Was bedeutet eigentlich „Spenderkind“?

Das ist gar nicht so einfach zu beantworten. „Spenderkind“ könnte die Kurzform von „Spendersamenkind“ sein, was die zentrale Rolle einer Samenspende für die Zeugung des Kindes hervorheben würde; gemeint ist aber meist (wie auch beim Verein „Spenderkinder“) eine Kurzform für „Samenspenderkind“ und von hier aus bekommt der Begriff „Spenderkind“ seine besondere Bedeutung:

  1. Mit der Lesart „Kind des Spenders“ wird zunächst die genetische Abstammung des „Spenderkindes“ vom Samenspender betont. Doch in der Alltagssprache lässt die Bezeichnung „Spenderkind“, also das Kind des Spenders, noch an weitergehende Zusammenhänge denken: so wird ein Eltern-Kind Verhältnis mit emotionaler Nähe und Bindung nahegelegt, was es aber zwischen Samenspender und einem Kind nach Samenspende im Allgemeinen so gar nicht gibt. Hingegen zeichnet emotionale Nähe, Bindung, Verantwortungsübernahme und überhaupt die bewusste Entscheidung zur Vaterschaft genau den DI-Vater und seine Beziehung zum Kind aus. Der Begriff „Spenderkind“ unterschlägt diese letztendlich entscheidenden Umstände und scheint stattdessen eine nicht mehr zeitgemäße (biologistische) Auffassung von Vaterschaft zu vertreten, eine, bei der die genetische Abstammung als Kernbedingung von Vaterschaft verstanden wird.
  2. Hier schließt ein weiterer Punkt an, der die Bedeutung von „Spenderkind“ mitprägt: Wenn über jemand gesagt wird, er sei ein „Spenderkind“ (oder ein Bayernfan, oder ein Depressiver, oder ein Deutscher), dann soll ja wohl etwas Entscheidendes über ihn als Mensch und seine Identität ausgesagt sein. Mit der zugewiesenen Kategorie „Spenderkind“ wird ein Mensch viel stärker von außen definiert, als wenn wir sagen würden, er sei „mit Hilfe einer Samenspende gezeugt worden“ (oder er mag besonders den FC Bayern, oder sei depressiv, oder er habe die deutsche Staatsangehörigkeit). Wer sprachlich zum „Spenderkind“ gemacht wird, bekommt von außen eine Identität zugewiesen, was an sich schon problematisch ist.
  3. Noch problematischer, ja sogar stigmatisierend wird es, wenn man sich vor Augen führt, was alles mit dem Etikett „Spenderkind“ verknüpft wird. Interessanterweise steht der Verein „Spenderkinder“ ganz weit vorne, wenn es darum geht, den Begriff „Spenderkind“ negativ aufzuladen. Das verwundert zunächst nicht, da der Verein „Spenderkinder“ zu Recht(!) auf einen eklatanten Missstand in der früheren Praxis der Spendersamenbehandlung hinweist: nämlich auf die Geheimhaltung der besonderen Zeugungsart, sowohl gegenüber dem eigenen Kind als auch dem sozialen Umfeld. Das hat besonders bei einer späten und unvorbereiteten Offenbarung des Faktums negative Konsequenzen z.B. für das Vertrauensverhältnis von Kind und Eltern. Der Begriff „Spenderkind“ ist stark mit diesem Erfahrungshintergrund verknüpft und kann so das Samenspendeverfahren in Gänze als moralisch verwerflich erscheinen lassen. Wir erleben oft, dass Wunscheltern, die sich über eine Samenspendebehandlung informieren wollen und auf der Webseite der „Spenderkinder“ landen sehr verunsichert werden über das, was es so alles mit einem „Spenderkind“ auf sich habe.

Fazit: Der Begriff „Spenderkind“ scheint die Vaterschaft des Wunschvaters schmälern zu wollen, legt zudem das Kind in seiner Identität fest und steht in hohem Maße für schmerzliche Erfahrungen im Zusammenhang mit einem Familiengeheimnis. All dies definiert aber nicht die Familiengründung mit Spendersamen.

Für viele DI-Eltern eignet sich daher die Zuschreibung „Spenderkind“ weder zur Selbstdefinition noch zur Identifizierung ihrer Kinder durch andere. Unser familiärer Erfahrungshorizont (eine vollwertige Familie zu sein) und auch die emotionale Eltern-Kind-Beziehung und Bindung steht in Konflikt mit vielem, was mit „Spenderkind“ offen oder unausgesprochen mitgemeint ist. Im Bedeutungsrahmen von „Spenderkind“ findet sich kein Platz für unser Glück und das Gelingen, unseres Projekts, eine Familie zu werden und zu sein. Die Tatsache, dass unsere Familiengründung mit Hilfe einer Samenspende von statten ging und wir dem Samenspender für seine positive Rolle dabei auch sehr dankbar sind, bedeutet nicht, dass wir unser Kind sprachlich als sein Kind ausweisen müssen. Wir sind nicht die (Pflege- oder Adoptiv-) oder gar Zweiteltern von „Spenderkindern“, sondern einfach die Eltern von unseren Kindern.

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