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Urteil des BGH, Teil 5

Der Volltext des BGH-Urteils liegt jetzt vor.

Hier finden Sie die ausführliche Fassung des Urteils des Bundesgerichtshofs.

DI-Netz hat bereits in den letzten Wochen über die Verhandlung berichtet.

Im Urteil werden einige wichtige Punkte klar gestellt, die bisher oft fehlinterpretiert wurden:

1) Es besteht eine Rechtsbeziehung zwischen behandelndem Arzt und Kind. Die Spendersamenbehandlung hört für den Arzt nicht etwa auf, wenn eine Schwangerschaft der Patientin eingetreten ist, vielmehr entsteht eine Rechtsverbindung zwischen Arzt und Kind, aus dem sich ein Auskunftsanspruch des Kindes gegenüber dem Arzt ergibt. (S. 7)

2)  Es besteht laut BGH kein Bedarf, ein Mindestalter für das Auskunftsrecht festzulegen . Das Interesse an den eigenen Wurzeln erwacht nicht erst mit Ende des 16. Lebensjahres. (S. 9)

3) Es wird die Bedeutung des Elternrechts erläutert:

Es liegt in der Verantwortung der Eltern, wann und in welcher Form sie ihr minderjähriges Kind informieren. „Dabei werden sie die Persönlichkeit des Kindes, den Stand seiner Persönlichkeitsentwicklung, seine Verstandesreife, aber auch ihr individuelles Erziehungskonzept berücksichtigen.“ Diese Aspekte entziehen sich weitgehend einer generalisierenden Betrachtung und der Festlegung einer starren Altersgrenze. Es hängt nicht vom Lebensalter des Kindes ab, wann dessen  – aus der Erziehungsentscheidung seiner Eltern folgendes – Informationsbedürfnis entsteht. (S. 10)

Das Auskunftsrecht kann bei Minderjährigen nur durch die Eltern geltend gemacht werden. Und nur zum Zweck der Information des Kindes. (S. 13)

Das Informationsbedürfnis entsteht nicht erst, wenn dem Kind die Tatsache der Samenspende bekannt ist und es nach dem Spender fragt.

Es gibt keinen zeitlichen Zusammenhang zwischen Erlangung der Information durch die Eltern und der Mitteilung an das Kind. Die Eltern üben das Persönlichkeitsrecht des Kindes treuhänderisch aus, und es bleibt ihrer elterlichen Entscheidung überlassen, wann und unter welchen Umständen sie das Kind von seiner Herkunft in Kenntnis setzen. (S. 14, 17)

4) Es wird ein Rechtsvergleich mit dem Auskunftsrecht bei Adoption und der vertraulichen Geburt angestellt. (S. 11-13)

5) Falls es streitig wäre, ob der Samenspender der tatsächliche biologische Vater des Kindes ist, müßte sich ein Gericht eine Überzeugung davon bilden, ob es von der Zeugung mittels der Samenspende ausgehen kann. (S. 14)

6) Im Urteil wird die –  im juristischen Diskurs gewohnte –  etwas formelhafte Begründung des Rechts auf Kenntnis der Abstammung ausgeführt:

Der Auskunftsanspruch des Kindes ergibt sich aus seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht (freie Entfaltung der Persönlichkeit, Schutz der Menschenwürde). Der Bezug zu den Vorfahren nehme eine Schlüsselstellung für das eigene Selbstverständnis ein. Die Kenntnis der Herkunft könne wichtige Anknüpfungspunkte für das Verständnis des familiären Zusammenhangs und für die Entwicklung der eigenen Persönlichkeit liefern. Die Unmöglichkeit, die eigene Abstammung zu klären, kann den Einzelnen erheblich belasten und verunsichern. (S. 16)

Der „Rechtsposition des Kindes wird regelmäßig ein erhebliches Gewicht im Rahmen der Abwägung zukommen (…) „wonach in der Regel zugunsten des Kindes zu entscheiden sei)…“(S.16-17)

7) Die Pflicht des Arztes wird erläutert.

Es sei „dahingestellt“, ob es ein Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit sei, wenn der Arzt Auskunft erteile. Es sei „nicht ersichtlich, inwieweit durch die Auskunftspflicht die Berufsausübung spürbar eingeschränkt“ werde.

Die Richtlinien der BÄK von 1985 und die Musterrichtlinie zur Durchführung der assistierten Reproduktion von 2006 machten den Auskunftsanspruch bereits deutlich: „Mit dem Blick hierauf gehört es seit fast 30 Jahren zu einer an den berufsständischen Richtlinien orientierten Berufsausübung im Bereich der Reproduktionsmedizin, dass die Behandlung im Wissen um den Auskunftsanspruch des Kindes vorgenommen wird.“  Es könne nicht behauptet werden, dass ein entsprechender Auskunftsanspruch erst mit dem Urteil des OLG Hamm begründet worden sei und dass das Bestehen vorher nicht erkennbar gewesen sei. (S. 18)

Es sei Sache des in Anspruch genommenen Arztes, die Belange der Eltern und des Samenspenders bei diesen zu erfragen und ggfs. im Verfahren geltend zu machen. Der Arzt kann sich nicht bloss auf seine Schweigepflicht berufen. (S. 20)

8) In diesem konkreten Rechtsstreit wird nicht geklärt, ob der Umfang des Auskunftsanspruch des Kindes auch Einsicht in die gesamten Behandlungsunterlagen beinhaltet.(S. 24)

9) Das Landgericht soll nun a) klären, ob die Klägerinnen tatsächlich auf die Auskunft angewiesen sind b) klären, ob die Eltern die Auskunft zum Zweck der Information der Klägerinnen verlangen c) die nötige Interessenabwägung vornehmen.(S.25)

 

 

 

 

Neu: Seminare von DI-Netz zur „Familiengründung mit Spendersamen“

Im DI-Netzwerk gibt es einen reichen Fundus an Erfahrungen und Kenntnissen zur Familiengründung mit Spendersamen.
Wir geben dieses Wissen gerne an andere weiter.
Deshalb freuen wir uns, zukünftig Informationsveranstaltungen zum Thema anbieten zu können, die Ihnen die eigene Entscheidung erleichtern sollen.

Informationsseminar „Familiengründung mit Samenspende – unser Weg!?

Die Spendersamenbehandlung ist mehr als eine medizinische Methode. Bevor Paare den Schritt wagen, mit Hilfe einer Samenspende ein Kind zu bekommen, machen sie sich einige Gedanken. Manche sehen einer Spendersamenbehandlung mit leichtem Herzen entgegen, andere finden diese Idee zunächst ziemlich befremdlich. In jedem Fall wollen Paare auf Dauer gut mit dem gewählten Weg leben können.

Falls Sie darüber nachdenken, eine Samenspende zu nutzen, hilft es:

• sich so viel fundierte Information zum Thema zu verschaffen wie möglich, damit Sie Ihre Situation kompetent einschätzen können.

• sich Zeit zu nehmen, die Spendersamenbehandlung gründlich miteinander zu besprechen, damit Sie mögliche Missverständnisse aus dem Weg räumen.

• andere Paare kennen zu lernen, die mit den gleichen Fragen beschäftigt sind wie SIe, damit Sie sich mit dem Thema nicht allein fühlen.

Der Rahmen eines Informationsnachmittags bietet daher eine besonders gute Gelegenheit, sich mit der Samenspende auseinanderzusetzen. Das Seminar soll Ihnen helfen, eine gute Entscheidung für oder gegen die Samenspende zu treffen.

Das Seminar bietet:

• Informationen zu juristischen, medizinischen und psychologischen Aspekten der Spendersamenbehandlung
• Informationen zur Wahl des Arztes, der Samenbank und der Spenderauswahl: Was können Sie beachten?
• Informationen über die Entwicklung von Kindern nach Samenspende: Wie geht es den Kindern? Sollten Sie mit dem Kind später über die besondere Zeugungsart sprechen?
• Hilfestellung bei der Überlegung, ob Sie mit Freunden, nahen Verwandten oder Außenstehenden über die Samenspende sprechen wollen.

Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Seminars erfahren, was Eltern und Kinder persönlich über die Familiengründung mit Spendersamen zu berichten haben.
Dabei soll es genügend Raum geben, sich über eigene Gedanken hinsichtlich der Samenspende auszutauschen.

Ort:

Bielefeld
Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus ganz Deutschland sind willkommen. Für den Fall einer weiten Anreise sind wir Ihnen gern bei der Organisation einer Unterkunft behilflich.

Zeiten:

Unsere Info-Nachmittage finden vierteljährlich statt.

Die nächsten Termine sind:
Samstag, 6.6.2015;
Samstag, 19.9.2015;
Samstag, 28.11.2015

13-18 Uhr, inkl. Pause

Teilnehmerzahl: 8 – 18 Personen

Kosten:

40 Euro pro Person,

ermäßigt für Mitglieder von DI-Netz e.V. 15 Euro pro Person

Rücktritt: bis 2 Wochen vor Veranstaltungstermin 50% Erstattung.

Anmeldung:

Per Post oder via Email an info@di-netz.de.
Bitte geben Sie Ihre Postadresse, evtl. Email und Ihre Telefon-Nummer an.
Die Anmeldung ist rechtsverbindlich, wenn der Teilnahmebeitrag überwiesen wurde. Sie erhalten eine Anmeldebestätigung mit weiteren Informationen nach erfolgreicher Anmeldung.

Seminarleitung:

Claudia Brügge, Jg. 67, Psychologische Psychotherapeutin, BKID-zertifiziert für Beratung bei Gametenspende

Ulrich Simon, Jg. 65, Familientherapeut, Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeut

Beide sind Eltern nach Samenspende und Mitbegründer von di-familie.de und DI-Netz e.V.

 

Faltblatt zum Ausdrucken: seminar-familiengründung-mit-spendersamen

 

TV-Tipp: Kinder, Eltern, Spendersuche

In den letzten Wochen gab es zwei besonders gelungene Beiträge im deutschen Fernsehen über erwachsene Menschen, die mithilfe einer Samenspende gezeugt wurden und die im Verein „Spenderkinder“ aktiv sind.

Dies ist zum einen die Sendung „Anonym gezeugt“ im Rahmen der Reihe „Menschen Hautnah“ des WDR „, wo es vor allem um Anja und Sunny geht.

http://www1.wdr.de/fernsehen/dokumentation_reportage/menschen-hautnah/sendungen/anonymgezeugt102.html

Zum anderen gab es die Talkshow „Markus Lanz“, wo Sarah Pienkoss ihre Geschichte noch einmal erzählt.

http://www.zdf.de/ZDFmediathek/beitrag/video/2332044/Markus-Lanz-vom-19.-Februar-2015#/beitrag/video/2332044/Markus-Lanz-vom-19.-Februar-2015 (ab. ca. 52 Min.)

Beide Beiträge geben den Frauen Zeit, ihre persönlichen Geschichten ausführlich zu erzählen und sie tun es eloquent und reflektiert. Die Berichte sind emotional berührend und es werden verschiedene, auch starke Gefühle sichtbar. Anders als in vielen anderen Medienberichten, in denen das „Recht auf Kenntnis der Abstammung“ ja zuweilen sehr abstrakt bleibt, wird hier das persönliche Erleben plastisch berichtet, die Beziehung zu den Eltern, insbesondere zum DI-Vater, kriegt beides Mal Raum. Die Reproduktionsmediziner und deren Position erscheinen im ersten Beitrag rückständig und einer lässt sich nur ausgepixelt filmen. Im zweiten Beitrag wird der Umdenkungsprozess deutlich, von der Geheimhaltung damals zur Aufklärungsempfehlung heute.

Uns DI-Familien mit jüngeren Kindern wird klar, dass es recht verschiedene DI-Generationen sein müssen, die heute über die Samenspende sprechen. Auf der einen Seite die Kinder der ersten DI- Generation, die nicht oder spät aufgeklärt wurden, Eltern, die eher verdruckst mit der Samenspende umgingen und für heutige Eltern nicht zur Identifikation einladen; sie bleiben entweder zu schemenhaft oder wirken schuldbeladen. Mit Reproduktionsmedizinern, die zur Geheimhaltung rieten und gegen die man heute mit Gerichtsprozessen angehen muss, um dann von ihnen immer noch keine Informationen zum Spender zu erhalten.

Auf der anderen Seite Familien wie im DI-Netz: die heutige Generation der Eltern scheint uns schon viel selbstbewusster und offener mit der Samenspende umzugehen. Die Kinder wachsen selbstverständlicher mit dem Wissen um die Samenspende auf. Die Reproduktionsmediziner zeigen sich aufgeschlossener und machen Zugeständnisse zur Datenherausgabe.
– Weht bereits ein anderer Wind?

Kommentar zum BGH-Urteil, Teil 4

Vom Bundesgerichtshof überholt – ein Kommentar zum BGH-Urteil

von Claudia Brügge, stellv. Vorsitzende DI-Netz e.V.

Aus Sicht von DI Netz e.V. ist das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 28.1.2015 sehr zu begrüßen. Dabei gingen die Karlsruher Richter mit ihrer Entscheidung zum Mindestalter des Auskunftsrechts deutlich weiter, als viele von uns erwartet hätten.

Das BGH-Urteil

Der Bundesgerichtshof hatte zu klären, ob zwei minderjährigen Kindern, die mittels einer Samenspende gezeugt wurden, tatsächlich erst ab 16 Jahren ein Auskunftsanspruch auf die Identität des Samenspenders zugestanden werden kann, so wie es das Landgericht Hannover eingeschätzt hatte. Die Aufgabe der Revision war es, die Entscheidung des Landgerichts auf mögliche Rechtsfehler zu prüfen. Der BGH hob jetzt die vorangegangene Entscheidung auf und verwies den Fall zur erneuten Verhandlung zurück an die Vorinstanz. Das Landgericht soll nun eingehender als bisher abwägen, wie die rechtlichen Interessen aller Beteiligten – das heißt die Interessen der Kinder und ihrer Eltern, des Spenders und der Klinik – zu gewichten sind.

Eine umfassende, auf den konkreten Einzelfall bezogene Interessenabwägung der Richter ist ein nötiger Schritt in diesem Rechtsverfahren. Diese Interessenabwägung ist keine Aufgabe, die den Kindern oder den Reproduktionsmedizinern aufgetragen ist – so wie dies in der Interpretation manchmal missverstanden wurde. Sie ist Sache der Zivilgerichtsbarkeit.

Zur Rolle des Bundesgerichtshofs

Somit ist der konkrete Rechtsstreit zwischen Kinderwunschzentrum und den beiden Kindern noch nicht abschließend entschieden. Auch hat der BGH kein neues Gesetz geschrieben. Der BGH kam mit dem Grundsatzurteil seiner Aufgabe der „richterlichen Rechtsfortbildung“ nach, indem er das generelle Auskunftsrecht von Abkömmlingen aus Samenspende bestätigte und die besonders hohe Priorität des Persönlichkeitsrechts auf Kenntnis der eigenen Abstammung bei der Interessenabwägung unterstrich.

Weiterhin ging der Senat davon aus, dass für den Auskunftsanspruch kein Mindestalter erforderlich ist und somit von Geburt an besteht. Mit dieser großzügigen Auslegung hatte das DI-Netz dann doch nicht gerechnet.

Die künftigen Rechtsprechungen der unteren Instanzen werden nun mit hoher Wahrscheinlichkeit dieser Rechtsauffassung des Bundesgerichtshofs folgen. Das Urteil wird die allgemeine Rechtspraxis in Deutschland verändern.

Eines wurde für uns ganz deutlich: Die Art der Verhandlungsführung des Senats und die bundesweite Resonanz auf das Urteil zeigen, dass die Spendersamenbehandlung im modernen Familienrecht kein Schmuddelimage mehr hat. Sie wird pragmatisch, nüchtern und ziemlich selbstverständlich als ein Weg der Familiengründung akzeptiert, den wir nicht weiter zu rechtfertigen haben.

Umso deutlicher zeigt sich jetzt die Notwendigkeit, die Spendersamenbehandlung ein für alle mal rechtsverbindlich zu regeln.

Mehr Rechtssicherheit: der Gesetzgeber muss handeln

Mit dem höchstrichterlichen Urteilsspruch ist noch nicht alles geklärt. Es besteht auch nach dem BGH-Urteil gesetzgeberischer Handlungsbedarf. Darüber sind sich alle Interessenvertreter im Bereich der Spendersamenbehandlung – erwachsene Kinder, Eltern, Ärzte und Berater – einig. In der deutschen Rechtsordnung fehlt ein ausreichender Schutz für den Samenspender, und diese Rechtsunsicherheit ist international einzigartig. Es braucht zügig eine gesetzliche Freistellung des Samenspenders von möglichen Unterhaltspflichten, damit alle Beteiligten ihre vorgesehenen Rollen unbelastet einnehmen können statt füreinander eine potentielle Bedrohung darzustellen.

Will man die Unruhe im Feld wirklich verhindern und Worst-Case-Szenarien verhindern, dann muss der Gesetzgeber dringend handeln, um das Risiko auszuschließen, dass der Samenspender zum rechtlichen Vater gemacht werden kann. Dies ist zwar in der deutschen Geschichte faktisch noch nicht vorgekommen. Doch die Anfechtbarkeit der rechtlichen Vaterschaft durch das Kind müsste vom Gesetzgeber jetzt kritisch geprüft werden.

Darüber hinaus sollte eine zentrale, unabhängige Dokumentationsstelle eingerichtet werden, um dem Kind die Ermittlung seiner Herkunft und den Zugang zur Dokumentation zu erleichtern. Ein solches nationales Spenderregister sollte aus unserer Sicht am besten an das Bundesgesundheitsministerium angegliedert sein.

Die Entdeckung des Elternrechts

DI-Netz begrüßt das Urteil aus Karlsruhe, weil es hinsichtlich der Samenspende Klärungsprozesse sowohl auf gesellschaftlicher Ebene (politisch, rechtlich) als auch persönlich und innerfamiliär vorantreibt. – Der BGH hat nicht nur die Rechte der minderjährigen Kinder gestärkt. Er betont auch das Elternrecht, wie es in Artikel 6 des Grundgesetzes verankert ist. Die Wahrung der Kinderrechte wird im Elternrecht den Eltern zugewiesen: Wir Eltern haben als rechtliche Vertreter unserer minderjährigen Kinder für ihr Wohl zu sorgen – nun auch in den Belangen, die die Informationen zum Samenspender betreffen.

Das Urteil wirft nicht nur jede Menge Fragen zur sinnvollen Regulierung der Donogenen Insemination auf. Mit dem Urteil kommen auch auf uns DI-Eltern neue Fragen und Herausforderungen zu, die mit den zugewiesenen Handlungsspielräumen einhergehen. Elternverantwortung beinhaltet unser Grundrecht und unsere Grundpflicht, für die Belange unserer minderjährigen Kinder einzutreten. Der BGH jedenfalls traut uns zu, innerhalb unserer Familien verantwortungsvoll zu entscheiden, ob und wann das Kind die Identität des Samenspenders erfahren soll.

Fragen und Entscheidungen auf Elternseite

Wenn wir Eltern, wie es das Urteil nahe legt, jetzt viel früher selbst die Identität des Spenders erfahren können, müssen wir eine Haltung aufbauen, wie wir mit diesem größeren Kompetenzbereich im besten Sinne unserer Kinder umgehen wollen. Das kann für uns Eltern auch Anstrengung bedeuten. Eltern haben sich jetzt nicht mehr nur die Frage zu beantworten, ob sie das Kind über die Tatsache der Spendersamenbehandlung aufklären werden. Sie müssen sich auch Gedanken darüber machen, ob und ab wann ihr Kind mit ihrer Hilfe Kenntnis von der Identität des Spenders erlangen soll. Nimmt man das Urteil aus Karlsruhe ernst, werden Eltern jetzt je eigene Antworten auf eine Fülle von Fragen finden müssen:

  • Braucht unser Kind mehr Information über den Spender oder eben gerade nicht?
  • Sollte es etwas über den Spender wissen, wenn es etwas über ihn in Erfahrung bringen kann?
  • Was genau wäre mit der Kenntnis des Namens des Spenders für unser Kind gewonnen?
  • Sollte man die Auskunft über den Spender besser jetzt einfordern oder später?
  • Ist es für unser Kind besser, die Daten zuhause abzuheften oder sollten wir sie besser weiterhin dem Aktenschrank des Arztes anvertrauen? Oder wollen wir auf ein staatliches Spenderregister warten?
  • Und letztlich stellt sich auch hier die typische Gewissensfrage von Eltern: Werden wir auch in der Rückschau zufrieden sein mit der jeweiligen Richtung unserer individuellen Entscheidungen? Dies betrifft beispielsweise die Aufklärung des Kindes, die Berücksichtigung des Kindeswillens, die Datenhinterlegung, die Auskunftsanfrage beim Arzt, die eigene Prozessfreudigkeit. Werden wir unsere Entscheidung später unserem Kind gegenüber verantworten können?

Mit der BGH-Entscheidung entsteht also vermehrt persönlicher Reflexionsbedarf in den Familien, was vermutlich auch mehr Unterstützungs- und Beratungsbedarf mit sich bringen wird.

Zwei Gruppen von Eltern werden durch das BGH-Urteil in jedem Fall anders erreicht als bisher: Eltern, die bisher nicht bereit waren, ihrem Kind von der Samenspende zu erzählen, weil sie ihm dann keinerlei weitere Informationen über den Spender geben könnten. Bei ihnen dürfte das BGH-Urteil die Bereitschaft zur Aufklärung erhöhen. Ebenso werden solche Paare gewissermaßen von der Straße in die Kinderwunschzentren geholt, die bisher auf die juristisch prekäre Lösung einer privaten Samenspende zurückgegriffen haben, um für das Kind zu gewährleisten, dass ihm Informationen über den Spender zur Verfügung stehen.

Bedenken

Die Hervorhebung des Elternrechts wird manchen Skeptikern nicht gefallen. Vielleicht, weil manch einer uns Eltern ohnehin nicht ganz für die rechtmäßigen Eltern hält. Vielleicht auch, weil man Eltern nicht die Kompetenz zutraut, solche Dinge gut und richtig für ihr Kind zu entscheiden. Oder aber, weil man es prinzipiell nicht gern sieht, dass die Personalien des Spenders in die Hände von Eltern gelangen. Schon gar nicht so frühzeitig und bevor das Kind selbst von der Samenspende weiß und sie begreifen kann.

Auch manche Eltern werden sich mit den Konsequenzen des Urteils schwer tun. Je mehr Anonymität bisher von außen vorgegeben war, umso weniger brauchten Eltern sich der eigenen Ambivalenz gegenüber der Person des Spenders zu stellen. Solange sie davon ausgehen mussten, dass ihr Kind die Informationen über den Spender nicht einfach bekommen kann (als Erwachsene kaum und schon mal gar nicht im Kindesalter), solange konnten sie der Frage ausweichen, inwiefern ihr Kind Kenntnis von der Identität des Spenders für seine Entwicklung braucht.

Die Maxime von DI-Netz e.V.: Elterngeleitet und kindzentriert

Wir Eltern im DI-Netz sprechen mit unseren Kindern offen über die Tatsache der Spendersamenbehandlung. Aber Hand aufs Herz: Eltern selbst äußern selten brennende Neugier auf die Person hinter der Samenspende. Viele Eltern erleben es so, dass der Spender – bei aller Offenheit – im Familienalltag lange Zeit keine Rolle spielt und zu spielen braucht. Wir nehmen allerdings unsere Elternverantwortung sehr ernst. Wenn es also um die Wahrung der Rechte und Bedürfnisse unserer Kinder geht, setzen wir uns nachdrücklich dafür ein, dass unsere Kinder Zugriffsmöglichkeiten auf Informationen über ihre Herkunft bekommen, das heißt über den Spender. Es wäre beruhigend zu wissen, dass unsere Kinder jederzeit – identifizierende wie nicht-identifizierende – Informationen über den Spender bekommen können, falls wir den Eindruck gewinnen, dass sie das brauchen.

DI-Netz beim BGH: Teil 3

BGH sagt, unsere Kinder haben einen Auskunftsanspruch von Geburt an

(Bericht von Dipl.-Psych. C. Brügge, Vorsitzende DI-Netz e.V.)

Erstmalig musste sich der Bundesgerichtshof mit dem Auskunftsbegehren von Kindern aus Samenspende auseinandersetzen. In dem Revisionsverfahren wurde das Urteil eines Landgerichtes geprüft, welches zwei minderjährigen Mädchen allenfalls mit 16 einen Auskunftsanspruch bezüglich der Identität des Spenders zusprach.

Im Internet finden sich zahlreiche Meldungen über das Urteil des BGH.

Hier nun eine persönliche Berichterstattung aus dem DI-Netz über den Verlauf der Verhandlung – etwas ausführlicher, damit die Argumentationsfiguren und der Ablauf transparenter werden.

In diesem Teil 3 der Meldung soll – so gut es geht – ausschließlich wiedergegeben werden, was gesprochen wurde. Zu einem späteren Zeitpunkt folgt in einem weiteren Teil 4 unser  Kommentar. Die ausführliche schriftliche Urteilsbegründung des BGH wird in Teil 5 wiedergegeben. Und schließlich gibt es in Teil 6 den Gastkommtar der Rechtsanwältin Helga Müller (Frankfurt).

Zunächst noch eine kleine Nebenbemerkung.

Vorweg: Willkommen bei der Anonymität der Samenspende?

Psychologen interessieren sich für Atmosphären und für Eindrücke am Rande. So fiel mir im Bundesgerichtshof gleich zu Beginn ins Auge: die klagenden Eltern und ihre Töchter waren nicht da, die Beklagten waren nicht da, und Publikum war auch keines da. Dass ein Gerichtsgebäude menschenleer wirken kann, und dass Prozessbeteiligte nicht unbedingt persönlich zum Termin erscheinen, das gibt es regelmäßig. Auch gehen deutsche Bürger im Palais des BGH nicht einfach ein und aus. Trotzdem: bei diesem für uns so wichtigen Justizereignis war die Öffentlichkeit zugelassen, und deshalb war es für mich erst einmal merkwürdig, allein auf eine kleine Gruppe von Journalisten zu treffen sowie natürlich während der Verhandlung auf die fünf Richter der Spruchgruppe des Senats und die beiden Anwälte der beteiligten Parteien. Es gibt in Deutschland ungefähr 110.000 Menschen aus Samenspende, Brigitte Zypries errechnete mal eine Zahl von mindestens 1 Million unmittelbar und mittelbar davon Betroffenen – Kinder, Eltern, Samenspender, ihre jeweiligen Familien, Reproduktionsmediziner, psychologische und juristische Fachleute. – Doch als ich mich im Sitzungssaal nach anderen Personen umschaute, entdeckte ich sonst niemanden. Wo waren sie alle? Hatte dies bereits mit dem allgemeinen Klima der Geheimhaltung, dem Verstecken und dem Unkenntlichmachen zu tun, das die Samenspende allgemein umgibt? Wer weiß. Vielleicht konnte man im Vorfeld auch noch nicht ahnen, wie grundlegend das Urteil ausfallen würde.

Weiterer Verlauf: Die Argumentation des Gerichts

Ich gebe hier mein persönliches Verlaufsprotokoll der Verhandlung für unsere Mitglieder und die Öffentlichkeit zur Kenntnis. Es ist nicht vollständig und nicht wortgetreu sondern meist sinngemäß, so wie ich es gehört habe. Ich hoffe, dass meine Wiedergabe der Verhandlung keine Verzerrungen enthält (andernfalls bitte ich um Korrektur durch das Lesepublikum).

Berichterstattung durch den Vorsitzenden Richter des 12. Zivilsenats für Familienrecht

Einführend fasste der Vorsitzende Richter mit wenigen Sätzen den Rechtsstreit der Vorinstanzen zusammen, so wie dies bereits in der Terminankündigung des BGH im Vorfeld nachzulesen war. Dann folgte seine Berichterstattung zur Prüfung des vorhergehenden Urteils.

Dabei begann er mit der Ausführung, dass seit 1989 das Recht auf Kenntnis der Abstammung ein verfassungsrechtlich geschütztes hohes Gut sei. Für die Durchsetzung sei eine Anspruchslage erforderlich.

Der Gesetzgeber habe hier nichts Ausdrückliches vorgegeben, so dass auf allgemeine Grundsätze zurückgegriffen werden müsse. Es werde auf den Paragraphen § 242 BGB „Treu und Glauben“ abgestellt.

Drei Voraussetzungen müssten für die Auskunft gegeben sein:

  1. Die Person muss auf die Auskunft angewiesen sein.
  2. Der Auskunftspflichtige müsse zur Auskunft in der Lage sein. Die Auskunftserteilung müsse ihm zumutbar sein.
  3. Es müsse neben dem Behandlungsvertrag zwischen den Vertragspartnern (Eltern und Klinik) eine Sonderverbindung zwischen Kind und Klinik geben.

In diesem Revisionsfall habe es einen Vertrag mit notarieller Erklärung zwischen Eltern und Behandler gegeben, auf die Bekanntgabe der Identität des Spenders zu verzichten. Doch das Landgericht habe nicht geprüft, und es sei möglicherweise noch zu prüfen, ob hier bei vertraglicher Schutzwirkung Dritter eine Sonderverbindung zwischen Kind und Klinik bestehe.

Zur Rechtsposition des Kindes:

Die Rechtsposition des Kindes habe erhebliches Gewicht. Es handelt sich um ein höchstpersönliches Recht. Das bedeutet: nur die Person selbst hat das Recht auf Auskunft. Hier gehe es um die Informationsbeschaffung für Kinder. Kinder müssen durch ihre Eltern vertreten werden.

Es sei zu klären, ob es richtig sei, dass dieses Recht erst ab 16 Jahren bestehe. Vorschriften aus dem Personenstandsgesetz, der Adoption und der Schwangerschaftskonfliktberatung ließen sich hier nur schwerlich übertragen. Allgemein gebe es keine feste Grenze. Wann das Kind nach Samenspende das Recht habe – ab Geburt oder erst mit einer entsprechenden Verstandesreife – das habe der Senat heute zu entscheiden.

Zur Rechtsposition des Arztes:

Die Auskunftserteilung müsse zumutbar sein. Dem verfassungsrechtlich geschützten Persönlichkeitsrecht stünden die für Ärzte üblichen Rechte entgegen, z.B. zur Berufsausübungsfreiheit oder die ärztliche Schweigepflicht. Diese seien jedoch kein starkes Argument. Die Richtlinien der Bundesärztekammer hätten seit 1985 die Anonymität ausgeschlossen. So mache sich auch der Arzt nicht strafbar, wenn er die Schweigepflicht an dieser Stelle aufhebe.

Zur Rechtsposition des Samenspenders:

Da seien finanzielle Aspekte, Unterhaltsfragen, und auch der Umstand, dass die Vaterschaft des Samenspenders festgestellt werden könne. Dies sei hier nicht entscheidend. Selbst dann, wenn dem Samenspender Anonymität zugesichert worden sei, gelte diese seit 1985 nicht mehr.

Zur Rechtsposition der Eltern:

Auch dies sei hier nicht maßgeblich, denn hier werden die Kinder von den Eltern vertreten.

Es sprechen die Rechtsanwälte:

Im Anschluss gaben die beiden Rechtsanwälte der beteiligten Parteien die jeweiligen Standpunkte wieder (Dies sind eigens für den Bundesgerichtshof zugelassene Rechtsanwälte. Dabei schienen die Rechtsanwälte von Kläger und Beklagten aus den Vorinstanzen nicht anwesend zu sein.)

Der BGH-Anwalt der Kläger:

Der Rechtsanwalt der Kläger sprach insgesamt kurz und leider recht leise. Man sitzt den Anwälten im Rücken, so dass ich ihn bei der entstehenden Unruhe unter den Journalisten neben mir kaum oder nur bruchstückhaft verstand. Er sprach darüber, dass das Recht der Kinder vorgehe, der Spender gewusst habe, was er tat … die Vaterschaftsvermutung …

Der BGH-Anwalt des Zentrums:

Der Rechtsanwalt der Beklagten äußerte den Wunsch nach Korrektur.

Er wolle zu bedenken geben: Seine Mandantschaft sei nur der Rechtsnachfolger des ursprünglichen Behandlers, und sie habe sich nie grundsätzlich geweigert, den Namen des Spenders herauszugeben. Die Behandlung habe damals zu Zeiten stattgefunden, in der es keine Vorschriften gegeben habe für die Dokumentation etc. Man habe allerdings die Unterlagen sogar bis heute aufbewahrt und so mehr getan, als der Gesetzgeber eigentlich verlangt habe. Es sei unstreitig, dass es das Auskunftsrecht der Kinder – nicht das Recht der Eltern! – gebe. Es sei richtig zu stellen, ob die Kinder mit in die Klage eingebunden gewesen seien. In der Vorinstanz hätten die Eltern gesagt, es sei ihre ‚pädagogische Verantwortung’, es irgendwann ihren Kindern mitzuteilen. Sie wüssten jedoch noch nicht, wann sie dies tun würden. – Aber das müsse doch von den Kindern gewünscht werden! Denkbar sei beispielsweise, dass die Kinder nur den sozialen Vater kennen wollten, vielleicht hätten sie all die Kinder auf der Suche nach ihrem biologischen Vater im Fernsehen gesehen und gedacht: Ich will das nicht. Werde hier tatsächlich das Recht des Kindes vertreten? Das sei noch streitig. Darüber sei kein Beweis erhoben worden. Die Kinder seien vor Gericht nie aufgetaucht.

Zudem sei die Möglichkeit zu bedenken, dass Spender und biologischer Vater nicht identisch seien. Es sei nicht auszuschließen, dass biologischer Vater auch jemand anderes sein könne.

Wenn sicher sei, dass es der Wunsch der Kinder sei, wenn sicher wäre, dass sie meinten „da habe ich ein großes Defizit“, ja, dann hätten Kinder das Recht. Das Recht der Kenntnis der Vaterschaft könne nur durchgesetzt werden, wenn unstreitig wäre, dass dies der Vater wäre… Man kenne die Fälle der Kuckuckskinder, die Mütter mit Mehrverkehr…

Was, wenn man den Namen weiß, wie geht es dann weiter?

Der Samenspender wisse nicht, ob er der Vater sei. In diesem konkreten Fall hätten die Samenspender aus altruistischen Motiven, nicht gegen Geld gespendet. Der Samenspender könne sagen „Ich mache nicht mit, ich mache keinen Vaterschaftstest.“ Man könne nicht sicher sein, dass er bei einem Vaterschaftstest mitwirken würde.

Man könne sich auch den Fall vorstellen, die Eltern des Kindes seien tot, das Kind sei inzwischen reich geworden und der Samenspender ein armer Schlucker oder aber andersherum …

Seine Mandantschaft habe die Daten, sei auch bereit, sie herauszugeben. Seine Mandantschaft spiele da keine Rolle, doch man wolle dem Wunsch des Kindes entsprechen.

Damals werden die Spender die möglichen Folgen nicht bedacht haben.

Auch sei zu bedenken, was zu tun sei, wenn bei der Befruchtung Sperma von verschiedenen Spendern genutzt würde.

Es gibt vergleichbare Situationen, wo eigene Papiere manchmal erst mit 16 herausgegeben werden. Zur Klärung dieses Falles könne man z.B. den §1303 BGB (Ehemündigkeit) heranziehen. Eine Ehe kann nicht vor Volljährigkeit abgeschlossen werden, nur auf Antrag.

Es gibt Dinge, für die man älter sein muss.

Nicht jedes Kind will die Kenntnis der Abstammung. Es gebe auch einen Anspruch auf Nichtkenntnis. Eltern und ihre überschießende Tendenz. Nicht alles, was Kinder wollen, sei vernünftig.

Die Entscheidung sich Spenderdaten aushändigen zu lassen oder nicht, sei eine wichtige Entscheidung, das ginge aber nicht, wenn das Kind gerade mal babbeln könne.

Der Vorsitzende und einzelne Beisitzer antworteten mit folgenden Hinweisen:

  • In dieser Verhandlung solle nicht über das geurteilt werden, was in diesem Fall strittig sei, sondern über Grundsätzliches. Es gehe nicht um den Sachverhalt.
  • Kinder fangen schon im Kindergartenalter an, über sich nachzudenken und zu fragen, „Wo komme ich her?“
  • Kritik gegenüber der beliebten Argumentation „Ich würde die Auskunft ja geben, wenn bestimmte Voraussetzungen gegeben wären…“, um es dann nicht zu tun.
  • Auch bei höchstpersönlichen Rechten sei es Elternrecht, in Vertretung da zu sein. Die Kinder könnten ja nicht prozessieren, sie müssten durch die Eltern, ihre Erziehungsberechtigten vertreten werden.
  • Zu den Anfechtungsrechten und finanziellen Forderungen: Die Vaterschaft anfechten könne nur das Kind, nicht der soziale und nicht der biologische Vater.
  • Die Verwendung von Mischsperma sei lange schon gesetzlich untersagt.
  • Der Anwalt habe den Akzent darauf gelegt, ob die Kinder ordnungsgemäß vertreten seien, und dass es ein Recht auf Nicht-Kenntnis gebe. Die Frage sei, wer das entscheidet. Es sei ehrenwert für den beklagten Mandanten, wenn er sich viel Gedanken darüber mache, was für das Kind gut ist. Ob er sich denn auch genauso viel Gedanken um die Kinder gemacht habe, bevor es um die Zeugung der Kinder gegangen sei. Die Frage sei: entscheide die Klinik, was für das Kindeswohl richtig sei, die Richter, die Eltern mit ihrer Elternkompetenz? Nach Artikel 6 sei dies Elternrecht. Dieses Recht richte sich gegen den Eingriff des Staates.

Entgegnung des Anwalts des beklagten Zentrums:

Eine Auskunft sei hier zu verweigern. Denn die Wahrung der pädagogischen Verantwortung gehe nicht soweit, dass Kinder nicht mal einbezogen wurden. Man habe gesagt, man habe in den Sommerferien mit den Kindern gesprochen. Es wäre aber ein Leichtes gewesen, die Kinder mitzubringen und dass das Gericht feststelle, was die Kinder denn wollten. Die Klinik solle den Eltern die Auskunft über die Identität des Spenders nicht im Vorfeld geben. Man müsse erst sicher sein, dass die Kinder es wollen. Es ginge nicht, Kinder mit 3,4 Jahren in diese Spaltung zu bringen: Hier die Familie, da das Recht der Kenntnis.

Es gäbe wahnsinnige Auskunftsgeschichten, die können Sie nicht durchsetzen, wenn der Spender das nicht will. Was machen wir für Fässer auf?!

Sein Mandant habe sich vorbildlich verhalten. Er habe Dokumente aufbewahrt zu Zeiten, zu denen es keine gesetzliche Verpflichtung gab. Man habe Zweifel gegenüber den konkreten Klägern, sonst hätte man ihnen die Auskunft längst gegeben. Wir hätten auf die Spender nicht Rücksicht genommen. Es sollte den Kindern nur nicht zur Kenntnis kommen, was sie nicht wollen.

Zum Ende der Verhandlung machte der Anwalt für die Gegenseite der klagenden Eltern ausdrücklich deutlich, dass seine Mandanten nachgedacht hätten, ob sie bei dem Prozess erscheinen. Man habe dann aber erfahren, dass die Presse anwesend sei. Er sprach den Geheimhaltungsdruck an. Die Kinder wüssten wohl um den Prozess. Man werde sich aber allenfalls nach der Urteilsverkündung äußern.

Urteilsverkündung:

In der Urteilsverkündung wiederholte das Gericht zuvor genannte Aspekte:

  • Die Revision ist erfolgreich. Die Berufungsentscheidung wird aufgehoben. Und das Verfahren an das Landgericht Hannover zurückverwiesen.
  • Es gibt ein Recht auf Kenntnis der Abstammung mit zivilrechtlicher Klärung der Durchsetzbarkeit, §242 Treu und Glauben
  • Es wird eine Sonderverbindung zwischen Klinik und Kindern gesehen, Es handelt sich um einen Behandlungsvertrag mit Schutzwirkung für Dritte. Das Kind ist in den Schutzbereich des Vertrages einbezogen.
  • Angewiesenheit der Klägerinnen: Sie seien Minderjährige, die durch ihre Eltern vertreten werden müssen. Ein Mindestalter sei nicht erforderlich. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht gilt unabhängig vom Alter. Entscheidend ist, dass die Auskunft zum Zwecke der Information des Kindes erfolgt. Dies setzt nicht voraus, dass das Kind schon aufgeklärt sei. Es genügt, dass dieser Zweck bestehe.
  • Es hat eine Interessenabwägung zu erfolgen. Zur Zumutbarkeit für die Klinik: Das Informationsinteresse der Kinder stehe gegen die Geheimhaltung und überwiege regelmäßig. Eigeninteressen der Klinik (finanzieller Art, Berufsfreiheit, Schweigepflicht) und auch die Interessen von Samenspender (er hat den Schutz seiner Rechte z.B. auf informationelle Selbstbestimmung selbst abgegeben) und die Elterninteressen (wenn sie mit der Auskunftserteilung nicht einverstanden sind) seien in der Regel nicht so stark zu gewichten wie die Interessen der Kinder. Aufgabe des Landgerichts sei es, die Interessenabwägung nachzuholen.

DI-Netz beim BGH: Teil 2

Zusammenstellung von Medienberichten zum BGH-Urteil

Portrait Claudia Bruegge, BGH Urteilsverkuendung i.S. Samenspende

Claudia Brügge – DI-Netz e.V. Vorstand 
Foto: Eva Z. Genthe, Karlsruhe

In den letzten Tagen gab es einige Presseresonanz auf das Urteil des Bundesgerichtshofes zum Auskunftsanspruch unserer Kinder hinsichtlich der Identität des Samenspenders.

Auch DI-Netz hat sich gegenüber Medienvertretern mehrfach dazu geäußert.

Hier eine Auswahl von Medienberichten:

SPIEGEL-Interview von Dietmar Hipp mit Claudia Brügge

Stellungnahmen zum BGH-Urteil:

Verein Spenderkinder:

http://www.spenderkinder.de/bgh-bestaetigt-recht-von-spenderkindern-auf-kenntnis-ihrer-abstammung/

Deutsche Gesellschaft für Kinderwunschberatung BKID:

http://www.bkid.de/aktuelles/einzelansicht/article/pressemitteilung-zum-bgh-urteil-auskunftsrecht-samenspende.html

Petra Thorn:
http://www.bionews.org.uk/page_494913.asp

Doris Wallraff, taz
http://www.taz.de/1/archiv/digitaz/artikel/?ressort=in&dig=2015%2F02%2F20%2Fa0053

Arbeitskreis Donogene Insemination:
http://www.donogene-insemination.de/downloads/Presseerklaerung_AKDI_BGH_2015.pdf

Ärztezeitung

http://www.aerztezeitung.de/extras/druckansicht/?sid=878202&pid=887498

Klinik Bad Münder – Elmar Breitbach:

http://www.wunschkinder.net/aktuell/gesellschaft/politik/samenspende-auskunftrecht-bereits-vor-dem-18-lebensjahr-5695/

Samenbank Erlangen – Andreas Hammel

http://www.erlanger-samenbank.de/aktuelles/bgh-urteil-samenspende

http://www.ardmediathek.de/radio/SWR2-Impuls/Unterhaltsforderungen-gegen-Samenspender/SWR2/Audio-Podcast?documentId=26308976&bcastId=3138http://

Samenbank Bleichrodt:

http://www.cryobank-muenchen.de/Publikationen-Ansicht/bgh-urteil-zum-auskunftsrecht

Giovanni Maio:

http://www.katholisch.de/de/katholisch/themen/gesellschaft/150128_bundesgerichtshof_diskussion_samenspende.php

Andreas Bernard:

http://www.mdr.de/mdr-figaro/lebensart/anonyme-vaeter100.html

Stephanie Gerlach:

http://www.rainbowfamilynews.de/2015/01/bgh-kinder-haben-das-recht-auf-vaterschaftsauskunft/

DI-Netz beim BGH: Teil 1

Höchstrichterliches Urteil zum Auskunftsrecht nach Samenspende: ein voller Erfolg für DI-Familien

Die Klage der Eltern, die für ihre Kinder die Spenderdaten gegenüber ihrem Kinderwunschzentrum einforderten, ging bis vor den Bundesgerichtshof, dem höchsten deutschen Zivilgericht. Und sie hatte Erfolg! Erfolg zunächst für die konkreten Kinder mit ihren Eltern, die im Namen ihrer minderjährigen Kinder die Klage führen. Für diese Familie heißt es, dass das Landgericht nun den Fall erneut aufnehmen muss. Zugleich ist das BGH-Urteil ein Meilenstein für ALLE deutschen DI-Familien. Zahlreiche Eltern aus dem deutschen DI-Netzwerk teilten uns sofort ihre große Freude über das Urteil mit. Es erreichten uns aus dem Ausland viele Glückwünsche aus mehreren internationalen DI-Organisationen.

Das BGH-Urteil ist eine hervorragende Grundlage für alle weiteren Familien in Deutschland, die mit eigenen Zivilprozessen nachfolgen werden. Vielversprechend für diejenigen Eltern unter uns, die für ihr minderjähriges Kind die Identität des Spenders einklagen möchten, weil das eigene Kind diese Kenntnis der Abstammung braucht. Für Samenbankbetreiber könnte das Urteil eine gute Richtschnur für den Umgang mit zukünftigen Auskunftsanfragen sein.

Das allgemeine Auskunftsrecht von Personen, die mithilfe einer Samenspende gezeugt wurden, ist mit diesem Urteil deutlich gestärkt. Außerdem geht der BGH davon aus, dass es für dieses Recht keine Altersbegrenzung nach unten geben darf.

So kommen auch die Eltern mit ihrer Elternverantwortung deutlicher ins Spiel. Uns Eltern spricht der BGH das Recht zu, in der Ausübung unserer elterlichen Sorge, im besten Interesse unserer Kinder, die Auskunft einfordern zu können. Ein Auskunftsanspruch besteht nicht erst, wenn das Kind selbst so reif ist, seine Bedürfnisse hinsichtlich seines Kenntnisrechts eigenständig zu vertreten, sondern es reicht bereits und ist nötig, dass Eltern glaubhaft machen, im Sinne des Wohls ihres Kindes zu handeln. Der Auskunftsanspruch gälte damit auch dann, wenn die Eltern erst noch beabsichtigen, mit ihrem Kind darüber zu sprechen – so der Vorsitzende Richter bei der Urteilsverkündung. (Dies ließe quasi eine Art  „Vorratsdatenspeicherung“ der Eltern zu. – Anmerk. C.B.)

Als stellvertretende Vorsitzende von DI-Netz bin ich zur Prozessbeobachtung nach Karlsruhe gereist. Ich bin Psychologin, keine Juristin. Daher habe ich manche Aspekte der Verhandlung vielleicht noch aus einem speziellen Blickwinkel gesehen. Und berichte in den kommenden Tagen mehr…

Claudia Brügge

Es folgen auf dieser  Webseite:

Bestätigendes Urteil des Bundesgerichtshof: Eltern dürfen für ihre minderjährigen Kinder Auskunft fordern

Karlsruhe_Erbgroßherzogliches_Palais

Foto: Thomas Steg

Gestern verhandelte der Bundesgerichtshof in Karlsruhe, ab welchem Alter und unter welchen Bedingungen Eltern als Vertreter ihrer Kinder Auskunft über die Identität des Spenders verlangen können.
Die klagenden Eltern waren erfolgreich: das Gericht bestätigte, dass ihnen dies zum Zweck der Information für das Kind möglich ist, und zwar ohne Altersbegrenzung nach unten

Pressemitteilung des Bundesgerichtshofes

Die Entscheidung des konkreten Falles wurde an das Landgericht zurückgegeben. Wir gratulieren und danken den prozessierenden Eltern, die das Verfahren für ihre Kinder bis vor den Bundesgerichtshof gebracht haben. Wir feiern mit ihnen …

Die Vorsitzende von DI-Netz e.V. Claudia Brügge war als Prozeßbeobachterin vor Ort …

Neue Publikationen im FamART-Verlag

Petra Thorn betreibt den Verlag FamART, wo gerade der neue Verlagskatalog für 2015 herausgekommen ist. DI-Netz ist in dem Verlagskatalog – auf den Seiten 8 bis 13 – mit interessanten Publikationen prominent vertreten.

a) Die Reihe „Offen gesprochen (im Englischen: „Telling andTalking“).  Die Autorin von „Offen gesprochen – über die Familienbildung mit Spendersamen reden.“  ist unser Ehrenmitglied Olivia Montuschi vom Donor Conception Network in London. Die 7 Bände von „Telling and Talking“ werden von Mitgliedern des deutschen DI-Netzes übersetzt .

Erschienen ist bereits Band 1 „Offen gesprochen“ (für 0-7 Jahre).

Im Jahr 2015 werden nun zwei weitere Bände folgen: Band 2 „Offen gesprochen“ (8-11 Jahre) und Band 6 „Offen gesprochen“ (Sprechen mit Freunden und Verwandten)

b) Außerdem ist bei FamART in Kooperation mit dem DI-Netz das Kinderbuch „Das Geheimnis des ehrenwerten Hauses – eine etwas andere Detektivgeschichte.“ von Stefan Remigius erschienen.

c) Ebenso die Dokumentation der Erlanger Tagung „Spendersamenbehandlung in Deutschland – Alles was Recht ist?!“. Darin der Beitrag von Ulrich Simon und Claudia Brügge aus dem DI-Netz mit dem Titel: „Mit Spendersamen zum eigenen Kind – aus Elternperspektive.“ (S. 37 – 48)

PDF: FamART Katalog 2015
PDF: Bestellschein Erlanger Dokumentation

Leserbrief zum ZEIT-Artikel: „Bist Du mein Vater?“

In der Ausgabe Nr 46 der ZEIT vom 6.11.14 gibt es einen Artikel mit dem Titel „Bist Du mein Vater?“. Es geht darin um die Begegnung zwischen einem jungen Mann, der mit Spendersamen gezeugt worden ist, und dem Samenpender, und zwar nachdem sie sich über eine DNA-Datenbank gefunden haben.
DI-Netz hat dazu ein paar Emails von seinen Mitgliedern bekommen und die Resonanz in einem Leserbrief an die ZEIT zusammengefasst.

Leserbrief von DI-Netz zum ZEIT-Artikel