Sollte es eine Beratungspflicht für Eltern geben?

Wir von DI-Netz e.V. sind der Auffassung, dass eine psychologische Zwangsberatung der Wunscheltern nicht gesetzlich vorgeschrieben werden sollte. Wir glauben, dass eine hohe Aufklärungsrate eher erreicht werden kann, wenn man die psychologische Beratung den Eltern nicht als Zwangsverpflichtung verkauft, sondern als Anspruch gewährt, den sie haben, wenn sie eine Familiengründung mit Samenspende in Erwägung ziehen. Eine Zwangsverpflichtung würde den Eltern keine Wertschätzung signalisieren, was zur Folge haben könnte, dass die Eltern den Inhalt der Beratung weniger ernst nehmen könnten. Bestehende Ansprüche hingegen nimmt jeder gern und mit Selbstbewusstsein wahr.

Eine weitergehende Verpflichtung der Eltern von Seiten des Gesetzgebers lässt sich aus unserer Sicht dagegen nicht rechtfertigen, denn gelungene psychosoziale Beratung ist immer invasiv. Sie ist nicht einfach nur eine bloße ärztliche Belehrung oder ein Informationsgespräch, denn psychosoziale Beratung ist darauf angelegt, in die intime und psychische Welt der beratenden Person einzugreifen. Beratungen im Zwangskontext führen häufig dazu, dass sich die zu Beratenden nicht ausreichend öffnen und die Beratung daher nicht den Erfolg hat, den sie in einem freiwilligen Setting hätte. Schlimmstenfalls haben die Wunscheltern dann den Eindruck, dass sie sich hier einer Eignungsprüfung unterziehen müssen und sich daher gar nicht trauen, heikle Punkte anzusprechen.

Zwang von Seiten des Staates stellt immer einen massiven Eingriff in die Autonomie seiner Bürgerinnen und Bürger dar und verlangt extrem schwerwiegende Gründe, also einen zwingenden Bedarf. Auch stellt staatlicher Zwang eine Ultima Ratio dar – das angestrebte Ziel sollte durch keine anderen Mittel erreicht werden können. Die Erfahrung, dass Beratung hilfreich sein kann, würde für die Einführung einer staatlichen Zwangsverpflichtung nicht ausreichen. Die Schwäche der Argumentation für eine Pflichtberatung zeigt sich auch darin, dass Kritiker nicht genau präzisieren, welche Inhalte eine solche eigentlich haben sollte. Das lässt darauf schließen, dass die Forderung nach einer Pflichtberatung vielmehr auf diffusen moralischen Ressentiments gegen die Samenspende fußt.

Ein Beratungsanspruch der Wunscheltern könnte durchaus als Teil der üblichen ärztlichen Aufklärungs- und Informationsverpflichtung formuliert sein. Schon jetzt machen manche Ärzte eine psychosoziale Beratung zur Bedingung für die Spendersamenbehandlung. Dies sei ihnen als privatwirtschaftliche und ärztliche Entscheidung unbenommen. Ärzte sollten zum Nachweis einer aktiven Kooperation mit einem psychosozialen Beratungsnetz verpflichtet werden.

In diesem Zusammenhang wäre es wünschenswert, wenn eine Kostenübernahme für die Beratung von Wunscheltern erfolgt, da viele auch aus Kostengründen vor Beratung zurückschrecken. Wunscheltern sind unserer Erfahrung nach gerne bereit, Beratung in Anspruch zu nehmen, wenn sie den Eindruck haben, damit etwas Gutes für ihre entstehende Familie und für ihr zukünftiges Kind zu tun.

Wir raten Wunscheltern, sich im Vorfeld der Behandlung und bei Problemen qualifiziert beraten zu lassen – das geht zum Beispiel bei DI-Netz selbst (denn auch in unserem Netzwerk gibt es dafür ausgebildete PsychotherapeutInnen) oder bei den psychosozialen BeraterInnen der Deutschen Gesellschaft für Kinderwunschberatung BKiD.

B.T.

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