Dossier: Überlegungen zum Spenderregister (Gesetzgebung, Teil 6)

[Anmerkung: Nachfolgender Überblicksartikel ist auch hier als pdf herunterzuladen.]

Anfang September ging eine kurze Meldung durch die Presse, dass das Bundesgesundheitsministerium inzwischen an einem Referentenentwurf zum Spenderregister arbeitet.

Dies ist eine erfreuliche Nachricht! Ein solches Spenderregister ist längst überfällig. Der Koalitionsvertrag der Bundesregierung hatte immerhin 2013 angekündigt, das Recht auf Kenntnis der Abstammung bei Samenspende zu regeln. Es gibt unterschiedliche Einschätzungen darüber, ob eine Umsetzung noch in dieser Legislaturperiode realistisch ist.

Bereits in einer gemeinsamen Stellungnahme zu einem aktuellen Gesetzesantrag der Grünen hat DI-Netz zusammen mit der Deutschen Gesellschaft für Kinderwunschberatung BKiD und dem reproduktionsmedizinischen Arbeitskreis Donogene Insemination AKDI einige Eckpunkte benannt, die bei einem Spenderregister berücksichtigt werden sollten.

Im folgenden ausführlicheren Dossier werden die Überlegungen zur Umsetzung eines Spenderregisters noch weitergeführt [1]: Welche institutionelle Anbindung braucht ein Spenderregister? Welche Informationen sind relevant, wenn das Kind sein „Recht auf Kenntnis“ umsetzen möchte? Welche weiteren Regelungsaspekte gilt es im Blick zu behalten? Begrenzung der Anzahl der Kinder pro Spender, retrospektive Auskunftsmöglichkeiten, Auskunft für Minderjährige, Anwendung auf andere Methoden assistierter Reproduktion, Forschungsbedarf – all dies sind Punkte, zu denen sich der Gesetzgeber verhalten muss. Deutschland könnte hier von verschiedenen Modellen im Ausland lernen.

I. Funktion des zentralen Spenderregisters: Dokumentations- und Anlaufstelle, die außerdem Öffentlichkeits- und Forschungsarbeit leistet

Die Dokumentation und das Auskunftsverfahren nach Spendersamenbehandlungen sollten nicht der ärztlichen Selbstverwaltung überlassen bleiben, sondern zentral von einer staatlichen Stelle arzt- und elternunabhängig verwaltet werden.

Spenderregister sind nicht dafür gedacht, lediglich Reproduktionsmedizinern eine kostengünstige Auslagerung der Datenverwaltung anzubieten. Oberste Priorität muss vielmehr sein, dass so gezeugte Kinder eine zuverlässige, sachgerechte und niedrigschwellige[2] Auskunftsmöglichkeit hinsichtlich ihrer Abstammung erhalten – falls sie diese Auskunft wünschen.

Das Register sollte unbedingt über ein „elektronisches Melde- und Auskunftssystem“ hinausgehen[3]. Eine sachgerechte Lösung würde heißen, dass mit einem Register nicht einfach nur eine Datenbank im amtlichen Server gemeint ist. Man muss sich bewusst machen, um welch sensible Daten es sich handelt. Bei einer Auskunftserteilung zur Identität des Spenders geht es nicht um technokratische Datenübermittlung. Vielmehr werden hier Menschen aufeinander bezogen. Spender und Kind finden ineinander biologische Nahverwandte. Biologisches Verwandtschaftswissen ist nicht umkehrbar (das heißt es kann nie mehr ungewusst sein) und wird in der Regel als persönlich hochbedeutsam und einschneidend erlebt (Strathern, 1999). Damit sind  Auskunft und Kontakt für die Kinder, den Samenspender und seine Familie, die Eltern, die weitere Verwandtschaft, mitunter für den behandelnden Arzt und die Samenbank eine sehr wichtige Angelegenheit. Es handelt sich um eine komplexe Materie, und es sind viele Personen involviert. In jedem Auskunftsfall muss damit gerechnet werden, dass ganz unterschiedliche Interpretationen der Samenspende, sowie Erwartungen und Befürchtungen der einzelnen Beteiligten aufeinander treffen. Weil dies so ist, entsteht erhöhter psychosozialer Vermittlungsbedarf. Der Ablauf einer Anfrage und gegebenenfalls einer Kontaktanbahnung sollte also nicht etwa so gestaltet werden wie sonst vielleicht eine schlichte Telefonauskunft oder eine Kontoabfrage per Internet. Die Politik trägt hier Verantwortung, alle nötigen rechtlichen Rahmenbedingungen zu schaffen, damit das Spenderregister eine möglichst konfliktfreie und befriedigende Lösung bietet, wenn Spender identifizierbar werden [4].

Demnach sollte das Spenderregister statt einer reinen Datenschnittstelle eine Anlauf- und Informationsstelle für alle beteiligten Akteure sein: nicht nur für die so gezeugten Personen, sondern auch für Wunscheltern, die eine Spendersamenbehandlung in Erwägung ziehen, für Männer, die eine Samenspende in Erwägung ziehen, für Reproduktionsmediziner mit Rückfragen zum Verfahren, sowie für Eltern und ehemalige Spender.

Die in der Dokumentations- und Auskunftsstelle des Registers tätigen Fachkräfte sollten für Personen, die mit Hilfe der Samenspende gezeugt sind, deren Familienangehörige sowie für Samenspender und deren Familienangehörige auf Wunsch zur Verfügung stehen und Kontakte vorbereiten und begleiten. Die personelle Besetzung sollte multidisziplinär sein. Um dem Informationsbedürfnis aller Beteiligten gerecht werden zu können, ist medizinische, psychosoziale und juristische Expertise erforderlich.

I.1. Wahl einer zuständigen Behörde

In anderen Ländern ist es schon umgesetzt. In Großbritannien wurde hierfür eine spezialisierte Behörde, die Human Fertilisation and Embryology Authority (HFEA), eingerichtet. Ähnlich wurde in Victoria/Australien verfahren, dort ist die Victoria Assisted Reproduction Authority (VARTA) zuständig. Beide gelten international als vorbildlich [5].

In Deutschland könnte die institutionelle Anbindung des Spenderregisters beim Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben BAFzA erfolgen – eine Behörde, die dem Geschäftsbereich des Familienministeriums unterstellt ist. Hier werden bereits die Daten der „vertraulichen Geburten“ dokumentiert [6]. Der Deutsche Ethikrat empfiehlt in seiner Stellungnahme zur Embryonenspende [7] ebenfalls eine Angliederung des Spenderregisters an das BAFzA. Genauso denkbar wären allerdings das Paul-Ehrlich-Institut oder das Robert-Koch-Institut, die dem Gesundheitsministerium unterstellt sind.

I.2. Dokumentation der Daten

Nur eine umfassende und zentrale Dokumentation stellt sicher, dass die Anzahl der Nachkommen pro Samenspender kontrolliert werden kann. Unter Wahrung von Datenschutzvorgaben gilt es daher ein technisches Verfahren zu entwickeln, das den nötigen Datentransfer und -abgleich zwischen behandelnden Ärzten, Samenbanken und zentraler Registerstelle ermöglicht, damit eine rechtzeitige Begrenzung erfolgen kann, sobald die gesetzlich noch festzulegende, zulässige Höchstzahl an Schwangerschaften bzw. Geburten pro Spender erreicht ist [8].

Im Spenderregister sollten die Klardaten registriert werden, konkret: Vor- und Nachname, Geburtsdatum und -ort, letztbekannte Wohnadresse des Spenders, die entsprechenden Daten der behandelten Frau sowie das Datum der Behandlung und der Geburt. In einem Spenderregister werden also keinesfalls nur Spenderdaten deponiert, denn selbstverständlich werden auch personenbezogene Daten des Kindes und vor allem die Daten der Mutter benötigt, damit eine Zuordbarkeit gewährleistet ist. Die Mindestaufbewahrungsfrist sollte gesetzlich festgelegt werden, und zwar ausgerichtet an dem persönlichkeitsrechtlichen Anliegen, das Recht des Kindes auf Kenntnis der Abstammung abzusichern [9].

Erschwert wird die Datenerfassung immer dann, wenn die Schwangerschaft, vor allem aber die Geburt des Kindes von der Frau nicht an ihren Arzt zurückgemeldet wird. Es sollte daher eine vertragliche Mitteilungspflicht der Patientin über die Geburt geben, damit Ärzten eine entsprechende Meldung beim Register möglich ist.  Bei einigen Registern im Ausland wird jede Behandlung mit Samenspende zentral registriert und das vermutete Geburtsdatum eines Kindes berechnet, unabhängig davon ob die Geburt eines Kindes durch die Eltern bestätigt wurde oder nicht (vgl. Großbritannien, Niederlande, Schweiz). Für ein Spenderregister sind Meldungen aller Behandlungen relevant, bei denen ein Arzt nicht sicher ist, ob es zu einer Geburt kam. Die Samenbanken und Ärzte, die eine Spendersamenbehandlung vornehmen, sollten in jedem Fall zur Weitergabe entsprechender Angaben an die Registerstelle gesetzlich verpflichtet sein.

Zudem sollten alle Praxen verpflichtet werden, die zur Zeit noch vorhandenen Datenbestände aller schon existierenden Kinder dieser Stelle zu übergeben, damit die Informationen dort für mögliche Auskunftsanfragen verwendet werden können. Von Seiten der Politik gilt es noch effektive Maßnahmen zu ergreifen, Ärzte zur konstruktiven Mitarbeit in dieser Sache zu motivieren und sie davon abzuhalten, in diesen Tagen noch vorhandene Datenbestände unter dem Vorwand einer vermeintlich 10-jährigen Dokumentationspflicht früherer Zeiten vorsorglich zu beseitigen, so dass eine Datenherausgabe unter dem Unmöglichkeitseinwand faktisch nicht mehr stattfinden könnte. Hier braucht es noch dringend Überzeugungsarbeit unter den Medizinern, aber auch staatliche Schutzmaßnahmen für diese. Schließlich wird man auch über eine angemessene Sanktionsbewehrung bei Verletzung von Dokumentations- und Übermittlungspflichten nachdenken müssen.

I.3. Öffentlichkeitsarbeit

Aufgabe der Auskunftsstelle sollte es auch sein, sich der Öffentlichkeitsarbeit für die Familienbildung mit Samenspende anzunehmen, so dass das Tabu und Stigma weiter abgebaut werden. Besonders vorbildlich in dieser Hinsicht erscheint die Praxis von VARTA, der bereits genannten Regulierungsbehörde des Bundesstaates Victoria in Australien. VARTA stellt sehr umfangreiches Informationsmaterial und Publikationen zur Verfügung, Beratungsservice und Workshops, eine gut und ansprechend präsentierte Webseite und ist sehr offen für Anfragen und Rückmeldungen aus der Bevölkerung.

I.4. Forschungsbedarf

Darüber hinaus sollte die zentrale Stelle wissenschaftliche Studien zur Familienbildung mit Samenspende in Deutschland initiieren. Immerhin hat 2015 die Antwort der Bundesregierung auf eine „Kleine Anfrage“ der Grünen im Bundestag eine Vielzahl offener Fragen zu Tage befördert. In Deutschland fehlt eine allgemeine statistische Erhebung (Anzahl der Spendersamenbehandlungen und Geburten pro Jahr, Anzahl der so gezeugten Menschen in Deutschland insgesamt, Anzahl der Behandler und Samenbanken usw.). Sinnvoll wären international rechtsvergleichende Studien zu Themen wie Auskunftsrecht, Spenderregister und Samenbankpraktiken sowie Zugang zur Spendersamenbehandlung. Außerdem fehlen sowohl repräsentative als auch qualitative, tiefenhermeneutische Forschungsstudien zur aktuellen Aufklärungsrate, zur psychosozialen Beratung und zum Peersupport bei Spendersamenbehandlung. Die private Samenspende, die nicht medizinisch assistiert ist (sog. „Bechermethode“) – im Bekanntenkreis oder per Internet – weitet sich zwar immer mehr aus, ist allerdings noch ziemlich unerforscht (Freeman et al, 2016). Die allgemeine Forschungslage zur psychischen Situation von Kindern und Eltern und zu ihrer Familiendynamik ist erheblich dürftiger als man vermuten könnte. So mögen beispielsweise die viel zitierten Forschungen von Golombok (2015) oder Rupp (2009) eine positive Botschaft für uns haben, eine belastbare empirische Datenlage bieten sie nicht. Auch durch Zusammenfassung in Meta-Analysen werden zu kleine, methodisch schwache, nicht-repräsentative Studien nicht repräsentativer. Dieser Mangel an belastbarer wissenschaftlicher Empirie erzeugt in der politischen Debatte um die Regulierung der Samenspende leider eine hohe Ideologie- und Projektionsanfälligkeit. Bei der zukünftigen Forschung sollte es sich um eine regelmäßige, breit und longitudinal angelegte Begleitforschung handeln

II. Klärungsbedarf im Detail

Mit der Implementierung eines Spenderregisters wird eine Vielzahl weiterer Grundsatzfragen aufgeworfen, zu denen die Politik sich nun verhalten muss. Es sind vor allem Entscheidungen hinsichtlich des sonst oft eher formelhaft und abstrakt formulierten Kenntnisrechtes zu treffen: Wer soll wann über wen durch wen welche Informationen unter welchen Umständen erfahren können?

II.1. Zum WAS: Umfang des Kenntnisrechtes

Unter dem „Recht auf Kenntnis der Abstammung“ kann außer dem Recht, die Identität des Spenders zu erfahren, allerlei verstanden werden. – Aus diesem Grund hat der belgische Bioethiker Guido Pennings den Kenntnisanspruch des Kindes einmal etwas spitz als „Trojanisches Pferd“ bezeichnet.

Der Umfang des Kenntnisrechtes kann zunächst eng gefasst sein, mit dem Fokus auf die Identifizierbarkeit der Spender in Abgrenzung zur Anonymität. Die Herstellung von Identifizierbarkeit ist gewöhnlich das Kernziel von Spenderregistern. Das Kenntnisrecht bezieht sich dann vor allem auf identifizierende Informationen, das heißt in praxi nicht viel mehr als der Name und die Adresse des Spenders (A). Der bloße Name ist für das Kind einerseits schon viel, weil nur auf diese Weise aus einem unbekannten „Irgendwer und Jedermann“ eine bestimmte Person wird, andererseits zu wenig, denn das Interesse von Kindern am Spender wird sich nur selten ausschließlich auf die Bekanntgabe seines Namens beziehen. Wenn ein Kind etwas über den Spender erfahren will, dann über seine Person. Daneben kommt also den nicht-identifizierenden Informationen (B) eine hochbedeutsame Rolle zu: Äußere Merkmale, Bildungsstand und Beruf, Alter, Krankheiten, persönliche Eigenschaften, Spendenmotivation bis hin zu einem sogenannten Good-Will-Letter des Spenders zum Zeitpunkt der Spende (= Brief an das zukünftige Kind)[10]. Manchmal erfährt man nur, dass ein „Matching“ zum Wunschvater stattgefunden hat (- der Samenspender soll also einigermaßen ähnlich zu ihm aussehen). Nicht-identifizierende Informationen können auch eine kleine Auswahl weniger Rumpfinformationen zum „Phänotyp“ des Spenders sein (Größe, Haar- und Augenfarbe…).  Es kann aber auch ausgefeilte Spenderprofile geben mit einer Fülle von Informationen und Selbstauskünften des Spenders. Auf Grundlage umfassender Informationen und Narrative (das heißt Geschichten, die sich erzählen lassen) kann ein Spender zu einer zwar immer noch unbekannten doch lebendigen Figur werden, was zur Identitätsarbeit des Kindes und seiner Familie beitragen kann. Demnach müsste schon die Art der Daten- und Informationserfassung zum Zeitpunkt der Spende standardmäßig auf eine mögliche, spätere Auskunft ausgerichtet sein und am besten durch eine zentrale Vorgabe bundeseinheitlich gesteuert werden. Zu bedenken ist: Je umfangreicher und früher Informationen über den Spender zur Verfügung stehen, desto mehr befördert und erleichtert dies die Aufklärung durch die Eltern. Die Absicherung des Kenntnisrechts durch den Gesetzgeber sollte zumindest diese beiden hier zuerst genannten Aspekte (A) und (B) – identifizierende und nicht-identifizierende Informationen – dringend aufgreifen [11].

Darüber hinaus zählen manche Experten ein Recht auf Aufklärung (durch die Eltern) (C) zum Kenntnisrecht, da Bescheidwissen um die Samenspende eine notwendige Voraussetzung für die Inanspruchnahme des Auskunftsrechts (A) darstellt. Wer nichts von der Samenspende ahnt, kommt auch nicht auf die Idee, nach dem Samenspender zu fragen. Strittig ist, ob es sich bei dieser Aufklärung allenfalls um ein moralisches Recht der Kinder bzw. eine moralische Pflicht und Verantwortung der Eltern handeln kann oder um ein gesetzlich garantiertes Recht (Nuffield Council, 2013). Bisher werden in keinem Land Eltern gesetzlich dazu verpflichtet, ihre Kinder über die Samenspende aufzuklären.

Manchen Kindern genügen bereits die Informationen, die sie über den Spender bekommen können, auch ohne diesen persönlich kennenzulernen. Anderen Kindern wiederum reichen abstrakte, möglicherweise geschönte und lückenhafte Informationen, die über Dritte vermittelt werden, nicht. Sie werden ihr Recht auf Kenntnis der Abstammung  verwirklichen wollen, indem sie persönlichen Kontakt zum Spender herzustellen versuchen (D). Ihr Kenntnisinteresse sehen sie erst dann befriedigt, wenn sie den Spender „kennen“-lernen und ihn wenigstens einmal persönlich treffen. Ein etwaiges gesetzliches Kontakt- oder sogar regelmäßiges Umgangsrecht ist aber – auch international – nicht üblich und wenig realistisch. Doch es sollte Aufgabe des zukünftigen Spenderregisters als Dokumentations- und Anlaufstelle sein, solche Kontakte zu vermitteln und vorzubereiten. Insbesondere die Motivation und Kontaktbereitschaft beim Spender ist im Rahmen einer umfassenden Aufklärung und Unterweisung schon im Vorfeld der Spende und bei konkreten Kontaktanfragen zu fördern.

Das Kenntnisrecht kann weiterhin interpretiert werden als reziprokes Recht des Samenspenders auf Kenntnis seines Nachwuchses (E) (Raes et al, 2013). Diesem sollte auf Anfrage zumindest Zahl und Alter der durch ihn gezeugten Kinder genannt werden. Die Möglichkeit, genetische Halbgeschwister kennen zu lernen (F), wird in weiten Teilen der Literatur nicht automatisch als gesetzlich verbrieftes Recht verstanden. Gleichwohl besteht bei den Kindern oft hohes Interesse an Kontakt zu diesen. Und etwas über die genetischen Halbgeschwister zu wissen, tangiert durchaus die Kenntnis der eigenen Abstammung. Kontakt zueinander ermöglicht Reflexion über und Identifikation mit der eigenen Abstammung und Vererbung. In der Praxis zeigt sich manchmal, dass bei einigen Kindern die Suche nach genetischen Halbgeschwistern noch stärker ausgeprägt ist als das Interesse am Spender. Insofern sollte unbedingt an die Einrichtung eines ergänzenden freiwilligen Registers für solche Zwecke gedacht werden [12].

Selbst auf die Frage, ob das Recht auf Kenntnis der genetischen Abstammung auch ein Recht auf Informationen über das genetische Erbgut des Spenders (G) einschließen soll, wird der Gesetzgeber eine Antwort geben müssen. Ein so verstandenes Kenntnisrecht kann beginnen bei einem verpflichtenden DNA-Test, ob das Kind tatsächlich genetisch vom Spender abstammt und kann reichen bis zu gendiagnostischen Analysen zwecks Diagnostik genetisch vererbbarer Krankheiten. Das Recht auf Kenntnis der genetischen Herkunft könnte sich sogar weiter zu der Vorstellung versteigen, dem Kind stünde eine Entschlüsselung des Genoms des Samenspenders zu. Das mag weither geholt klingen, wird aber von Experten diskutiert [13].

Mit der Konzeption und Implementierung des Spenderregisters wird die Reichweite des „Rechtes auf Kenntnis der Abstammung“ abgesteckt [14]. Ob explizit oder implizit, wird sich die Politik entscheiden, welches der oben skizzierten Rechte juristisch in Gesetze und Vorschriften münden, welche Aspekte dagegen allenfalls als moralische Rechte oder Wünsche aufgefasst und welche Erwartungen im deutschen Recht nicht erfüllt werden. Es ist zu klären, ob das Recht des Kindes auf Kenntnis der Abstammung im Feld der Samenspende mit der Einführung eines Registers ein absolutes werden kann oder ob relative Momente der Interessenabwägung auch in Zukunft Berücksichtigung finden sollen (z.B. durch Vetorechte anderer Beteiligter gegen die Bekanntgabe der Identität oder gegen eine Kontaktaufnahme.[16])

Recht auf Nicht-Wissen

Ferner wird bei der rechtlichen Regelung eine bestimmte Vorstellung des Rechtes auf Nicht-Wissen einfließen, auch damit aus dem Recht auf Kenntnis der Abstammung nicht unbesehen eine Kenntnispflicht wird [15]. Recht auf Nicht-Wissen meint das Recht auf Nicht-Wissen-Wollen und auf Desinteresse (hier am Samenspender oder der Samenspende oder der Informationsvermittlung durch andere). Es geht also um einen selbstbestimmten Verzicht auf Wissen und Belehrung.

Bei Kindern aus Samenspende handelt es sich keineswegs um eine homogene Gruppe mit demselben Nähewunsch zum Spender. So wie es Personen gibt, die sich sehr für den Spender interessieren oder sich als „Spenderkinder“  stark über die Samenspende oder den Spender definieren, so gibt es andere Personen, die donogen gezeugt wurden, die aber eine Identitätspolitik ablehnen, welche die Bezugnahme zum Spender oder die eigene Zeugung zum persönlichen Kern erklärt.

Ob neben einem Pflichteintrag ins Spenderregister noch ein weiterer Pflichteintrag ins Geburtenregister (des Spenders oder auch nur der Samenspende) wirklich nötig ist, ist deswegen umstritten. Es besteht die Befürchtung, dass mit einem Geburtenregistereintrag dem Recht auf Nicht-Wissen(-Wollen) des Kindes ungenügend Rechnung getragen würde. Denn es sollte dem Kind – auch auf verwaltungstechnischer und symbolischer Ebene – eine höchstmögliche Wahl offen gelassen werden, ob und in welcher Form es sich zum Spender oder zur Samenspende in Bezug setzen will (Schutz des Rechtes des Kindes auf informationelle Selbstbestimmung und Privatheit).

II.2. Zum WER: Zugang zum Spenderregister

Der Entwurf des Spenderregisters wird festlegen, wer um Auskunft anfragen kann. Grundsätzlich muss allen Bürgern das Recht eingeräumt werden, sich beim Spenderregister erkundigen zu können, ob sie vielleicht mit einer Samenspende gezeugt worden sind. Das Recht auf Kenntnis ist ein höchstpersönliches, so dass jeder nur für sich selbst um Informationen anfragen kann.

Retrospektive Öffnung des Spenderregisters

Das Inkrafttreten neuer Gesetze ist in der Regel prospektiv auf zukünftige Fälle gerichtet. Sollte das neue Spenderregister allerdings erst für zukünftig geborene Kinder gelten, würde es all denjenigen Menschen in Deutschland überhaupt nichts nützen, die bereits mithilfe einer Samenspende gezeugt worden sind. Dies sollen heute mehr als 100.000 Bürger und Bürgerinnen dieses Landes sein. Sie alle würden nicht von dem neu eingeführten Spenderregister profitieren. Sollte ein Zugang zu den Daten frühestens mit dem 16. Lebensjahr möglich sein, wären Auskünfte über die Identität des Spenders dann auch erst ab dem Jahre 2033 aus dem Register abrufbar.

Zu den sogenannten Altfällen würden dann ausgerechnet diejenigen erwachsenen Menschen zählen, durch die man erst auf die derzeitigen Missstände bei Auskunftsanfragen aufmerksam gemacht wurde. Ihre Misere bliebe ungelöst. Auch würden die Kinder, die im DI-Netz vertreten sind, und selbst die neugeborenen Säuglinge, die noch vor Inkrafttreten der Vorschriften zur Welt kommen, bereits als juristische „Altfälle“ gelten.

Der Gesetzgeber sollte sich gut überlegen, was er für all diese Menschen tun kann, damit auch sie ihr Recht auf Kenntnis der Abstammung möglichst niedrigschwellig durchsetzen können. Es müsste dringend überprüft werden, ob in dieser Frage tatsächlich ein Rückwirkungsverbot gelten kann, zumal das Bundesverfassungsgericht das allgemeine Kenntnisrecht bereits 1989 ausdrücklich bestätigt hat und die Rechtsprechung bereits für Auskünfte gesorgt hat (OLG Hamm 06.02.2013 I-14 U7/12; BGH 28.01.2015- XII ZR 201/13). Wo es schwierig bleibt, Auskunft zu erhalten, werden Gerichtsprozesse in Deutschland nicht abreißen [17]. Die Lösung sollte der Gesetzgeber nicht allein der Rechtsprechung überlassen. In Victoria (Australien) hat man das Spenderregister retrospektiv geöffnet. Andere Länder wie beispielsweise Großbritannien versuchten das Problem zu lösen, indem sie zusätzlich zum verpflichtenden Spenderregister ein freiwilliges Register („Donor Conceived Register„) eingeführt haben. Dort können sich frühere Spender freiwillig zurückmelden und ihre Kontaktbereitschaft erklären. Auch die Suche nach genetischen Halbgeschwistern kann durch ergänzende freiwillige Register unterstützt werden.

Kinder aus verschiedenen Methoden assistierter Reproduktion

Im Koalitionsvertrag wurde ausschließlich vereinbart, das Recht auf Kenntnis der Abstammung bei Samenspende zu regeln.

Es sollte nun geklärt werden, ob die kommende Registrierung außerdem für Kinder aus anderen Formen assistierter Reproduktion greifen soll. Das Recht auf Kenntnis der Abstammung und der Wunsch, den Dritten bzw. die weiteren Personen kennen zu lernen, spielt auch bei Embryonenspende eine Rolle, für die beispielsweise der Deutsche Ethikrat (2016) ebenfalls ein zentrales Spenderregister empfiehlt.

Zudem müsste entschieden werden, inwieweit eine Datenerfassung unterstützt werden soll für Kinder aus Eizellspende oder Leihmutterschaft – in Deutschland verbotene Methoden, die aber von deutschen Frauen und Männern im Ausland genutzt werden. Inwiefern sollen also auch diese Kinder, die im Ausland mithilfe einer Gametenspende gezeugt wurden, ihr Recht auf Kenntnis der Abstammung über das deutsche Spenderregister umsetzen können? Normalerweise gilt das Auskunftsrecht des Behandlungslandes, so dass eine anonyme Spende im Ausland das Kenntnisrecht des Kindes vereitelt. Hier sind juristische Regelungsvorschläge gefragt, die einer Umgehung des Anonymitätsverbots entgegenwirken und die Auskunftsmöglichkeit des Kindes bestmöglich sicherstellen.

Darüber hinaus ist zu klären, ob das Spenderregister auch bei irgendeiner Form der privaten Samenspende („Becherspende“) zum Einsatz kommen soll, zum Beispiel durch freiwillige Registrierung – eine Möglichkeit, die bei keinem der staatlichen Spenderregister im Ausland vorgesehen ist.

II.3. Zum WANN: Kein Mindestalter

Das Bundesverfassungsgericht hat das Recht des Kindes auf Kenntnis der Abstammung mit der Notwendigkeit seiner „Identitätsfindung“ begründet. Entwicklungspsychologisch beginnt die Identitätsfindung schon in der Kindheit und ist mit Erreichen der Volljährigkeit schon weit fortgeschritten. Die meisten ausländischen Regelungen sehen jedoch eine Auskunft erst ab dem Alter von etwa 16 oder 18 Jahren vor [18]. Auch die verschiedenen Stakeholder-Gruppen in Deutschland hatten bei ihren politischen Forderungen lange Zeit ungefähr diese Altersgrenze im Sinn (Hammel, Thorn, 2014). Doch spätestens seit dem höchstrichterlichen Urteil des Bundesgerichtshofes 2015, das minderjährigen Kindern einen Auskunftsanspruch ohne Mindestalter zusprach, steht die Festlegung einer solchen unteren Altersgrenze infrage. So empfiehlt der deutsche Rechtsexperte Tobias Helms [19] für das Alter bei Auskunftserteilung eine Untergrenze von 7 Jahren, im Notfall noch früher.

Falls Minderjährige Auskunft aus dem Spenderregister erhalten können, kommen Eltern deutlicher ins Spiel. Denn ihre Aufgabe ist es, im Rahmen des Elternrechtes §6 GG den Auskunftsanspruch ihres Kindes treuhänderisch zu vertreten. Mit den Informationen an das minderjährige Kind gelangt die Spenderidentität automatisch auch in die Hände von Eltern. Der BGH ging sogar so weit, den Eltern im Rahmen ihrer Elternverantwortung das Recht zuzusprechen, die Auskunft zur Spenderidentität selbst dann einzufordern, wenn sie das Kind noch nicht über die Samenspende aufgeklärt haben, quasi eine Art „Datenvorratsspeicherung“ der Eltern. Angewandt auf das Spenderregister würde dies bedeuten, dass diejenigen Eltern, die die Daten des Spenders für ihr Kind lieber im Wohnzimmerschrank aufbewahren, diese unmittelbar nach Geburt aus dem Spenderregister anfordern könnten. Eine – auch international – innovative Vision der Abschaffung von Anonymität, die manchen Skeptikern nicht gefallen wird.

Zusammenfassung

Die Forderungen an ein deutsches Spenderregister lassen sich abschließend in 10 Thesen kurz zusammenfassen:

  1. Das Spenderregister sollte zentral, von einer staatlichen Stelle verwaltet werden. Als zuständige Behörde kommen das Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben BAFzA, das Robert-Koch-Insitut oder das Paul-Ehrlich-Insitut in Frage.
  2. Das Spenderregister sollte als Dokumentations-, Informations- und Anlaufstelle für alle Beteiligten fungieren. Es sollte außerdem Öffentlichkeits- und Forschungsarbeit leisten.
  3. Im Spenderregister sollten die Personalien des Spenders und der behandelten Frau aufbewahrt werden. Das heißt: Name, Geburtsort- und datum, letztbekannte Wohnadresse.
  4. Das Spenderregister kann Daten für alle Formen der medizinisch assistierten Reproduktion aufbewahren. Dies gilt für Samen-, Eizell- und Embryonenspende.
  5. Behandelnde Ärzte und Samenbanken sollten verpflichtet werden, dem Spenderregister entsprechende Daten zu melden.
  6. Noch verfügbare ärztliche Datenbestände aus früheren Jahren sollten dem Spenderregister übergeben werden. Es sollten retrospektiv Auskunftsmöglichkeiten geschaffen werden.
  7. Personen, die donogen gezeugt wurden, sollten eine niedrigschwellige Möglichkeit erhalten, beim Spenderregister auf Wunsch identifizierende und umfangreiche nicht-identifizierende Angaben über den Spender zu erhalten, falls sie dies wünschen. Das Recht auf Nicht-Wissen sollte gewahrt bleiben.
  8. Das Spenderregister sollte behilflich sein, bei Interesse einen Kontakt zwischen Spender und Kind vorzubereiten und zu vermitteln.
  9. Das Spenderregister sollte ergänzt werden um ein freiwilliges Register für Kontaktanbahnung von genetischen Halbgeschwistern, und ggfs. Spenden aus der Zeit vor Inkrafttreten.
  10. Minderjährigen Kindern sollte die Möglichkeit eröffnet werden, Informationen über den Spender zu bekommen. Ihr Recht kann von den Eltern im Interesse des Kindes ausgeübt werden.

Dipl.Psych. Claudia Brügge, Vorsitzende DI-Netz e.V.

[1] Dass mit der Einführung eines Spenderregisters zugleich eine Freistellung des Samenspenders von juristischen Vaterpflichten und  -rechten durch den deutschen Gesetzgeber einhergehen muss, wird in diesem Text vorausgesetzt.

[2] Niedrigschwelligkeit bedeutet, dass eine Anfrage möglichst leicht beantwortet wird. Niedrigschwelligkeit ist umso weniger gewährleistet, je mehr Rahmenbedingungen existieren, die eine Auskunft eher vereiteln und Anfragende entmutigen. Dies wäre beispielsweise dann der Fall, wenn (gewichtige) Beweggründe für die Anfrage verlangt und überprüft werden. Oder wenn zu der Anfrage zunächst sämtliche Beteiligte (Ärzte, beide Eltern, Spender…) umfassend angehört werden und diese ihre Zustimmung erteilen müssen. Oder wenn Auskünfte nur auf gesundheitliche Auskünfte oder Notfälle begrenzt werden… wenn Sitzungen mit psychosozialen Beratern und Mediatoren pflichtmäßig vor- und zwischengeschaltet werden… wenn Abstammungsgutachtenverfahren vorgenommen werden müssen … wenn Anfragende die Kosten des Verfahrens selbst übernehmen müssen u.s.w. (vgl. Spenderkinder 2016b, Fn 1).

[3] So wird der Vorschlag im aktuellen Gesetzesantrag der Bundestagsfraktion der Grünen BT-Drs 18/7655 formuliert.

[4] In Deutschland werden Skeptiker diskutieren, ob es Aufgabe des Staates bzw. der Allgemeinheit sein soll, den Aufwand eines solchen Verfahrens zu tragen. Es wird so argumentiert werden, dass es nicht im Aufgabenbereich des Staates/ der Legislative liegt, solche Dienstleistungen der Interface-Arbeit zu erbringen oder sicherzustellen. Diese müssten vielmehr privatwirtschaftlich organisiert, das heißt auch von Bürgern selbst gezahlt werden.

[5] Gesetzliche Vorschriften zur Auskunftserteilung gibt es in Großbritannien, den Niederlanden, Österreich, Schweden, der Schweiz, Irland, Finnland, Norwegen, mehreren Bundesstaaten Australiens sowie Kenia, Kroatien, Neuseeland, Uruguay und Washington State (USA). Der internationale Vergleich zeigt, dass dabei unterschiedliche Verfahren für die Dokumentation, die Spenderregistrierung und die Auskunft praktiziert werden (Blyth, Frith, 2015, Crawshaw, 2011, Pennings, 2002; Spenderkinder 2016a, Wikipedia, 2016). In den meisten Ländern unterliegt die Regulierung der Spenderregister einem Ministerium, und oft ist eine spezielle staatliche Behörde zuständig, wie zum Beispiel in Großbritannien die HFEA, in Victoria VARTA, und in Neuseeland die HART. In Finnland lassen sich mit dem Spendercode bei der „National Supervisory Authority for Welfare and Health“ Spenderinformationen anfordern, in der Schweiz wendet man sich mit einem Auskunftsbegehren an das „Eidgenössische Amt für das Zivilstandswesen“ (EAZB). In Griechenland und in Spanien gibt es zwar zentrale Register, diese bewahren die Daten allerdings nur unter strikter Geheimhaltung auf. In Schweden gibt es eine regionale Spenderregistrierung. In den Niederlanden ist eine unabhängige Stiftung „Donorgegevens kunstmatige bevruchting“ für das FDD zuständig, (unter ärztlicher Regie analog etwa dem ärztlichen IVF-Register DIR in Deutschland). In Österreich gibt es eine Mischform aus ärztlicher und staatlicher Datenverwaltung: die Daten sollen zunächst 30 Jahre beim Behandler aufbewahrt werden, dann dauerhaft beim Landeshauptmann. Desweiteren gibt es international verschiedene nicht-staatliche Organisationen, meist initiiert von Eltern und Kindern, die zum Beispiel durch DNA-Abgleich bei der Suche nach genetischen Halbgeschwistern und beim „Donor tracking“ helfen: „Donor Sibling Registry“ (mit ca. 50.000 Mitgliedern), „Scandinavian Seed Sibling“, „Fiom“, „Spenderkinder“ etc…

In den USA und in Deutschland (Netzwerk Embryonenspende, MEDOCC ) gibt es einzelne ärztliche Bestrebungen, auf eigene Initiative ein „Register“ bereitzustellen. In der ehemaligen DDR hat es bereits ein staatliches Spenderregister gegeben, dessen Verbleib allerdings ungeklärt ist (Günther, 1987; Thorn, 2005: 43). In den letzten Jahren wurde in Deutschland  die Idee der flächendeckenden, dezentralen notariellen Datenhinterlegung diskutiert (Hammel, Thorn, 2014). Und wenige deutsche Samenbanken praktizieren heute schon eine notarielle Datenhinterlegung für ihre eigene Praxis (Brügge, Simon, 2013). Manchmal nur als organisatorisch verbesserte Form der eigenen Datenverwaltung, manchmal explizit um den so gezeugten Kindern eine sichere Auskunftsmöglichkeit zu eröffnen. Zudem wurden hierzulande verschiedene Ideen publiziert, wie ein Auskunftsverfahren ablaufen oder ein zentrales Register aussehen könnte (Taupitz, 2002; Thorn et al, 2009; Wehrstedt 2010, Wehrstedt et al. 2012, Spenderkinder 2016b). Auch im Ausland wurden mehrere Modelle diskutiert (Cahn, 2008, Foohey, 2008; Couture et al, 2014, Nussbaum, 2015).

[6] Im Übrigen ist das BAFzA auch mit der Vergabe finanzieller Unterstützung von Kinderwunschbehandlungen betraut.

[7] Deutscher Ethikrat, 2016: 128

[8] Das derzeitige Risiko von Mehrfachspenden eines Spenders, z.B. bei verschiedenen Samenbanken, und das wenn auch minimale Risiko möglicher Inzestbeziehungen unter genetischen Halbgeschwistern bei Samenspende ist nur durch eine zentrales Register in den Griff zu kriegen, nicht jedoch über notarielle, regionale oder Einzelinitiativen. Die Höchstzahl der Kinder pro Spender ist in den verschiedenen Ländern unterschiedlich festgelegt. Die gesetzlich nicht bindenden Richtlinien in Deutschland nennen 10 (Bundesärztekammer, 2006)  oder 15 (Arbeitskreis Donogene Insemination, 2006). Der Literatur sind folgende Zahlen für das Ausland zu entnehmen: In den Niederlanden und Kanada 25 Kinder, in der Schweiz 8 Kinder, in Norwegen 6 Kinder, in Frankreich 5 Kinder, in Hongkong 3. In Großbritannien, Victoria, South Australia und Griechenland gelten 10 Familien pro Spender, in Schweden 12 Kinder in 6 Familien, in Western Australia und Finnland 5 Familien, in Neuseeland 10 Kinder in 4 Familien, in Belgien Schwangerschaften von 6 Frauen, in New South Wales 5 Frauen. Zum Teil wird dabei die eigene Frau/Familie des Spenders mitgezählt.

[9] Die Aufbewahrungsfrist beträgt in Belgien 30 Jahre, in Schweden 70 und in den Niederlanden und in der Schweiz 80. In vielen Ländern ist eine dauerhafte Aufbewahrung vorgesehen, und es gibt keine durch den Gesetzgeber explizit benannte Obergrenze, ab wann die Daten vernichtet werden dürften (Österreich, Großbritannien, Finnland, Norwegen, Victoria/Western Australia). Für Adoption gilt in Deutschland 110 Jahre.

[10] Solch ein Good-Will-Letter wurde mittlerweile in Großbritannien flächendeckend eingeführt. In Deutschland wird diese Idee nur von einer Samenbank praktiziert.

[11] Es wäre falsch, beide Aspekte gegeneinander auszuspielen. So wird gelegentlich argumentiert, die Bekanntgabe des bloßen Spendernamens sei für das Kind ohnehin nicht sonderlich hilfreich, so dass nicht-identifizierende Informationen vollkommen ausreichten, um die Neugier der Kinder zu stillen. Die Identifizierbarkeit des Spenders werde ideologisch überschätzt (vgl. Pennings, 2013; Ravelingen et al, 2015). An dieser Stelle ist allerdings nicht an eine sich ausschließende, sondern sich ergänzende Verknüpfung beider Aspekte gedacht: Nur mithilfe einer eindeutigen Identifizierbarkeit des Spenders, der einen bestimmten Namen und Wohnort hat, kann aus einer mehr oder weniger abstrakt-diffusen Gestalt ein spezifischer leibhaftiger, verortbarer Mensch werden, so dass sich das Kind auf würdige Weise zu ihm in Bezug setzen kann und dem Kind eine klare psychische Repräsentanz ermöglicht wird. Eine namen- und gesichtslose Spenderfigur mag für das Kind – trotz umfangreicher, anonymisierter Informationen über seine Person – ein nicht zu greifendes „Gespenst“ bleiben.

Schon die Bekanntgabe des bloßen Spendernamens gefällt Befürworten der anonymen Samenspende nicht, die Herausgabe der Adresse des Spenders mag filmreife Verfolgungsphantasien wecken. Theoretisch läßt sich mit der alten Adresse aus der Akte die aktuelle Adresse des Spenders herausfinden. So erwächst aus der Mitteilung der Identität die Möglichkeit, den Spender zu kontaktieren. Das am häufigsten genannte Angstszenario ist daher, dass die „Spenderkinder eines Tages vor der Tür stehen“ – womöglich mit allerlei überzogenen Ansprüchen an den Spender (zur Veranschaulichung der kulturellen Ängste siehe die Episode „Das gespendete Kind“ aus der Vox-Serie „Hilf mir doch“). Die Einführung eines Spenderregisters wird allerdings mit der gesetzlichen Freistellung der Samenspender von allen gesetzlichen Vaterpflichten (Unterhalt, Sorge, Erbe) einhergehen. Samenspender, die aus diesem Grund Angst haben vor einem ungebetenen Besuch und dem Eindringen der Kinder in die Privatsphäre ihrer Familie, könnten in dieser Hinsicht jedenfalls beruhigt sein. Außerdem könnte das Spenderregister greifen, wenn es als Anlaufstelle die Kontaktaufnahme bahnt, indem es den Kontakt zwischen Spender und Kind vermittelt und moderiert. Samenspender im medizinischen System hätten jederzeit die Freiheit, einem Kontaktwunsch nicht zuzustimmen, bis hin zum zivilrechtlichen Erwirken eines Kontaktverbots, das dem Samenspender genauso zusteht wie jedem anderen deutschen Bürger auch, der sich vor Stalking schützen will.

[12] zu freiwilligen Registern vgl. Millbank, 2014

[13] Vgl. Hauskeller, 2004; Wolff, 2012; Scherrer, 2012

[14] Der Konzeption von Spenderregistern liegt oft eine stufenweise Anordnung der hier genannten Kategorien A bis G zugrunde, mit zunehmender Invasivität der Information hinsichtlich der Privatsphäre des Spenders. Das Auskunftsverfahren erfolgt manchmal stufenweise (vgl. vierstufiges Verfahrensmodell nach Nussbaum, 2015, in dem man sich bei einem Auskunftsanspruch erstens von medizinischen über zweitens nicht-identifizierende Informationen, über drittens medizinisches Updating bis hin zu viertens der vollständigen Identifizierung vorarbeitet). So werden oft auch mit einer höheren Altersstufe des Kindes zunehmend persönlichere Informationen über den Spender herausgegeben (vgl. Niederlande). Oder man hat die Information über die Jahre der Regulierung stufenweise immer weiter geöffnet (z.B. von einer Phase der Freigabe nicht-identifizierender Informationen hin zu einer nächsten Phase mit Freigabe von identifizierbaren Daten. Oder es wird für einen zunehmenden Umfang an nicht-identifizierbaren Informationen gesorgt wie bei der HFEA. Oder man entwickelt sich von der Zulassung prospektiver hin zu retrospektiver Auskunft wie bei der VARTA). Meist gab es für die Zeit vor Inkrafttreten eines vollständigen „Identity release“ eine Zeit, in der zunächst nur nicht-identifizierende Informationen freigegeben wurden oder in der überhaupt nur mitgeteilt wurde, ob die anfragende Person durch Samenspende entstanden ist. Spender-Informationen gibt es also weder im Gesetz noch in der Praxis selten auf einmal.

[15] Vgl. Haimes, 1998; Heidenreich, 2016; Hermann-Green, 2016; Knecht 2009; Leighton 2013; Leighton, 2014; Walper/Wendt, 2011; Walther, 2007; Wehling 2013

[16] Vgl. Regelung in der Schweiz

[17] Vgl. beispielsweise aktuell laufende Gerichtsprozesse zum Auskunftsrecht: AG Wedding13 C 259/16,  OLG Hamm I 30 U7/16

[18] 18 Jahre als Mindestalter sehen vor: Victoria, Großbritannien, Neuseeland, Norwegen, Finnland, New South Wales (vor 2010), Schweiz; 16 Jahre gilt in Western Australia, New South Wales (nach 2010 mit Gerichtsentscheid), Niederlande (ohne Zustimmung der Eltern).  Das früheste Mindestalter gilt in Österreich mit 14 Jahren.

[19] Helms, 2015: 64

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