. In dem ärztlichen Vorbereitungsgespräch wird in der Regel auch so aufgeklärt. Ist es der Arzt selbst, der den Samen spendet, dann erregt dies qua Täuschung einen Irrtum im Vertragspartner. Vor Gericht müsste später vorgetragen werden, inwiefern ein Schaden eingetreten ist. Der Irrtum dürfte etwa kausal für die Vermögensverfügung sein, die im Hinblick auf die Behandlungskosten erfolgt. Der Schaden könnte definiert werden als Vertrauensschaden. Zu klären wäre, inwiefern neben dem Vertrauensschaden weiterer materieller und immaterieller Schaden entstanden ist (ggf. Schockschaden, gesundheitlicher Schaden der Mutter, das „Kind als Schaden“/wrongful birth erscheint hier unpassend). Die Schadensverursachung durch den Arzt müsste durch die Klägerin nachgewiesen werden (11).

In gesundheitspolitischer Hinsicht stünde die Reproduktionsmedizin in einem neuen Licht da: Der langjährige, hohe und hartnäckige Widerstand der Reproduktionsmedizin gegen die Aufklärung der so gezeugten Kinder, gegen die Abschaffung der Anonymität von Samenspendern, und gegen eine retrospektive Öffnung von Spenderregistern sowie die Verweigerung von Auskünften im individuellen Fall, ergeben in dem neuen Kontext einen anderen Sinn. Manche Forderungen und Empfehlungen von Seiten der Ärzte könnten womöglich überhaupt nicht dadurch motiviert gewesen sein, uneigennützig die Gruppe samenspendender Dritter vor Identifizierung zu schützen. Sie dienten womöglich eher dem Zweck, sich selbst zu schützen, also nicht selbst als heimlicher Samenspender entlarvt zu werden.

Es lassen sich Überlegungen zur psychischen Situation der Beteiligten anstellen, die zwar hochgradig spekulativ sind, aber für die Annäherung an das Thema bedeutsam sein könnten:

Wenn Ärzte eigenen Samen bei der Behandlung von Kinderwunschpatientinnen benutzen, verschaffen sie ihrem Fortpflanzungstrieb einen Raum, der dafür nicht vorgesehen ist. Der Arzt erhält eine gewaltige Zugriffsmacht, indem er einseitig auswählen kann, mit wem er sich fortpflanzen möchte. Dies ist gewaltvoll gegenüber der Patientin, weil von Wunschelternseite der Einsatz eines Dritten als Spender erwartet wird und der Arzt einseitig und ohne zu fragen entscheidet, selbst der Spender zu sein. Sein Handeln ist unbefugt, bedeutet es doch einen massiven Übergriff, auch für den seltenen Fall, dass die Wunscheltern durchaus einverstanden wären, wenn sie gefragt würden, zum Beispiel weil sie den Arzt sympathisch fänden und sowieso lieber einen bekannten Spender hätten. Dieses wesentliche Einverständnis der Wunscheltern, dass Arzt und Spender die identische Person sind, kann der Arzt nicht einfach voraussetzen oder in paternalistischer Weise für irrelevant erklären. Das ist ihm auch bewusst, sonst würde er offen darüber sprechen.

Die psychische Situation von Ärzten, die bei Spendersamenbehandlungen eigenen Samen verwendet haben, wird von Leugnung, Rechtfertigung und Bagatellisierung geprägt sein. Ärzte werden die eigene Samenspende oder die des Kollegen von sich aus nicht offen legen. Sie werden sie erst dann und nur so weit zugeben, wie sie dazu von außen mit Nachweisen wie beispielsweise DNA-Tests konfrontiert werden. Wird die Samenspende eines Arztes aufgedeckt, wird dieser hochwahrscheinlich versuchen, dies als leichtsinnigen Fehltritt enthusiastischer Anfangszeiten der DI zu beschreiben, als eine einmalige Ausnahme oder als spontanes Aushelfen seinerseits, weil gerade kein Frischsperma vorrätig oder der vorgesehene Samenspender nicht greifbar war (12). Vielleicht als eine Idee seiner Medizinerkollegen, auf die man von sich aus eigentlich nicht gekommen wäre. Insgesamt dürfte eine starke Tendenz bestehen, Samenspende wie eine selbstlose Blutspende zu interpretieren, bei der es auf die Person des Spenders nicht ankommt.

Wird bekannt, dass ein Arzt einmal als Samenspender tätig war, unterhöhlt dies die eigene Position und Glaubwürdigkeit. Ein Arzt würde im öffentlichen Diskurs nicht länger als objektiver Profi wahrgenommen werden können. Auch wenn er frühere Haltungen, Spenderanonymität sei unbedingt zu wahren, längst für überholt hält, wird er sich dann im eigenen Interesse gezwungen fühlen, sie aufrechtzuerhalten.

Eine Mutter (13), die erfahren muss, dass ihr Arzt in Wirklichkeit der Samenspender für ihr Kind war, bringt diese Information in eine schwierige Situation.

Einerseits wird sie die Existenz ihres Kindes nicht infrage stellen, sie wird hochidentifiziert mit dem So-Sein ihres eigenen Kindes sein. Fast immer werden Mutter und Vater ihr Kind für richtig befinden und es lieben, genau so wie es ist. Sie werden das Kind nicht „umtauschen“ wollen, und ihm außerdem wünschen, dass es positive Gedanken über seine Abstammung haben kann. Vielleicht ist das Kind längst groß, und sie möchten es gut sein lassen.

Andererseits hat der Arzt massiv in ihre reproduktive Autonomie als Frau eingegriffen. Reproduktive Autonomie beinhaltet grundsätzlich auch, selbst entscheiden zu können, mit wem frau sich fortpflanzen möchte und mit wem nicht. Dieses Recht der Frau auf reproduktive Autonomie wird an sich schon angegriffen, indem sie grundsätzlich nicht über den Spender in Kenntnis gesetzt wird, wenn sie es wünscht (14). Der Arzt hat generell die Entscheidungshoheit, welchen Spender er für welche Frau auswählt. Mit seiner eigenen Samenspende verfügt der Arzt noch invasiver über das Recht auf reproduktive Autonomie, denn die Frau rechnet nicht damit und wurde nicht gefragt, ob sie eventuell auch mit der Spende des Arztes einverstanden wäre. Ungefragt zum Objekt seiner persönlichen Interessen geworden zu sein, bedeutet ein hohes Risiko, dass die Patientin auf die ungebetene Samenspende ihres Arztes mit Abscheu und Ekel und einem Gefühl von Demütigung reagiert (15).

Eine anonymisierte Samenspende anzunehmen ist auf Elternseite in extrem hohem Maße Vertrauenssache. Ein Einlassen auf die Anonymisierung der Samenspende wird der Wunschmutter abverlangt, wenn sie eine Behandlung in Anspruch nimmt. So wie die DI derzeit praktiziert wird, kann sich nur behandeln lassen, wer sich dieser ärztlichen Bedingung der Anonymisierung unterordnet und dem Arzt/der Samenbank ein gewisses Vertrauen schenkt. Die Frau vertraut darauf, dass die Samenspende von einem Außenstehenden stammt. Selbst wenn sich Patientinnen auf die Bedingung der Anonymisierung von Fremdsamen bereitwillig einlassen, ist es für sie nicht einerlei, ob der Arzt seinen eigenen Samen verwendet.

Es ist unwahrscheinlich, dass sich Eltern durch die Samenspende des Arztes geehrt fühlen, die Eltern des Kindes werden viel eher das Gefühl haben, hintergangen worden zu sein und dass ihr entgegengebrachtes Vertrauen in einem Abhängigkeitsverhältnis zum Arzt missbraucht wurde.

Auch wie ein so gezeugter Mensch, der in Erfahrung bringt, dass es sich bei seinem Samenspender („Bio-Dad“) um den Arzt seiner Mutter handelt, dies psychisch verarbeiten wird, ist keinesfalls sicher vorherzusagen.

Es ist durchaus denkbar, dass sich ein schwieriger Konflikt anbahnen könnte, wenn ein Kind beim (juristischen) Verfolgen seines Anliegens, die Spenderidentität zu erfahren, früher oder später mit der Tatsache konfrontiert ist, dass der Kontrahent im (gerichtlichen) Auskunftsverfahren genau diese gesuchte Person ist.

Der Arzt, der bereits aufgrund dessen, dass er sein Ansehen nicht verlieren will, keinesfalls wünscht, als Spender erkannt zu werden, macht sich von vornherein zum No-Spender, was grundsätzlich nachteilig für die Kinder ist, die die Identität des Spenders erfahren wollen.

Ein so gezeugter Mensch mag verschiedene Gefühle dem Arzt gegenüber haben. Einige werden vielleicht froh sein, nun endlich zu wissen, von welchem konkreten Mann sie abstammen. Insbesondere wenn man die Person selbst aufgespürt hat, mag dies ein starkes und befriedigendes Gefühl von Selbstwirksamkeit sein. Vor dem Hintergrund anonymer Samenspende mag einem die neue Situation, wenigstens in Erfahrung gebracht zu haben, dass es der Arzt war, lieber sein als die Situation, in der der Spender ein Unbekannter bleibt (16).

Die so gezeugte Person könnte dem Arzt aber in Identifikation mit der Idee der Samenspende und mit dem Schicksal seiner Eltern, vielleicht ebenso entsetzt gegenüber stehen wie diese. Hält sie den Arzt für keinen guten und integren Menschen, wird die Wahrnehmung einer genetischen „Verbindung“ zu ihm eine Belastung sein. Eine Identifikation mit dem Spender kann das Kind in innere Konflikte bringen, sich auf der einen Seite mit dem Spender zu identifizieren oder identifizieren zu wollen, vielleicht auch eine erhoffte Beziehung zu ihm nicht aufs Spiel setzen zu wollen, auf der anderen Seite wird es dann nicht frei über ihn und seine Samenspende sprechen oder aber diese verurteilen können. Im Kind wird die Samenspende des Arztes vermutlich Befangenheit auslösen.

Forderungen des DI-Netzes:

DI-Netz fordert reproduktionsmedizinisch tätige Ärzte auf, sich in ihrer Funktion als Arzt an das Abstinenzgebot zu erinnern. In der Behandlung von Patientinnen sollte die Umsetzung eigener Fortpflanzungswünsche ausgeschlossen sein (17).

Das DI-Netz fordert Transparenz hinsichtlich der Samenspenden von Ärzten, die im Feld der Reproduktionsmedizin arbeiten!

Ärzte, die im Feld der Reproduktionsmedizin tätig sind, sollten gesetzlich verpflichtet werden, den Empfängerpaaren die eigene Samenspendebereitschaft bekannt zu geben. Kinderwunschpatienten sollte es ermöglicht werden, selbst zu entscheiden, ob sie die Samenspende eines solches Arztes annehmen möchten. Selbst wenn Patientinnen die Bedingung der Anonymisierung der Spenderidentität im Vorfeld ihrer Behandlung bereitwillig akzeptieren, sollten sie über die Rahmenbedingung unaufgefordert aufgeklärt werden, dass es hier Spender aus dem Umfeld der Behandlung gibt. Falls ein behandelnder Reproduktionsmediziner Spender sein will, muss er bereit sein, sich gegenüber den Empfängern persönlich als Spender anzubieten.

DI-Netz fordert eine offene Debatte zur Samenspende von Ärzten. Auch der Arbeitskreis Donogene Insemination sollte noch einmal auf seine Richtlinien Bezug nehmen und sich offen zu ihnen stellen, sie bestätigen oder verwerfen, zumindest aber seine Entscheidungen und Regeln begründen.

Wenn Ärzte in der Vergangenheit eigenen Samen in der Behandlung von Kinderwunschpatienten verwendet haben, könnten sie zu der allgemeinen Auseinandersetzung beitragen, indem sie eine Aufdeckung nicht abwarten sondern selbst initiieren.

DI-Netz fordert die Abschaffung der alleinigen Zuständigkeit von Ärzten über die Praxis der Spenderauswahl. Derzeit sind die Kriterien der Spenderrekrutierung, der Spenderauswahl und des Matchings in das Belieben von Mitarbeitern der Samenbanken gestellt (18).

Ärzte sollten verpflichtet werden, die reproduktive Autonomie der Frau umfassend zu wahren, indem sie der Patientin die Identität des Spenders mitteilen, wenn sie dies wünscht, und indem sie sie an der Wahl des Spenders beteiligen, wenn sie dies wünscht. Grundsätzlich sollte es Frauen also möglich gemacht werden, aus dem für sie unbekannten, anonymisierten Spender für ihr Kind einen bekannten Spender werden zu lassen. Dies wäre auch eine Präventivmaßnahme gegen unbemerktes Verwenden eigenen Samens durch den Arzt. Mütter haben das Recht, nicht wissen zu wollen, wer der Spender ihres Kindes ist, genauso sollten sie einen Anspruch niedrigschwellig geltend machen können, zu erfahren, wer er ist.

DI-Netz empfiehlt als vertrauensbildende Maßnahme, dass sich Ärzte, die im Bereich der Spendersamenbehandlung tätig sind, bei den bekannten DNA-Datenbanken registrieren lassen, um häufige Befürchtungen von DI-Familien, der Arzt selbst sei womöglich der Spender für ihr Kind, auf eigene Initiative zu entkräften.

Anmerkungen:

* Für gedankliche Anregungen und juristische Erläuterungen danken wir Dr. Helga Müller, Rechtsanwältin in Frankfurt und Ehrenmitglied im DI-Netz.

(1) www.spenderkinder.de; http://www.spenderkinder.de/ueberuns/meinungenundgeschichten/stina/

(2) In einer gemeinsamen Publikation von 1980 berichteten vier damalige Ärzte der Frauenklinik des Universitätsklinikums der Gesamthochschule Essen von 415 Spendersamenbehandlungen im eigenen Haus mit 290 Schwangerschaften und 74 Geburten im Zeitraum von 1976 bis 1980. Katzorke, T.; Propping, D.; Tauber, P.F., Ludwig, H. (1980) Artifizielle Insemination mit Spendersamen (AID): Schwangerschaften bei 290 Ehepaaren. Der Frauenarzt. 5, 405- 411. vgl. Katzorke, T. et al (1981) Results of Donor Artificial Insemination (AID) in 415 Couples. Int. J. Fertil. 26(4), 260 – 266.

(3) Der Antrag auf Prozesskostenhilfe wurde abgewiesen. Bernard, A. (2014): Kinder machen. 138; https://openjur.de/u/121544.html

(4) Spenderkinder.de (24.4.18) Spender der Uniklinik Essen identifiziert http://www.spenderkinder.de/spender-der-uniklinik-essen-ueber-dna-test-identifiziert/

(5) DNA-Datenbank melden nur den wahrscheinlichen Verwandtheitsgrad zurück, so auch in Stinas Fall, die von einem Cousin schreibt, der „mit hoher Wahrscheinlichkeit“ mit ihr verwandt sei s. Fn 4.

(6) vgl. Kennet, D (2018) Personal genetic testing and the implication for he donor conception community. Bionews. https://www.bionews.org.uk/page_96385; Klotz, M. (2016) ‘Wayward relations: Novel searches of the donor-conceived for genetic kinship’, Medical Anthropology, 35(1): 45-57.

(7) Eltern können zwar der höchstrichterlichen Rechtsprechung folgend (BGH, 28.1.2015 – XII ZR 201/13) und mit der Einführung des neuen Samenspenderregistergesetz ab Juli 2018 die Identität des Spenders erhalten. Dies aber nur um das Recht des Kindes auf Kenntnis der Abstammung geltend zu machen, also stellvertretend für ihr minderjähriges Kindes, als Ausfluss ihres Elternrechtes. Ein eigener Anspruch auf Auskunft zur Spenderidentität, der beispielsweise auf ihrem Recht auf reproduktive Autonomie beruht, ist gesetzlich dagegen nicht normiert.

(8) Die „Spenderkinder“- Webseite berichtete allerdings im April 2018 über den Fall Martin, der in einer Frankfurter Praxis durch die Samenspende des inzwischen verstorbenen Arztes Dr. Vladimir Delavre entstanden sei (http://www.spenderkinder.de/spender-kind-verbindung-ueber-dna-test-identifiziert/; http://www.spenderkinder.de/verwandtensuche/entstehungsorte-unserer-mitglieder/ vgl. Hummel, K. (21.10.2017) Kinder von Samenspendern – Wo bist du? http://www.faz.net/aktuell/gesellschaft/menschen/spenderkinder-auf-der-suche-nach-ihren-wurzeln-15249066.html.)

(9) in Günther, E.; Von Versen, E. (1995) Richtlinien zur Auswahl von Samenspendern. Akt. Dermatologie. 22, 36 – 37; Absatz B.8.

(10). Arbeitskreis Richtlinien-Novellierung des Arbeitskreis Donogene Insemination (2006) Richtlinien des Arbeitskreis für Donogene Insemination zur Qualitätssicherung der Behandlung mit Spendersamen in Deutschland http://www.donogene-insemination.de/downloads/Richtl_Druckfassung.pdf; Absatz 10, S. 25

(11) Die Ahndung von Fehlverhalten im Feld der Reproduktionsmedizin ist über das Vertragsrecht nur unzureichend abgedeckt. Dies lässt sich an einem jüngsten Rechtsstreit deutlich machen (OLG Hamm, Urteil v. 19.2.2018 – 3 U66/16): Eine Mutter verklagte einen Reproduktionsmediziner, weil er nicht wie abgesprochen Samen vom selben Spender für ein Geschwisterkind bereitgestellt hatte sondern Samen eines anderen Spenders. Die Mutter war in der Nachweispflicht, erstens eine vertragliche Pflichtverletzung des Arztes zu belegen, zweitens einen eigenen gesundheitlichen Schaden zu belegen (Depression, Erschöpfungszustände und Schuldgefühle den Kindern gegenüber, die Psychotherapie notwendig machten) der drittens auch kausal auf die „falsche Samenspende“ zurückzuführen war, so dass ihr viertens ein finanzieller Schadensersatz in Höhe von 7500 € zugesprochen wurde. Die Nachweispflicht des ärztlichen Vertragsverstoßes, des persönlichen Schadens, des kausalen Zusammenhangs und die Verurteilung zum Schadensersatz, d.h. die Zahlung eines Geldbetrages durch den Arzt, wird von vielen Betroffenen sicher nicht als passende Präventiv- und Sanktionsmaßnahme für das wahrgenommene Unrecht erlebt.

(12) Hierbei sollte man bedenken, dass kein großer Schaden entstanden wäre, wenn der Arzt nicht eingesprungen wäre. Man hätte die Patientin ohne Behandlung wegschicken und die Insemination auf einen späteren Zyklus verschieben müssen, was sicherlich ärgerlich gewesen wäre – um einen medizinischen Notfall handelt es sich aber nicht.

(13) Grundsätzlich ist bei der Spende des Arztes natürlich nicht nur das Erleben der Mutter sondern auch das des Wunschvaters/ der lesbischen Partnerin von Belang. Dies ist aber, auch juristisch, komplexer. An dieser Stelle lässt sich der Gedankengang klarer an den reproduktiven Rechten der befruchteten Frau und ihrer psychologischen Situation deutlich machen.

(14) Diese grundsätzliche Möglichkeit, selbst zu entscheiden, ist wichtig, selbst wenn (heterosexuelle) Kinderwunschpaare derzeit in praxi eine anonymisierte Spende vorziehen. Lesbische Paare und Solo-Mütter äußern schon eher Interesse an mehr Spenderinformationen und Mitsprache. Ein allgemeines Angebot, einen sog. offenen Spender zu wählen, wäre bereits ein Schritt in die richtige Richtung, Bedürfnisse von Kinderwunschpatienten im Rahmen der Regulierung der Samenspende ernster zu nehmen als bisher. vgl. Pennings, G. (2000) The right to choose your donor: a step towards commercialization or a step towards empowering the patient? Human Reproduction. Vol 15 No 3, 508- 514.; Ders. (2011) Sperma op maat: een patientenreecht. Tijdschr. voor Geneeskunde, 67, Nr. 23, 1154 – 1158.

(15) Es kommt zwar auch bei einer gewöhnlichen Donogenen Insemination vor, dass sich Patientinnen angesichts der Vorstellung ekeln, dass Samen, der ihnen eingeführt wird, durch Selbstbefriedigung eines fremden Mannes gewonnen wurde. Doch sobald sich eine Frau für die Behandlung entscheidet, stimmt sie diesem Schritt der Samengewinnung selbstbestimmt und wissentlich zu. Die wechselseitige Anonymisierung ermöglicht ihr vielleicht, von einer genaueren Bildlichkeit, die sie abstoßen könnte, zu abstrahieren und sich zu distanzieren. Zugleich wird auch die Tatsache, dass sich ein Gynäkologe im Rahmen der Behandlung mit ihren Fortpflanzungsorganen und ihren Intimität befassen darf, gewöhnlich erst dadurch möglich, dass sie ihre Zustimmung gegeben hat und sein Handeln in einem professionellen Setting geschieht, in dem Regeln herrschen, die zugleich für Distanz sorgen.

Verwendet der Arzt nun aber eigenmächtig seinen eigenen Samen für die Befruchtung der Patientin, handelt es sich nicht etwa um irgendeine kleinere ärztliche Grenzüberschreitung sondern sie findet an der persönlich bedeutsamen Grenze der Körperlichkeit, Intimität und Privatheit statt. Erfährt eine Patientin später davon, ist es durchaus möglich, dass sich ihr eine Bildlichkeit des Verlaufes intrusiv aufdrängt: Sie wird nun mit dem mentalen Bild leben, wie dieser Arzt kurz vor ihrem Termin in einen Becher ejakuliert haben muss, um seine Patientin mit dem Ergebnis dieses sexuellen Aktes eine halbe Stunde später (heutzutage ein halbes Jahr) zu befruchten. Noch sexualisierter wird diese innere Szene, wenn die Patientin ihrem Behandler unterstellt, dass er ihre Person in seine sexuelle Phantasietätigkeit eingebunden hat. Die Emotion Abscheu auf Seiten der Frau wäre also nicht etwa Ausdruck übersteigerter Prüderie sondern zeigt an, dass hier Grenzen persönlicher Integrität in mehrfacher Hinsicht übertreten wurden.

(16) Beispielsweise in dem Film “Offspring” von Barry Stevens (2001) (https://vimeo.com/128603400) äußerten sich Betroffene enttäuscht, als sich in ihrem Fall herausstellte, dass der Arzt Berthold Wiesner doch nicht ihr Spender war, denn so blieb der eigene Spender weiterhin unbekannt.

(17) Zu den persönlichen Interessen, die nicht in ein Arzt-Patienten-Verhältnis gehören, würde auch die Durchsetzung des persönlichen Interesses eines Arztes an sexueller Selbstbefriedigung, Bestätigung eigener Potenz und Männlichkeit sowie Sexualisierung des Arzt-Patientinnen-Verhältnis zählen.

(18) Ein deutliches Gefälle hinsichtlich der Informations- und Entscheidungsmacht besteht strukturell auch dann noch, wenn fortschrittliche Samenbankbetreiber den Empfängerpaaren zumindest die letzte Wahl aus mehreren Spenderprofilen überlassen oder ihnen wenige Rumpfinformationen über den Spender mitteilen. Es könnte diskutiert werden, ob der Staat angesichts dieser extrem ausgeprägten Machtfülle eines einzelnen Arztes stärker noch als bisher Schutzpflichten übernehmen sollte.

Zusätzlicher Termin Vorbereitungsseminar „Familiengründung mit Spendersamen – unser Weg!?“ am 18.3.

DI-Netz bietet regelmäßig Informationsveranstaltungen an für Paare und Personen, die über eine Samenspende nachdenken.

Die Seminarbeschreibung finden Sie hier.

Da das Seminar am 11.3. schon ausgebucht ist, die Nachfrage allerdings gerade hoch ist, bieten wir für alle weiteren interessierten Personen außer der Reihe einen weiteren Termin an: Eine Woche später, am Sonntag 18.3. von 11-16 Uhr in Bielefeld. Anmeldungen bitte unter: info@di-netz.de