Medien – Sieben goldene Regeln

Achtung: Wir nehmen es genau!

Sieben goldene Regeln für den Journalismus aus Sicht von DI-Familien

DI-Netz freut sich, wenn Sie über ein so komplexes Thema wie die männliche Unfruchtbarkeit, Spendersamenbehandlung, Samenbanken und DI-Familien schreiben.
Die Spendersamenbehandlung ist eine sehr komplexe Angelegenheit, sie wirft viele Fragen und Kontroversen auf. Für die meisten Laien ist die „Donogene Insemination“ ein vollkommen unbekanntes Terrain. Leider macht die extrem hohe Geheimhaltung der Samenspende Vieles unsichtbar, so ist auch der wissenschaftliche Forschungsstand noch verhältnismäßig dürftig. Die allgemeine Tabuisierung lädt zur Mythenbildung, verkürzten und negativen Darstellungen ein.

In dem Informationsvakuum kommt Ihrer Medienberichterstattung ein besonders hoher Stellenwert zu. Ihre Beschreibungen der Samenspende werden erheblichen Einfluss auf die öffentliche Meinungsbildung in Deutschland haben. Damit haben sie eine hohe Verantwortung uns Familien gegenüber, die sich mithilfe einer Samenspende gegründet haben. Sie werden den BürgerInnen unseres Landes ein bestimmtes Bild von der Samenspende und den beteiligten Personen vermitteln. Angesichts der allgemeinen Unkenntnis ist es ein Leichtes sein, die Spendersamenbehandlung in die Nähe vertrauter Bilder zu rücken – der Prostitution, der Vieh- und Menschenzucht, dem Menschenhandel, der abwesenden Väter, den egozentrischen Kinderwunschpatientinnen, der Designerkinder usw. Zotige Auslassungen über Samengewinnungsräume sowie düstere Bilder von verfolgenden Spenderkindern, eiskalten Reproduktionsmedizinern und egoistischen Eltern, die nicht wissen, was sie ihren Kindern antun, sind schnell produziert.
Wir bitten Sie, verantwortlich und vorsichtig mit unserer Geschichte, unseren Sorgen und unserem Glück umzugehen. Wir sind seriösen Journalisten, die sich um eine ausgewogene Berichterstattung bemühen, gern auch mit Hinweisen zur Forschungsliteratur etc. behilflich.
Aus unseren bisherigen Erfahrungen haben sich folgende 7 Aspekte einer fairen Berichterstattung herauskristallisiert.

1) Präziser Sprachgebrauch
Die meisten Berichterstattungen über die Spendersamenbehandlung arbeiten leider mit einer ungenauen Sprache, um eine plakative Wirkung zu erzeugen. Doch Sprache bestimmt das Denken. Nicht nur, dass unseren Kindern mit Begriffen wie „Eiskinder“ oder „Kinder aus der Samenbank“ negative Identitäten angeheftet werden. Vor allem dem Samenspender wird, wenn er lapidar zum „Vater“ definiert wird, eine falsche Rolle zugeschrieben (z.B. „auf der Suche nach dem Vater“, „Papi aus der Kühltruhe“ etc.). „Vater“ ist ja in unser aller Köpfen ein Beziehungs-Begriff! Das heißt: Machen Sie sich klar, dass zum Begriff „Vater“ im öffentlichem Bewusstsein die normale Assoziation einer tieferen, gelebten emotionalen Bindung auftaucht. Eine solche soziale Beziehung besteht zwischen Spender und den durch die Samenspende gezeugten Kinder nicht. Darum halten wir eine solche Bezeichnung für den Samenspender für irreführend. In dem Vokabular von DI-Netz bleibt der Samenspender was er ist: „Samenspender“!

2) Präsenz der Väter
In der aktuellen Debatte wird sehr viel Augenmerk auf den Spender gelenkt, der dann oft zum Vater erklärt wird. Die Personengruppe, die momentan am ehesten unsichtbar bleibt, sind die DI-Väter. Denn: Schnell wird übersehen, dass Kinder, die aus einer Donogenen Insemination entstanden sind, bereits einen Vater haben. Es sind die Väter, die sich von Anbeginn für die Zeugung ihres Kindes mithilfe einer Samenspende ausgesprochen haben, die der Vaterschaft schriftlich zugestimmt haben, die bei Schwangerschaft und Geburt dabei sind, die sich um das Kind kümmern, eine innige Bindung zu ihm aufgebaut haben und selbstverständlich finanziell für das Kind sorgen. Der emotionalen Bindung zwischen Vater und Kind sind wir uns sicher. Und wir wissen, dass unsere Kinder im Spender keinen „echteren“ Vater suchen, sondern etwas über ihre Entstehung und ihr Gewordensein herausfinden wollen.

3) Wir sind Experten für unser Familienleben
Wir erfahren oft, dass alles und jeder eine Meinung über die Legitimität und das Funktionieren unserer Familienbildung mithilfe von Spendersamen hat. Respektieren Sie bitte, dass wir als einzige wirklich die Lebenswirklichkeit in unserer jeweiligen DI-Familie kennen und bilden Sie sich nicht vorschnell ein Urteil. Wir wissen oft wohl am besten, wie es in unserem Privatleben ausschaut. Neben den medizinischen, juristischen, beraterischen und journalistischen Experten, die sich im Diskurs zur DI zu Wort melden, sind wir, die wir dies Familienmodell leben, mit unserer Expertise ernst zu nehmen. Machen Sie uns bitte nicht zu Objekten! Wir plädieren für eine doppelte Expertenschaft auf Augenhöhe.

4) Unser Familienglück
Zeigen sie ruhig mal, wie intakt und gesund unsere Familien sind. In der Tat ist unser Familienalltag nämlich eigentlich ziemlich normal und unspektakulär, wie bei anderen gewöhnlichen Familien auch. Das macht uns allerdings ungeeignet für eine skandalfreudige und voyeuristische Presse. Führen Sie uns nicht als Exoten vor. Obwohl viele von uns offen mit der Tatsache der Spendersamenbehandlung umgehen, definieren wir Eltern uns und unsere Kinder sich nicht über die Samenspende. Wir nennen unsere Kinder nicht „Spenderkinder“ und unsere Familien nicht „Inseminationsfamilien“.

5) Unsere politische Botschaft
Gern möchten Medien uns persönlich vor die Kamera bekommen, doch oft interessiert man sich nur für unsere persönlichen und privaten Geschichten im O-Ton. Für uns dagegen lohnt sich ein persönlicher Auftritt in den Medien nur, wenn wir etwas von dem, was wir öffentlich sagen wollen, auch wirklich wiedergegeben wird. Wir sind enttäuscht, wenn aus Interviews mit uns, nur die Elemente zur Veröffentlichung rausgesucht werden, die uns wenig bedeuten oder in einen von uns nicht gewollten, reißerischen oder schlüpfrigen Kontext passen. Die wenigsten von uns sind daran interessiert, Ihnen vor der Kamera zu zeigen, dass unsere Kinder auch einen Kopf und zwei Beine haben wie alle anderen Kinder auch. Manchmal möchten wir mit Ihnen lieber über andere Aspekte unserer Situation sprechen, über Stigmatisierung, über unsere politischen Forderungen, über Erfahrungen, die uns wirklich bewegen.

6) Wunsch nach Anonymität
Wie lässt sich unser Privatleben und das unserer Kinder schützen? Bitte machen Sie sich dazu Gedanken, wenn Sie auf uns zukommen. Die meisten DI-Familien sind nicht bereit, ihre volle Identität in der Öffentlichkeit preiszugeben. Manche können es sich in ihrem sozialen Umfeld nicht leisten, dass die Tatsache der Samenspende bekannt wird. Vor allem aber haben einige noch kleine Kinder, die sich zum jetzigen Zeitpunkt nicht mündig dazu äußern können, ob sie von ihren Eltern als DI-Kind geoutet werden möchten. Dafür braucht es noch ein paar Jahre.

7) Blick über den Tellerrand
Um die Situation in Deutschland besser einzuschätzen, lohnt ein Blick über die nationalen Grenzen. Berichten Sie über die Situation in anderen Ländern wie z.B. die Schweiz, Großbritannien, Schweden, USA, Australien. In Großbritannien gibt es ein vorbildliches nationales Spenderregister, in den USA Einfluß der Empfänger auf die Spenderauswahl, auch gibt es ein Donor Sibling Registry, wo sich z.B. genetische Halbgeschwister finden können. Lesben und Alleinstehende werden im Ausland problemlos behandelt. Eine Diskussion über Erfahrungen im Ausland könnte die gesellschaftspolitische Debatte weiterführen.

Als Download: Unsere sieben goldene Regeln für einen guten Journalismus