Archiv des Autors: Ulrich

Wir gehen in die nächste Etappe – Der Verein stellt sich neu auf

Das DI-Netz wächst: 170 Mitgliederfamilien, rund 250 Kinder – davon über 45 erwachsene –, insgesamt mehr als 500 Menschen gehören inzwischen zu unserem Netzwerk. Dadurch haben sich mit der Zeit auch neue Strukturen im Verein entwickelt.

Vereinsstruktur weiterentwickelt

Ein besonderes Highlight in diesem Jahr war dann der DI-Netz-Tag 2025 (im Oktober) mit etwa vierzig Familien in einer Jugendbildungsstätte und einem vollen Programm. Dort wurde deutlich, wie viel Wissen, Erfahrung und Verbundenheit im Verein steckt. Das Treffen gab uns allen neuen Schwung.

Die Online-Mitgliederversammlung am 16.11.25 war sehr gut besucht und wir haben eine weiterentwickelte Struktur beschlossen. Sie bildet ab, wie groß und vielfältig unser Verein geworden ist: Viele können berufliche und persönliche Kompetenzen in den Verein einbringen, unterschiedliche Perspektiven ergänzen sich, und die Zusammenarbeit in der Vereinsorganisation funktioniert zunehmend digital, das heisst auf kurzem Wege. Im Mittelpunkt aller Aktivitäten steht allerdings immer Kontakt und Begegnung – zwischen Eltern, Kindern, Jugendlichen, erwachsenen Kindern, Engagierten und Fachleuten.

Generationenwechsel

2026 wird der bisherige Vorstand seine Aufgaben schrittweise an ein neues Team übergeben. Der aktuelle Vorstand – Claudia Brügge, Ulrich Simon, Marcus und Beate – arbeitet dafür eng mit den Anwärter:innen für die kommenden Jahre – Christina Arlt, Fabian Disselbek, Tom und Ramona – zusammen, im Tandem und mit guter Übergabe. Die bisherigen Vorstandsmitgliedern werden später zunehmend aus zweiter Reihe in ausgewählten Bereichen mitwirken.

Der neue Vorstand tritt auch mit neuer Besetzung der Steuerungsgruppe an, die den Vorstand unterstützt. Vielen Dank an alle, die sich einbringen!

Arbeitsbereiche im DI-Netz

Um die vielen Aufgaben transparent und gut koordiniert zu gestalten, bündeln wir unsere Themen künftig in klar benannten Arbeitsgruppen. In allen Bereichen gibt es schon aktive Mitglieder und eine Ansprechperson. Im Januar 2026 starten die Gruppen in neuer Zusammensetzung – teils vor Ort, teils digital.

Die Teams im Überblick:

  • Psychologie, Aufklärung und Präsenzseminare
  • Recht
  • Reginal- und Überregionalgruppen
  • Social Media
  • Videochats mit Wunscheltern (Gruppenvideochats)
  • Videochats 1:1
  • Webinare
  • Ethik & Wissenschaft
  • Kooperationen & Politik
  • Medien & Öffentlichkeitsarbeit
  • Solo-Mütter
  • Donor Linking / Kind-Spender-Kontakt
  • Vorbereitung DI-Netz-Tag & Sponsoring
  • Redaktion Text
  • Bild & Illustration
  • Technik / Webseite & IT
  • Finanzverwaltung
  • Und dazu: die „Freizeitgruppe erwachsener Kinder“. Die Gruppe soll keine Arbeitsgruppe sein und startet ab Ende 2026.

Warum dieser Schritt sinnvoll ist

Das DI-Netz ist heute eine verlässliche Anlaufstelle für viele Familien nach Samenspende: Vernetzung, Beratung, Seminare, Telefonkontakte, Videochats, Regionalgruppen, überregionale Familienwochenenden mit Kindern ähnlicher Altersgruppe – all das gehört fest zum Angebot.

Neue Familien vernetzen sich weiter direkt untereinander: Derzeit entstehen drei neue überregionale Familiengruppen, die sich – nach dem erfolgreichen Modell – jährlich in einer Jugendherberge treffen oder andere passende Formate nutzen wollen. So werden die Kinder miteinander groß.

Damit all diese Aktivitäten gut zusammenspielen, geben die Arbeitsbereiche Orientierung, klare Ansprechstellen und ermöglichen eine gute Zusammenarbeit im Ehrenamt – übersichtlich und flexibel.

Es gibt auch eine spezielle Ansprechpartnerin (Julia), wenn es mal nicht so rund läuft, Anfragen versanden oder Vernetzung stockt: nachhaken@di-netz.de

Eine Einladung zum Mitmachen

Alle Mitgliederfamilien, die eine Idee, eine Stärke, etwas Zeit oder einfach Interesse haben, können sich einbringen. Jede Perspektive bereichert das Netzwerk. Wir gehen gemeinsam in die nächste Etappe – und freuen uns auf das, was entsteht.

Kinderzahl pro Samenspender europaweit begrenzen!

– Lehren aus dem TP53-Fall der European Sperm Bank

Der Fall eines dänischen Samenspenders mit einer erblichen Krebsdisposition hat europaweit Familien beunruhigt – auch im DI-Netz. Unser Netzwerk setzt sich seit Jahren für eine gesetzliche Höchstgrenze der Kinder pro Spender ein, um Familien und Kinder besser zu schützen – durch klare Begrenzung, Transparenz und europäische Standards.

Unsere Forderung: Nicht mehr als 10 Familien pro Spender…

[Lesedauer: 20 Minuten]

Das DI-Netz setzt sich seit seiner Gründung dafür ein, dass Samenspende verantwortungsvoll und ethisch vertretbar gestaltet wird. Seit vielen Jahren fordern wir, die Zahl der Kinder zu begrenzen, die aus der Samenspende eines einzelnen Mannes hervorgehen dürfen.

Bereits vor 13 Jahren überreichten wir der damaligen Bundeskanzlerin Angela Merkel ein Schreiben u.a. mit dieser Forderung. Auch 2018, vor der Einführung des deutschen Samenspenderregisters, warnten wir erneut und eindringlich vor den Risiken einer fehlenden Begrenzung – ebenso wie der Verein Spenderkinder. Im Sommer 2025 geriet dann ein Fall eines dänischen Samenspenders mit einer vererblichen Krebsdisposition in die Schlagzeilen, was nun erneut zeigt, dass unsere Sorgen berechtigt sind. Der dänische Fall muss ein Weckruf für die eurpäische Gesetzgebung sein!

1. Der dänische Fall

Die European Sperm Bank (ESB) hat den Samen eines Mannes vermittelt, der unwissentlich eine Mutation im TP53-Gen trug und dessen Samenproben über mehrere Jahre hinweg europaweit verbreitet wurden. Das TP53- Gen kodiert das Tumorsuppressor-Protein p53, das die Zellteilung reguliert und Krebs verhindert. Mutationen können zum Li-Fraumeni-Syndrom führen, einer seltenen, aber schweren erblichen Krebserkrankung mit extrem früher Tumorentwicklung.

Der Gendefekt des Spenders wurde erst entdeckt, nachdem Kinder aus seiner Samenspende an Krebs erkrankten. Ein französisches Labor analysierte die Fälle und stellte die Ergebnisse 2024 auf der „Jahrestagung der Europäischen Gesellschaft für Humangenetik“ in Mailand vor. Nach aktuellem Stand wurden in der Zeit von 2008 bis 2015 mindestens 67 Kinder von 48 Familien in acht europäischen Ländern durch diesen Spender gezeugt[1]. 23 tragen die Mutation und mindestens zehn Personen sind bereits im Kindesalter an Krebs erkrankt[2], etwa an Leukämie oder dem Non-Hodgkin-Lymphom. Beim TP53-Gen wären theoretisch über 2000 verschiedene Mutationsvarianten denkbar. In diesem Fall handelt es sich um eine Mosaikmutation, was bedeutet, dass nicht alle Zellen den Defekt aufweisen. Nach Angaben der ESB betrifft die Mutation bei diesem Spender weniger als die Hälfte seiner Spermien – daher trägt nicht jeder Nachkomme des Spenders die Mutation.

Die mit dem Samen des Spenders gezeugten Kinder leben in Belgien, Deutschland, Spanien, Griechenland, Irland, den Niederlanden, Polen und Zypern. Besonders viele Kinder, nämlich 52, gibt es in Belgien, wo die gesetzlichen Bestimmungen seit 2007 eigentlich eine gesetzliche Höchstgrenze von sechs Empfängerinnen pro Spender vorsehen. Die belgischen Kliniken gaben zunächst an, ihnen habe der landesweite Überblick gefehlt. Zugleich stellte sich aber heraus, dass einzelne Kliniken die Obergrenze bereits innerhalb ihrer eigenen Einrichtung überschritten hatten.

Die ESB teilte dem DI-Netz mit, alle Kinderwunschzentren informiert zu haben, an die Samenproben dieses Mannes geliefert worden ist, damit diese die Empfängerinnen warnen können. Von den Mitgliedsfamilien des DI-Netzes haben rund 30 Eltern(-paare) zwischen 2008 und 2015 durch Samenspenden der ESB Kinder bekommen. Da die ESB Anfang 2018 das IRC in Hamburg aufkaufte, ist uns unklar, ob weitere Mitgliedsfamilien betroffen sein könnten. Das DI-Netz hat von keinem Fall im eigenen Netzwerk gehört. Es geht aber das Gerücht von zwei Fällen in Deutschland, und nach unseren Informationen bezogen drei deutsche Kinderwunschzentren Samenproben des betroffenen Spenders. Ob alle betroffenen Familien tatsächlich von ihren früheren Ärzt:innen informiert wurden, ist uns nicht bekannt[3]. Besorgten Familien empfehlen wir eine Nachfrage bei ihrem damaligen Kinderwunschzentrum.

Für die von der Genmutation betroffenen Personen bedeutet die Diagnose ein Leben unter medizinischer „Dauerüberwachung“. Die Erkrankung selbst ist nicht heilbar; nur eine frühzeitige Erkennung von Tumoren kann Leben retten. Man kann sich die Belastung und die Sorgen der Familien vorstellen, deren Kinder nun ein unendliches, engmaschiges Vorsorgeprotokoll durchlaufen, um einen möglichen Tumor frühzeitig zu entdecken. Dazu zählen wiederholte Ganzkörper-MRT-Scans, MRT-Scans des Gehirns und bei Erwachsenen auch der Brust, sowie Ultraschalluntersuchungen des Abdomens und regelmäßige Untersuchungen durch Spezialist:innen. Dieser Fall zeigt, dass die europaweite Nutzung desselben Spenders ohne zentrale Kontrolle erhebliche Risiken schafft – sowohl medizinisch als auch menschlich[4].

Unklare Abläufe und fehlende Meldepflichten

Weder aus den Medien noch durch die ESB selbst konnte das DI-Netz erfahren, wann die Samenbank erstmals von Eltern oder Ärzt:innen über den ersten Krankheitsfall informiert wurde und wie sie darauf reagierte. Unklar ist, wann sie die Proben des Spenders auf die Mutation überprüfte, wann der Verkauf gestoppt wurde und wann die betroffenen Kinderwunschzentren in welcher Form benachrichtigt wurden[5]. Nach den uns vorliegenden Informationen informierte die ESB erst im November 2023 die „Föderale Agentur für Arzneimittel und Gesundheitsprodukte (FAMHP)“ über den Gendefekt eines Spenders. Zwar ist bekannt, dass die betroffenen Kinder in dem Zeitraum zwischen 2008 und 2015 geboren sind, nicht jedoch, wann und über welchen Zeitraum der Spender tatsächlich aktiv gespendet hat und wann der erste Fall auftrat. Auch die weiteren Abläufe bleiben undurchsichtig: Haben die Kinderwunschzentren die Information tatsächlich an alle Familien weitergegeben, die eine Behandlung mit dem Samen dieses Spenders erhalten hatten? Falls ja, wie und mit welchen Empfehlungen wurden die Familien kontaktiert – etwa zur genetischen Beratung, Testung oder Überwachung ihrer Kinder? Ebenfalls offen ist, ob und wann staatliche oder europäische Behörden in die Untersuchung des Falls eingebunden wurden.

Diese Fragen erscheinen uns bislang unbeantwortet. Ein gesetzlich verbindliches, standardisiertes Verfahren für den Umgang mit solchen Fällen existiert weder in Dänemark noch in Deutschland. Es gibt keine Meldepflicht gegenüber Behörden und keine einheitliche Vorgabe, wie und wann und durch wen andere Familien informiert werden, wenn sich bei einem Spender oder bei einem anderen Kind eine schwerwiegende genetisch bedingte Erkrankung zeigt. Ebenso fehlt bislang eine Verpflichtung für Eltern, Krebsfälle oder andere lebensbedrohliche genetische Erkrankungen ihres Kindes, die auf den Spender zurückzuführen sein könnten, an die jeweilige Samenbank oder das Kinderwunschzentrum zurückzumelden. Nur durch Rückkopplung zwischen Eltern, Spender, Kinderwunschzentren, Samenbanken und Behörden könnte eine effektive Früherkennung und Schadensbegrenzung stattfinden[6].

Diese Lücken verdeutlichen, dass europaweit klare Regeln, Fristen und Verantwortlichkeiten notwendig sind, damit die Betroffenen künftig schnell und zuverlässig informiert werden.

2. Medizinische und genetische Aspekte

Das Li-Fraumeni-Syndrom ist extrem selten (1 : 20 000 – 1 : 100 000). Da die Mutation so selten ist, gehört TP53 bislang nicht zu den Standardtests, die Samenbanken bei gesund wirkenden Spendern durchführen. Inzwischen sind genetische Untersuchungen auf häufige dominante Mutationen jedoch technisch unkompliziert und preislich überschaubar. Für 200 bis 600 Euro könnte jede Samenbank gezielt nach solchen Veränderungen suchen.

Dem DI-Netz ist keine deutsche Samenbank bekannt, die derzeit auf TP53-Mutationen testet. Samenbanken kündigen zwar oft ein „genetisches Screening“ von Samenspendern an, üblicherweise werden spendewillige Männer allerdings lediglich nach erblichen Erkrankungen in ihrer Familiengeschichte befragt (Stammbaumerhebung über drei Generationen). Diese Anamnese beruht weitgehend auf Selbstauskünften des Spenders und vertraut auf die Richtigkeit seiner Angaben. Ergänzend können, je nach Praxis der jeweiligen Einrichtung, Tests auf einzelne genetisch bedingte Erkrankungen durchgeführt werden. Ein verbindlicher Katalog solcher Untersuchungen existiert bislang nicht[7]. Die fehlende Standardisierung führt dazu, dass Art und Umfang genetischer Tests von Samenbank zu Samenbank erheblich variieren. Welche genetischen Erkrankungen künftig verpflichtend geprüft werden sollen, sollte daher von den zuständigen Gesundheitsbehörden auf des Basis wissenschaftlicher Kriterien festgelegt werden. Ein verpflichtender Testkatalog würde sich ausdrücklich nicht auf häufige oder milde genetisch mitbedingte Merkmale wie Kurzsichtigkeit, Migräne, Laktoseintoleranz, ADHS oder leicht erhöhte Cholesterinwerte beziehen. Solche weitverbreiteten oder oft gut behandelbaren Probleme gehören nicht in einen Screeningkatalog. Gemeint sind ausschließlich wenige, klar definierbare und schwerwiegende erblich bedingte Erkrankungen, denn das Ziel ist Prävention, nicht eugenische Selektion. – Die Lücke in der Regulierung der Testung ist vermeidbar – und angesichts der heute verfügbaren technischen Möglichkeiten, gerade in der Spendersamenbehandlung, wo viele Kinder pro Spender entstehen, nicht mehr zu rechtfertigen[8].

3. Verantwortung und staatliche Schutzpflicht

Jeder Mann hat das Recht, sich auf natürlichem Wege fortzupflanzen – auch Männer mit genetischen Erkrankungen. Dieses Recht darf jedoch nicht auf Samenspenden via Samenbank ausgeweitet werden, deren Aufgabe es ist, medizinische Risiken für Dritte zu vermeiden. Wenn ein einzelner Mann durch Samenspende Dutzende Kinder mit einer schweren Erbkrankheit hervorbringt, betrifft das nicht nur individuelle Schicksale, sondern auch die Verantwortung der Gesellschaft für den Schutz von Kindern und Familien. Hier steht die Schutzpflicht des Staates im Vordergrund – nicht, weil für die Bevölkerung insgesamt ein Gesundheitsrisiko bestünde, sondern weil der Staat verpflichtet ist, vermeidbare Schäden für einzelne Kinder und Familien zu verhindern. Die Verantwortung liegt darin, individuelle Risiken zu begrenzen, die durch unkontrollierte medizinische Verfahren systematisch vervielfacht werden können.

Kein Staat darf willkürlich in die private Familienplanung eingreifen, doch dort, wo reproduktionsmedizinische Verfahren gezielt eingesetzt werden, ist eine staatliche Mitverantwortung gegeben. Die Samenspende ist kein privater Zufall, sondern eine medizinisch gesteuerte Handlung. Sie bedarf daher klarer Regeln, um Schaden zu vermeiden.

4. Ökonomische Fehlanreize

Bei der Nutzung der ESB können Nutzerinnen Geld sparen, wenn sie sich auf die Wahl eines Spenders einlassen, bei dem die Samenbank ein hohe Kinderzahl zulässt. So erlaubt die Europäische Samenbank international bis zu 75 (!) Kinder pro Spender, die dänische Nachbarbank Cryos sogar unendlich viele – ein Modell das ökonomisch vorteilhaft, aber ethisch äußerst bedenklich ist.

Samenbanken profitieren wirtschaftlich davon, wenn ein Massenspender viele erfolgreiche Schwangerschaften erzielt. Die hohen Kosten für medizinische Untersuchungen, Lagerung und Werbung machen es finanziell attraktiv, „erfolgreiche“ Spender möglichst häufig einzusetzen.
Langfristig rechnet sich diese Praxis jedoch nicht. Jeder Skandal – wie der dänische Fall – beschädigt das Vertrauen in alle Einrichtungen der Spendersamenbehandlung, erzeugt ethische Bedenken und gefährdet das Ansehen einer Branche, die auf Glaubwürdigkeit angewiesen ist.

Die Vorstellung, aus einem einzelnen Spender möglichst viele Nachkommen „herauszuholen“, wirkt entmenschlichend. Sie reduziert die Samenspende auf eine Form biologischer Ausbeutung. Eine solche Kommerzialisierung des Erbguts widerspricht dem Prinzip der Menschenwürde und gefährdet das Vertrauen in die Reproduktionsmedizin.

5. Psychosoziale Auswirkungen einer hohen Zahl von Kindern pro Spender

Eltern in unserem Netzwerk empfinden den Gedanken, dass ein Spender Dutzende Kinder in verschiedenen Ländern gezeugt hat, als zutiefst belastend. Viele berichten, dass ihnen bewusst ist, dass ihr Kind vielleicht irgendwann mehr über seine biologisch-verwandtschaftliche Konstellation erfahren will – und sie wünschen ihren Kinder, nicht eines Tages vor der Erkenntnis zu stehen, 50 oder 100 genetische „Halbgeschwister“ zu haben.

Kinder aus Samenspende reagieren unterschiedlich: Einige freuen sich erstmal über sog „Halbgeschwister“, die meisten von ihnen empfinden jedoch große Unsicherheit, je mehr neue Personen bei ihrer Verwandtensuche auftauchen. Viele beschreiben, dass sich eine große Zahl an Kindern vom selben Spender „unwirklich“ oder „zu viel“ anfühlt – dass die eigene Entstehung dadurch an Einzigartigkeit verliert. Dafür muss ein Kind sich nicht einmal aktiv auf die Suche nach anderen Kindern des Spenders machen; allein die Vorstellung, irgendwo könnten Dutzende oder Hunderte genetische „Halbgeschwister“ existieren, ist für viele schon gedanklich überfordernd und psychisch enorm belastend.

Auch Spender äußern solche Gefühle. Viele Spender wünschen sich nur eine begrenzte Zahl an Nachkommen, weil spätere mögliche Kontaktanfragen für sie eine persönliche Verantwortung darstellen. Deshalb sollte ein Spender das Recht haben, innerhalb eines vorgegebenen Rahmens eine niedrigere eigene Höchstgrenze festzulegen. Durchgängig extrem niedrige Zahlen – etwa nur eine einzelnes Kind – wären vermutlich kaum praktikabel. Aber ein Spielraum bis zur Obergrenze würde die Selbstbestimmung der Spender respektieren und zugleich klare, faire und verlässliche Regeln für alle Beteiligten gewährleisten.
Eine unbegrenzte Nutzung eines Spenders führt dagegen nicht nur zu medizinischen Risiken, sondern auch zu emotionalen und sozialen Überforderungen.

6. Fehlende Regulierung in Deutschland und Europa

In Deutschland existiert derzeit keine gesetzliche Höchstgrenze der Zahl der Kinder, die durch einen Spender entstehen dürfen. Die alte Richtlinie der Bundesärztekammer enthielt bis 2018 die Empfehlung, die Zahl auf zehn Schwangerschaften zu begrenzen; diese Klausel ist inzwischen entfallen. Der „Arbeitskreis Donogene Insemination“ empfiehlt höchstens 15 Kinder, jedoch ohne rechtliche Verbindlichkeit. Das seit 2018 bestehende Samenspenderregister hätte die Aufgabe der Begrenzung übernehmen können, tut es aber nicht: Es speichert zwar die Identität von Spendern und Empfängerinnen, kontrolliert jedoch nicht, wie viele Kinder pro Spender entstehen.

Hinzu kommt: Ein Spender kann gleichzeitig an mehreren Samenbanken spenden. Ohne eine zentrale Kontrolle kann dadurch die Zahl der Nachkommen eines Mannes leicht vervielfacht werden. Das macht eine nationale, staatlich überwachte Begrenzung unumgänglich. Eine nationale Obergrenze ist besser als keine – doch langfristig muss eine europaweite Regelung angestrebt werden, damit nationale Grenzen nicht durch Exporte umgangen werden.

Andere Länder sind hinsichtlich der Gesetzgebung auf nationaler Ebene schon weiter als Deutschland:
Frankreich erlaubt maximal zehn Kinder pro Spender, die Niederlande und Großbritannien begrenzen auf zwölf bzw. zehn Familien, Belgien auf sechs Frauen, die Schweiz auf acht Kinder, Norwegen auf sechs Familien. Dänemark, Sitz der größten europäischen Samenbanken, gestattet zwölf Familien – ältere Spender dürfen sogar bis zu 25 Kinder zeugen. Da dortige Banken jedoch europaweit und international exportieren, können faktisch Hunderte Nachkommen entstehen.

Die kommende EU-Verordnung zu Substances of Human Origin (SoHO) (Inkrafttreten 7. August 2027) wird diese Lücke, wie zu befürchten ist, nicht schließen, da die Zahl der Kinder vermutlich weiterhin national festgelegt werden soll. Damit bleibt die zentrale Schwachstelle bestehen: Ohne europaweite Obergrenze lässt sich eine zu hohe Zahl von Kindern pro Spender nicht verhindern.

7. Warum eine Begrenzung notwendig ist

Eine Obergrenze schützt auf mehreren Ebenen:

  • Sie begrenzt die Multiplikation genetischer Risiken – bei einer begrenzten Kinderzahl sind im Ernstfall weniger Menschen betroffen.
  • Sie schützt die soziale Integrität der Verwandtschaftsbeziehungen, da sich Beziehungen zu sog. genetischen Halbgeschwistern in überschaubarem Rahmen entwickeln können.
  • Sie reduziert die Gefahr unwissentlich inzestuöser Beziehungen zwischen sog. genetischen Halbgeschwistern.
  • Und sie schützt das Vertrauen in die Samenspende insgesamt.

Immer wieder wird argumentiert, dass eine Begrenzung der Kinderzahl pro Spender zu einer geringeren Verfügbarkeit von Samenproben und längeren Wartezeiten führen würde. Diese Sorge ist unbegründet: Erfahrungen zeigen, dass sich eine reduzierte Spenderzahl durch gezielte und verbesserte Akquise gut ausgleichen lässt. Eine verantwortungsvolle Rekrutierung ist langfristig nachhaltiger und stärkt das Vertrauen von Wunscheltern und Spendern gleichermaßen. Internationale Samenbanken argumentieren auch häufig, eine weite „geografische Streuung“ der Nachkommen verringere das Risiko zufälliger verwandtschaftlicher Begegnungen (Konsanguinität). In der Praxis schafft die Streuung jedoch keine Sicherheit, sondern erschwert die Nachverfolgbarkeit genetischer Verwandtschaft über Ländergrenzen hinweg. Auch bei einer globalen Verteilung vervielfacht sich im Fall einer erblichen Erkrankung das Risiko, dass unverhältnismäßig viele Kinder betroffen sind – und viele empfinden es als belastend, Teil einer kaum überschaubaren Zahl von sog. Halbgeschwistern zu sein, selbst wenn diese weltweit verstreut leben.

Eine sinnvolle Höchstgrenze liegt aus Sicht des DI-Netzes bei zehn Familien pro Spender. Diese Zahl orientiert sich in etwa am oberen Bereich natürlicher Zeugungsraten von Männern und bleibt damit im menschlich und sozial vertretbaren Rahmen, selbst wenn man mitbedenkt, dass der Spender auch noch eine eigene Familie gründet. Die Anzahl zehn wäre überschaubar für alle Beteiligten, acht könnte aber auch ausreichend sein, wenn man bedenkt, dass mehrere Kinder pro Familie entstehen. Nach unten legt sich das DI-Netz nicht streng fest. Ein Spender müsste die Zahl selbstbestimmt bis zu einer bestimmten Untergrenze unterschreiten dürfen.

8. Forderungen des DI-Netz e.V.

Gesetzliche Begrenzung der Familien pro Spender

  • Einführung einer verbindlichen Obergrenze von höchstens zehn Familien pro Spender in Deutschland.
  • Ergänzung des Auftrags an das Samenspenderregister, damit das Register die Einhaltung der Grenze automatisch überwacht und Spender bei Erreichen der Höchstzahl durch Rückmeldung an Samenbanken und Kinderwunschzentren sperrt.

Europäische Harmonisierung

  • Einführung einer europaweiten Obergrenze, um zu verhindern, dass Spender durch grenzüberschreitenden Export weiterhin Dutzende oder sogar Hunderte Kinder zeugen können.
  • Vernetzung nationaler Register, Austausch von Spenderdaten und verbindliche Meldepflichten bei schwerwiegenden Erkrankungen.
  • Einführung eines europaweit standardisierten Melde- und Warnsystems für genetische Erkrankungen bei Spendern: Sobald bei einem Spender oder einem seiner Nachkommen eine relevante Erbkrankheit festgestellt wird, müssen Samenbanken, Register und behandelnde Kinderwunschzentren verpflichtet sein, innerhalb festgelegter Fristen alle betroffenen Einrichtungen und Familien zu informieren.
  • Einführung einer Rückmeldepflicht für Eltern, schwerwiegende genetische Erkrankungen oder Krebsfälle ihrer Kinder, die auf Vererbung durch den Spender zurückzuführen sein könnten, an Samenbank und Kinderwunschzentrum zu melden.
  • Einheitliche Verfahrensvorgaben für Dokumentation, Weitergabe und Nachverfolgung solcher Meldungen, einschließlich einer Aufsichtsstelle, die die Einhaltung überprüft.

Medizinische Sicherheit

  • Verpflichtende genetische Tests auf häufige dominante Mutationen (u. a. TP53, BRCA1/2, NF1[9]).
  • Sofortige Sperrung eines Spenders bei Bekanntwerden einer schwerwiegenden erblichen Erkrankung.
  • Verpflichtung zur sofortigen Information aller Familien, die mit dem Samen dieses Spenders entstanden sind.
  • Verpflichtung der Spender zu regelmäßigen Gesundheits-Updates und zur Meldung neu aufgetretener erblich bedingter Krankheiten auch nach Abschluss ihrer Spendezeit
  • Ergänzung der bestehenden rechtlichen Grundlagen (Arzneimittelgesetz und Gewebeverordnung), damit schwerwiegende genetische Erkrankungen ausdrücklich als Gründe für den Ausschluss oder Rückzug von Samenspenden festgelegt werden.

Transparenz

  • Spender, Eltern und Kinder müssen wissen dürfen, wie viele Kinder durch denselben Spender entstanden sind.
  • Samenbanken sollen offenlegen, welche genetischen Tests sie durchführen.
  • Verpflichtende Aufklärung aller Empfängerinnen über den Umfang und die Grenzen der durchgeführten genetischen Untersuchungen des Spenders.
  • Keine finanziellen Anreize für die Nutzung von Vielfachspendern.

Sanktionen

  • Überschreitungen der Höchstgrenzen müssen strafbewehrt sein.
  • Lizenzentzug bei systematischen Verstößen.
  • Einrichtung einer unabhängigen Kontrollstelle, die Meldungen zu genetischen Erkrankungen, Überschreitungen und Informationspflichten prüft und koordiniert, mit regelmäßigen Audits der Samenbanken.

Nutzung des Registers

  • Das Samenspenderregister sollte auch den Kontakt zwischen sog. genetischen „Halbgeschwistern“ ermöglichen, wenn beide Seiten dies wünschen.
  • Es sollte mit anderen Registern auf europäischer Ebene vernetzt sein.

9. Schlussbemerkung

Wir Eltern im DI-Netz wissen, dass jede Geburt ein Wagnis ist. Kein Mensch kann garantieren, ein völlig gesundes Kind zu bekommen – weder auf natürlichem Weg noch durch medizinische Hilfe.
Wir lehnen es ab, den dänischen Fall zu skandalisieren oder Samenspende pauschal in Misskredit zu bringen. Auch dieser Spender galt nach damaligem Wissen als gesund –  die Mutation hätte ebenso in einer natürlichen Zeugung auftreten können. Doch dass ein einziger Mann Dutzende Kinder in ganz Europa mit derselben genetischen Veränderung zeugen konnte, ist kein Schicksal, sondern eine Folge fehlender Regulierung.

Wenn die Spendersamenbehandlung verantwortungsvoll und menschenwürdig sein soll, müssen klare Grenzen gelten. Es braucht verbindliche Höchstzahlen, europaweite Registrierung, geregelte Meldeverfahren und medizinische Mindeststandards.

Wir wünschen uns, dass Politik und Fachwelt diesen Fall zum Anlass nehmen, endlich verbindliche Grenzen zu schaffen. Nur wenn medizinische Möglichkeiten mit Verantwortung einhergehen, kann Samenspende ein sicherer und respektvoller Weg zur Familiengründung bleiben.

Dipl.-Psych. Claudia Brügge (Vorsitzende) DI-Netz e.V. – Deutsche Vereinigung von Familien nach Samenspende


[1] Die ESB selbst wollte keine konkrete Zahl nennen, und wir wissen nicht, ob sie selbst die tatsächliche Anzahl der gezeugten Kinder kennt. Öffentlich bekannt wurde lediglich die Zahl von 67 Kindern in acht Ländern. Da 52 von ihnen in Belgien leben, verbleiben rein rechnerisch 15 Kinder für die übrigen sieben Länder – darunter Deutschland. Bei korrekter Datenlage wären hierzulande also maximal neun Kinder zu erwarten, die von diesem Spender abstammen und die Mutation entweder geerbt haben oder nicht. Das Gerücht sagt, es sind zwei betroffene Kinder in Deutschland bekannt. Weil die ESB die Anzahl von 67 bislang nicht bestätigt hat, könnte die Vermutung allerdings naheliegen, dass die Gesamtzahl der Kinder höher liegt.

[2] Die Fälle wurden 2023 öffentlich bekannt. In diesem Jahr müssen die krebserkrankten Kinder zwischen 8 und 15 Jahren gewesen sein. Die Krebserkrankung trat also schon sehr früh auf. Man erfährt aus den Medien nicht, wieviel Zeit zwischen dem Auftreten der Krankheit, der Meldung und dem öffentlichen Bekanntwerden lag.

[3] Der betroffene Spender ist bislang anonym geblieben; die ESB hat seinen Namen auch gegenüber betroffenen Familien nicht offengelegt. Dem DI-Netz ist nicht bekannt, ob die betroffenen Familien erfahren durften, wer die anderen betroffenen Familien sind.

[4] Auch für den betroffenen Spender dürfte dieser Fall eine erhebliche psychische Belastung darstellen. Er muss damit leben, dass durch seine Samenspende Kinder mit einer schweren genetischen Erkrankung entstanden sind – etwas, das er weder vorhersehen noch verhindern konnte. Der Fall zeigt, dass fehlende Regulierung auch Spendern eine Verantwortung aufbürden kann, die sie allein nicht tragen sollten

[5] Laut Presseberichten wurde das französische Labor 2023 von einem Arzt informiert, der eine Familie betreute, die zuvor ein Schreiben der ESB erhalten hatte.

[6] Wendy Kramer ist Gründerin des „Donor Sibling Registry“ (USA) und Ehrenmitglied im DI-Netz, Ihr privatwirtschaftliches Register gilt als die weltweit größte Vernetzungsplattform für die Verwandtschaftssuche von Familien nach Samenspende. Wendy Kramer sammelt seit vielen Jahren Erfahrungsberichte von Familien, in denen genetisch (mit-)bedingte Erkrankungen möglicherweise über Samenspende weitergegeben wurden. In den meisten Fällen wird berichtet, dass andere betroffene Familien durch die Kliniken nicht informiert wurden.

[7] In den Empfehlungen des Arbeitskreises Donogene Insemination (Fassung 2006) wird als Ziel der Untersuchungen lediglich die „Verminderung des Risikos genetischer Störungen“ genannt. Die Familienanamnese soll anhand eines Stammbaums erhoben werden; Männer mit bekannten erblichen Erkrankungen oder familiärer Häufung bestimmter Leiden (schwere allergische Disposition, familiäre Fettstoffwechselstörungen, Lippen-Kiefer-Gaumenspalte, Epilepsie, juveniler Diabetes, Asthma, Rheuma, Psoriasis, Psychosen, juvenile Herzfehler und juvenile Hypertonie) sollen von der Spende ausgeschlossen werden, wobei nicht deutlich gemacht wird, wie es zu dieser Liste gekommen ist (vgl. kritisch Schmidtke, 2010). Zytogenetische oder molekulargenetische Tests werden „in der Regel nicht durchgeführt“. Nur wenn Wunscheltern ausdrücklich einen genetisch getesteten Spender wünschen, kann die Samenbank solche Untersuchungen veranlassen – die Kosten dürfen dann den Empfänger:innen in Rechnung gestellt werden. Dr. Hammel, der Vorsitzende des AKDI gibt ein standardmäßige Testung auf Mukoviszidose und eine „Chromosomenanalyse“ an.

[8] Die European Sperm Bank bietet inzwischen gegen Aufpreis einen erweiterten Gentest auf rund 400 Gendefekte an (Kosten: 995 €). Damit bleibt die umfassendere genetische Untersuchung jedoch eine freiwillige Zusatzleistung, abhängig von den wirtschaftlichen Entscheidungen der Samenbank und der zahlenden Kundinnen. Aus Sicht des DI-Netzes darf genetisch-gesundheitliche Sicherheit aber nicht zur Kostenfrage werden: Mindeststandards müssen für alle Spenden verbindlich gelten – unabhängig davon, ob jemand bereit oder in der Lage ist, dafür extra zu bezahlen. Allerdings kann selbst ein solcher erweiterter Test keine absolute Sicherheit gewährleisten. Eine vollständige Genomsequenzierung aller Spender wäre weder realistisch noch ethisch oder wirtschaftlich vertretbar – und sie würde genetische Risiken auch nicht ganz ausschließen. Deshalb bleibt entscheidend, ihre mögliche Vervielfachung durch eine zu hohe Zahl von Nachkommen eines Spenders zu verhindern.

[9] In Deutschland ist dem DI-Netz ein Fall von Neurofibromatose (NF1, Morbus Recklinghausen) bekannt, die nach Auskunft der Mutter durch den Spender einer deutschen Samenbank an ihren Sohn vererbt worden sei. Bei der European Sperm Bank, damals noch unter dem Namen Nordic Cryobank geführt, wurde bereits 2009 ein erster größerer Skandalfall öffentlich: Von 43 durch einen Spender gezeugten Kindern waren neun an NF1 erkrankt. Nach dem dritten bekannten Krankheitsfall stellte die Bank die Nutzung der Proben dieses Spenders (Nr. 7042) ein. In der Folge wurde innerhalb(!) Dänemarks die gesetzliche Obergrenze der Kinder pro Spender von 25 auf 12 reduziert.

Warum wir auf den Begriff „Spenderkinder“ verzichten

Worte prägen, wie wir uns selbst und andere sehen – besonders in Familien nach Samenspende. Wir möchten darüber diskutieren, ob der Begriff „Spenderkinder“ eine Art Identitätszwang erzeugt und die Selbstbestimmung unserer Kinder einschränkt. Warum wir uns bei DI‑Netz bemühen, andere Formulierungen zu wählen und wie dies Kindern und Eltern mehr Freiheit lässt, erfahren Sie in unter unseren FAQs.

Ein Wochenende, das verbindet – das große DI-Netz-Familientreffen 2025

Vom 3. bis 5. Oktober 2025 war es endlich so weit: Nach langer Vorbereitung fand das erste große DI-Netz-Familienwochenende statt – ein Ereignis, das viele Mitglieder schon seit Jahren herbeigesehnt haben. In einer Familienbildungsstätte mit Übernachtungsmöglichkeit kamen rund 140 Personen zusammen – etwa 40 Familien mit insgesamt rund 60 Kindern, also fast ein Drittel aller Vereinsmitglieder.

Schon am Freitag reisten die ersten Familien an, und bald füllte sich das Haus mit Leben: Kinder fanden schnell zueinander, Eltern kamen ins Gespräch, vertraute Gesichter trafen auf neue. Eine lebendige, offene Atmosphäre zog sich durch das ganze Wochenende.

Vielfalt und Begegnung – Ein Programm wie ein bunter Blumenstrauß

Das Wochenende war voll von spannenden und bewegenden Momenten – „ein fulminantes Feuerwerk“, wie eine Teilnehmerin es ausdrückte.
Nach der Begrüßung durch Ulrich, der in einer kurzen Rückschau die beeindruckende Entwicklung des Vereins würdigte, begann ein vielseitiges Workshop-Programm.

Große Themen, starke Stimmen

Für Kinder, Jugendliche und Erwachsene war gleichermaßen etwas dabei:
Kinderaufklärung mit Handpuppen (Marcus und Kerstin)anschaulich, kindgerecht und mit viel Humor
Frauengruppe (Judith und Christine) –  Die Teilnehmerinnen verteilten sich in Kleingruppen im Raum, um sich über Fragen der Aufklärung, Erziehung und Familiendynamik sowie zum Umgang im sozialen Umfeld auszutauschen.
Männergruppe (Klaus) – persönliche Gespräche übers Vatersein, die Diagnose Unfruchtbarkeit und das eigene Selbstbild.
Solo-Mütter und lesbische Frauen (Ira)  – Austausch einiger Mütter mit Kindern unterschiedlichen Alters über ihren Weg zur Mutterschaft und ihre Erfahrungen, über die besondere Familiensituation und gegenseitige Unterstützung.
„Offen gesprochen“- Workshop für Eltern (Claudia) – mit nützlichen Hinweisen und Austausch zur Aufklärung der Kinder und zum Umgang mit dem Thema im sozialen Umfeld.
Informationen zum Samenspenderregister des BfArM (Ulrich)
Vorstellung des Vereins „Spenderkinder“: Sunny stellte ihren Verein vor, in dem vor allem ältere erwachsene Kinder aus Samenspende organisiert sind, und sie spielte sogar einen eigenen Song zum Thema ein. In der anschließenden, teills lebhaft geführten Diskussion mit den erwachsenen Kindern und Eltern im DI-Netz wurde deutlich, wie sich die Erfahrungen der älteren und jüngeren Generation der Kinder unterscheiden – und wie viel offener heute über das Thema gesprochen wird.
Einblick in die Arbeit des Donor Conception Network (DCN) in Großbritannien: Sonja stellte die 20 Jahre ältere Partnerorganisation des DI-Netzes vor. Viele von uns haben in der Vergangenheit immer wieder mit Bewunderung auf das DCN mit den großen jährlichen Konferenzen in London geschaut – nun endlich gab es mit diesem Wochenende auch in Deutschland ein, wenn auch kleineres, Familientreffen in vergleichbarer Atmosphäre. Ja, unser Treffen hatte einen Hauch von DCN.

Besonders eindrucksvoll waren die Plenumsveranstaltungen, die in einem größeren Saal stattfanden – die Stimmung war aufmerksam, warm und lebendig.
Hier ging es um zentrale Themen der Vereinsarbeit: rechtliche Aspekte (Dr. Helga Müller, Frankfurt), die Vorstellung eines Samenspenders (Martin), der mit viel Offenheit und Reflexion über seine Motivation zur Samenspende sprach und darüber, wie er die Begegnung mit einer Person erlebt hat, die aus seiner Samenspende entstanden ist. Und schließlich fünf erwachsene Kinder aus dem DI-Netz, die aus eigener Erfahrung berichteten, wie es ist, von Anfang an mit dem Wissen um die Samenspende aufzuwachsen. Ihre ehrlichen, berührenden Worte und die anschließenden Gespräche gehörten zu den bewegendsten Momenten des Wochenendes.

Glücklicherweise konnten wir neben dem Hauptprogramm auch eine Turnhalle des Hauses nutzen, in der die jüngeren Kinder nach Herzenslust spielen und toben konnten. Bei Bedarf gab es aber auch die Möglichkeit, sich aus dem allgemeinen Trubel in ruhigere Ecken zurückzuziehen; außerdem gab es Gelgenheit, am Büchertisch etwas zu schmökern.

Nähe, Austausch und Verbundenheit

Neben dem offiziellen Programm waren es die vielen Gespräche in kleinen Grüppchen, die Begegnungen in den verschiedenen Räumen und bei den gemeinsamen Mahlzeiten, die dieses Wochenende so besonders machten. Wer wollte, konnte auch mit Notizen auf Stellwänden nach anderen Familien aus der eigenen Region suchen – oder nach Familien mit demselben Spender, also nach sog. genetischen Halbgeschwistern. Und tatsächlich kam es zu einem „Match“.

Abends saßen manche Eltern noch länger zusammen, manche Kinder rollten mit Puppenwagen über die Flure, spielten Großeinsatz mit Feuerwehrautos oder in einer größeren Gruppe „Werwolf“. Überall war spürbar, wie unglaublich wertvoll es ist, mit anderen Familien Zeit zu verbringen, die genauso durch Samenspende entstanden sind – für die Kinder ebenso wie für die Erwachsenen.

Ein Meilenstein für den Verein

Das Wochenende machte deutlich, was das DI-Netz auszeichnet: die Fähigkeit, Menschen zu verbinden, Wissen zu teilen und Familien zu stärken. Der Verein, der seit Jahren vielfältige Unterstützung anbietet – von Beratung und Vorbereitungsseminaren über politische Arbeit und Publikationen bis hin zu Vernetzung untereinander und digitalen Foren –, zeigte an diesem Wochenende seine ganze Lebendigkeit. Dieses erste große Treffen brachte die Stärke des Vereins auf den Punkt – das Miteinander als Herzstück der Gemeinschaft.

Blick nach vorn – neue Familiengruppen entstehen

Aus dem Geist dieses Wochenendes heraus werden in nächster Zeit wieder neue überregionale Familiengruppen gegründet (mit jeweils rund 10 Familien). Konkret sind gerade drei weitere Gruppen in Planung, jeweils für Familien mit Kindern in ähnlichen Altersstufen: U3; 3–5 Jahre; Ü5. Jede dieser Gruppen möchte sich etwa einmal jährlich zu einem gemeinsamen Wochenende in einer Jugendherberge treffen – ganz nach dem erfolgreichen Vorbild der ersten Gruppen „IDI“ und „di-familie“, deren Kinder heute bereits erwachsen sind.
Interessierte Mitglieder sind herzlich eingeladen, sich beim Verein zu melden, wenn sie Teil einer dieser neuen Gruppen werden möchten.

Fazit

Dieses Wochenende war mehr als nur ein Vereinstreffen – es war ein Stück gelebte Gemeinschaft, ein sichtbarer Ausdruck dessen, was das DI-Netz über all die Jahre aufgebaut hat: ein tragfähiges, warmes und offenes Netz von Familien.

Vielen Dank an alle, die zum Gelingen beigetragen haben – vor allem aber an die fantastische Vorbereitungsgruppe Ulrich, Christine, Judith, Marcus, Klaus und Ira!

Positives Feedback von Teilnehmer:innen:

„Wir sind ganz beseelt und fühlen uns wie im Rausch. So viele Familien an einem Ort zu treffen, die alle Kinder aus Samenspende haben, das ist überwältigend.“

„Für mich war das ein echtes Highlight unserer Vereinsarbeit: Allein für diese Veranstaltung haben sich die letzten 13 Jahre Vereinsaktivität gelohnt.“

„Ich muss mal sagen: Wir verdanken Euch so unglaublich viel. Ohne die Unterstützung von DI-Netz hätten wir heute nicht diese tollen Kinder und könnten nicht hier unter diesen ganzen anderen Familien sein!“

„Das Treffen war für mich echt wichtig. Mein Sohn hat zum ersten Mal andere Kinder getroffen, die auf dem gleichen Weg entstanden sind. Das Zusammensein mit anderen Familien hat uns gestärkt und wir nehmen das gute Gefühl mit nach Hause, nicht allein zu sein. Übrigens wollen wir mit einigen, die wir hier kennengelernt haben, weiter in Kontakt bleiben.“

„Dickes Lob an die Vorbereitungsgruppe – das war toporganisiert und richtig informativ.“

Neue Termine Vorbereitungsseminare 2026: „Familiengründung mit Samenspende – unser Weg?!“

Im DI-Netz gibt es sehr viel Erfahrungswissen zur Familiengründung mit Spendersamen, und wir geben dieses Wissen gerne an andere weiter. Deshalb freuen wir uns, Informationsveranstaltungen anbieten zu können, die Ihnen den eigenen Weg erleichtern können.

Samenspende – unser Weg?

Die Spendersamenbehandlung ist mehr als eine medizinische Methode. Bevor sich Paare entscheiden, auf diesem Weg ein Kind zu bekommen, machen sie sich einige Gedanken. Manche sehen einer Samenspende mit leichtem Herzen entgegen, andere finden diese Idee zunächst ziemlich befremdlich. In jedem Fall wollen Paare auf Dauer gut mit dem gewählten Weg leben können.

Falls Sie darüber nachdenken, eine Samenspende zu nutzen, hilft es:

  • sich so viel fundierte Information zum Thema zu verschaffen wie möglich, damit Sie Ihre Situation kompetent einschätzen können.
  • sich Zeit zu nehmen, die Samenspende gründlich miteinander zu besprechen, damit Sie mögliche Missverständnisse aus dem Weg räumen.
  • andere Paare kennenzulernen, die mit den gleichen Fragen beschäftigt sind wie Sie, damit Sie sich mit dem Thema nicht allein fühlen.

Der Rahmen eines Informationsnachmittags bietet daher eine besonders gute Gelegenheit, sich mit der Samenspende auseinanderzusetzen. Das Seminar soll Ihnen helfen, eine gute Entscheidung für oder gegen die Samenspende zu treffen.

Das Seminar bietet:

  • Informationen zu juristischen, medizinischen und psychologischen Aspekten der Spendersamenbehandlung
  • Informationen zur Wahl des Arztes, der Samenbank und der Spenderauswahl: Was können Sie beachten?
  • Informationen über die Entwicklung von Kindern nach Samenspende: Wie geht es den Kindern? Sollten Sie mit dem Kind später über die besondere Zeugungsart sprechen?
  • Hilfestellung bei der Überlegung, ob Sie mit Freunden, nahen Verwandten oder Außenstehenden über die Samenspende sprechen wollen.
  • Gemeinsame Reflexion der Rolle des Samenspenders und relevante Informationen zum Samenspenderregistergesetz

Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Seminars erfahren, was Eltern und Kinder persönlich über die Familiengründung mit Spendersamen zu berichten haben.
Dabei soll es genügend Raum geben, sich über eigene Gedanken hinsichtlich der Samenspende auszutauschen.

Termine und Ort:

Die Seminare finden regelmäßig statt.

Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus ganz Deutschland sind willkommen. Für den Fall einer weiten Anreise sind wir Ihnen gern bei der Organisation einer Unterkunft behilflich.

Die nächstenTermine sind:

Sonntag, 19. April 2026, 11-17 Uhr, Bielefeld

Sonntag 11. Oktober 2026, 11-17 Uhr; Bielefeld

Teilnehmerzahl: 8 – 18 Personen

Kosten:

60 Euro pro Person,
ermäßigt für Mitglieder von DI-Netz e.V. 45 Euro pro Person
Rücktritt: bis 2 Wochen vor Veranstaltungstermin, 50% Erstattung.

Anmeldung:

Per Post oder via Email an claudia@di-netz.de.
Bitte geben Sie Ihre Postadresse, evtl. Email und Ihre Telefon-Nummer an.
Die Anmeldung ist rechtsverbindlich, wenn der Teilnahmebeitrag überwiesen wurde. Sie erhalten eine Anmeldebestätigung mit weiteren Informationen nach erfolgreicher Anmeldung.

Seminarleiter und -leiterinnen

Seminarleiter sind Eltern nach Samenspende und Vorstandsmitglieder des DI-Netz e.V.

Claudia Brügge, Jg. 67, Psychologische Psychotherapeutin, 

Ulrich Simon, Jg. 65, Familientherapeut, Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeut

„Das DI-Netz braucht dich“ – Online-Treffen für interessierte Vereinsmitglieder

Vor unserer Mitgliederversammlung wollen wir uns schon am Sonntag davor, den 9.11.25 von 16-18 Uhr mit denjenigen Mitgliedern online treffen, die überlegen, noch aktiver im DI-Netzwerk zu werden. Zum Beispiel indem sie sich an der Vorstandsarbeit oder der Steuerungsgruppe beteiligen. Vielleicht gibt es auch Interesse, einzelne Projekte des DI-Netzes mit Tatkraft zu unterstützen oder aber sich mit eigenen Ideen für das DI-Netz zu engagieren. – Der Vorstand des Vereins informiert euch an diesem Nachmittag über die konkreten Tätigkeitsbereiche des Vereins. Anmeldungen bitte unter ulrich@di-netz.de mit dem Stichwort „DINETZ26“ in der Betreffzeile.

Jährliche Mitgliederversammlung – Mitmachen im DI-Netz

Alle Mitglieder-Familien des Vereins sind ganz herzlich eingeladen, an der diesjährigen Online-Mitgliederversammlung am Sonntag, den 16.11.25 von 15 bis etwa 17 Uhr teilzunehmen. Die Einladungen wurden bereits an alle aktuellen 170 Mitgliederfamilien per Email verschickt. Eine Anmeldung für die Teilnahme ist erforderlich, bitte bis zum 8.11.25 unter claudia@di-netz.de unter dem Stichwort „MV25“ in der Betreffzeile. Wir schicken euch kurz vor dem Online-Treffen den passenden Link.

Aufklärungsbücher – Praktische Aufklärungshilfe für Familien mit kleinen Kindern

Viele Eltern, deren Kinder durch Samenspende entstanden sind, entscheiden sich, ihre Kinder frühzeitig über ihre Entstehungsgeschichte aufzuklären – oft schon ab dem Kleinkindalter, spätestens im Kindergarten. Eine liebevolle und altersgerechte Aufklärung stärkt das Vertrauen, die Zugehörigkeit und das Selbstverständnis des Kindes.

Eine große Unterstützung dabei sind Aufklärungsbücher, die auf die besondere Familiensituation eingehen. Sie helfen Eltern, Worte für Themen zu finden, die zunächst schwer erklärbar erscheinen. Besonders praktisch: Viele dieser Bücher lassen sich personalisieren, etwa indem Fotos des eigenen Kindes oder der Familie eingeklebt werden. So entsteht eine vertraute und emotionale Verbindung zur Geschichte.

Unterschiedliche Wege zum passenden Buch

Mittlerweile gibt es eine Vielzahl an Aufklärungsbüchern in verschiedenen Sprachen und Varianten. Eltern haben mehrere Möglichkeiten:

1. Ein eigenes Buch gestalten

Gesaltungsideen von ChatGPT für ein Aufklärungsbuch für DI-Kinder

Einige Eltern entscheiden sich, selbst ein Buch zu erstellen – mit persönlichen Fotos und ihrer ganz eigenen Geschichte. Da die meisten Aufklärungsbücher einem ähnlichen Aufbau folgen, ist das gut machbar. Kreative Eltern basteln ein individuelles Fotobuch oder gestalten es sogar selbst mit eigenen Zeichnungen.

In Zeiten künstlicher Intelligenz könnte man sich die Illustrationen auch nach individuellen Wünschen von etwa ChatGPT erstellen lassen. Dafür braucht man etwas Geduld und geschickte Prompts. Von Haarfarben und Kleidungsstil über Hintergrund bis hin zum Text und Zeichenstil, lässt sich hier vieles beeinflussen. – So entsteht ein einzigartiges Erinnerungsstück, das ganz auf das eigene Kind zugeschnitten ist. (- Wer will, kann uns gerne eine Kopie oder Video seines Werkes schicken….)

2. „Die Geschichte unserer Familie“ (FamART Verlag)
Viele Familien im DI-Netz greifen auf dieses Buch zurück. Es wurde speziell für Familien nach Samenspende entwickelt und kann beim FamART Verlag von Petra Thorn oder über Amazon bestellt werden (Preis: 22 €). Das Buch begleitet Kinder einfühlsam dabei, ihre Entstehung zu verstehen, und betont die Liebe und den Wunsch, der hinter ihrer Geburt steht.

3. Die Bücher „Our Story“ des Donor Conception Network (DCN, Großbritannien)

Besonders beliebt ist auch die englischsprachige Buchreihe unseres Partnernetzwerks Donor Conception Network (DCN). Die hochwertig gestalteten Bücher „Our Story – How we became a family“ sind sensibel geschrieben und decken ganze 44 verschiedene Familienkonstellationen ab. Im Bereich Samenspende gibt es Buchexemplare zu Familien von heterosexuellen Paaren über Frauenpaare und Solo-Müttern bis hin zu Familien mit bekannten oder unbekannten (Samenbank-)Spendern bzw. Familien mit Einlingen oder Zwillingen.
Die jeweiligen Bücher sind direkt über das DCN (12,50 £) oder im Buchhandel (z. B. über Amazon, ca. 13,50 -17,30€) erhältlich. Wer lieber ein deutsches Exemplar möchte, kann beim Vorlesen frei übersetzen oder die englische Schriftseite mit einer eigenen deutschen Übersetzung überkleben – so lässt sich das Buch problemlos im Familienalltag nutzen. Vielleicht wird das DCN auch bald eine deutsche Version herausgeben, so dass es dann bequem auf Deutsch zu kaufen ist.

4. Selbstgebastelte Pixi-Bücher
Eine besonders kreative Idee sind selbstgemachte Pixi-Aufklärungsbücher: Manche Eltern haben für den privaten Gebrauch kleine Geschichten zusammengebastelt, in denen bekannte Kinderbuchfiguren – wie etwa „Conni“, „Bobo Siebenschläfer“ oder „Benjamin Blümchen“ – ebenfalls mithilfe einer Samenspende entstanden sind. Die Begeisterung der Kinder dürfte groß sein, wenn sie entdecken: „Wow – Conni ist auch durch eine Samenspende entstanden, genau wie ich!“ Natürlich dürfen bestehende Kinderbücher aus urheberrechtlichen Gründen nicht einfach kopiert oder verändert werden, solche Eigenkreationen für den persönlichen Hausgebrauch zeigen allerdings, wie wichtig Identifikationsfiguren für Kinder sind.

Wie sehen Aufklärungsbücher aus?

Die Gestaltung der Bücher ist sehr unterschiedlich – manche sind farbenfroh und lebendig, andere in zarten Pastelltönen gehalten. Altersgerechte Darstellungen stehen dabei im Vordergrund: Sexuelle Szenen, der Spender im Samengewinnungsraum oder wie er für die Samenspende vom Samenbankbetreiber Geld bekommt werden nicht gezeigt.
Oft wird der Spender als „freundlicher Mann“ beschrieben – eine vereinfachte, aber für kleine Kinder geeignete Darstellung, die eine positive Vorstellung (psychoanalytisch: „positive Objektrepräsentanz bedeutender Anderer“) fördert. Auch die Schwangerschaft der Mutter wird meist liebevoll und ausführlich geschildert, oft mit humorvollen Vergleichen („Das Baby war erst so klein wie eine Erbse, später wie eine Weintraube…“).

Einige Bücher betonen zudem Vielfalt, indem sie Familien mit unterschiedlicher Hautfarbe oder Familienformen abbilden. Der Fokus liegt immer auf Liebe, Zugehörigkeit und Stolz – die Kinder erleben sich eingebettet in ein herzliches soziales Umfeld.

Typischer Aufbau eines Aufklärungsbuchs

Bei heterosexuellen Paaren folgt die Erzählung oft einer ähnlichen Erzählstruktur:

  1. Das bist du – Foto des Kindes
  2. Mama und Papa lernten sich kennen und verliebten sich, sie heirateten oder zogen zusammen.
  3. Sie wünschten sich ein Kind.
  4. Es klappte nicht, die Eltern waren traurig. (Wie stark die Traurigkeit genannt wird, ist Geschmacksache. Manche ermahnen dazu, das Kind nicht zu sehr mit dem Schmerz der Eltern zu belasten)
  5. Sie gingen zum Arzt.
  6. Damit ein Kind entsteht, braucht es eine Eizelle und eine Samenzelle (und einen schönen, warmen Bauch).
  7. Der Arzt stellt fest: Papas Samen konnte keine Kinder machen.
  8. Vorschlag Samenspende (Wer die Idee zur Samenspende präsentiert, ist unterschiedlich: Manchmal der Arzt, manchmal kommen die Wunscheltern selbst drauf.)
  9. Ein freundlicher Mann hat uns seinen Samen geschenkt.
  10. Mama wurde schwanger mit dir.
  11. Du kamst auf die Welt – und alle freuten sich riesig! – Foto des Kindes inmitten seines Umfeldes

Dieser einfache, liebevoll gestaltete Erzählverlauf hilft kleinen Kindern, erste Zusammenhänge zu verstehen, ohne sie zu überfordern.

Fazit

Aufklärungsbücher sind für viele Familien ein unverzichtbares Hilfsmittel auf dem Weg zu einer offenen und warmherzigen Kommunikation über die eigene Familiengeschichte. Sie vermitteln Zugehörigkeit, Geborgenheit und Stolz – und zeigen den Kindern: „So, wie du bist, bist du gewollt und geliebt.“

Kommentar zu Vereinfachungen und Grenzen kindgerechter Darstellung

Natürlich stellen alle Aufklärungsbücher eine Vereinfachung komplexer Zusammenhänge dar. Für Erwachsene mögen manche Darstellungen fast verharmlosend wirken – für kleine Kinder sind sie jedoch notwendig, um das Thema emotional und kognitiv fürs Erste begreifbar zu machen. So wird etwa der Spender häufig als „freundlicher Mann“ beschrieben, obwohl Eltern bei einem ihnen unbekannten Samenspender nicht wissen können, wer dieser Mensch ist. Auch die Entstehung selbst wird oft in stark vereinfachten Bildern erzählt, als ginge es rein um das Zusammenfügen von Zutaten – manchmal, wie eine Mutter einmal scherzhaft sagte, nach dem Motto: „Schokolade war aus, da haben wir Vanille genommen.“

Diese kindgerechten Verkürzungen sind bewusst gewählt. Sie entsprechen dem Entwicklungsstand kleiner Kinder, die zunächst nur ein erstes Verständnis dafür entwickeln, „woraus“ sie entstanden sind – nicht jedoch, wie genau die medizinischen oder rechtlichen Abläufe oder wie die kulturellen Bewertungen aussehen. Entscheidend ist dabei die emotionale Botschaft: Das Kind erfährt, dass es gewollt, geliebt und willkommen ist. Die Aufklärungsbücher reduzieren ein komplexes, vielleicht ambivalentes Thema auf einfache, positive Bilder. Diese sind wichtig, um beim Kind ein stabiles, liebevolles Selbstbild und ein Gefühl der Zugehörigkeit zu fördern – die sachliche Tiefe und die Herausforderungen der Thematik können dann später, in späteren Lebensphasen, differenzierter besprochen werden.

2.  DI-Netz ExpertInnen Videochat am 28.05.2024 mit Dr. Helga Müller

2.  DI-Netz ExpertInnen Videochat am 28.05.2024

mit Rechtsanwältin Dr. Helga Müller zum Thema

„Die rechtliche Stellung der Väter – vor, während und nach der Spendersamenbehandlung“


Nach einem Kurzreferat beantwortete Frau Müller Fragen der zugeschalteten Teilnehmer. Wir fassen hier ihren Kurzvortrag, sowie die Fragen an sie und ihre Antworten zusammen. Wir danken Helga Müller für Ihre Teilnahme.

Wichtiger Hinweis:

Dies ist eine gekürzte Zusammenfassung eines Protokolls; falls sich, trotz sorgfältiger Bearbeitung, inhaltliche Fehler darin befinden, dann gehen diese allein auf unser Verständnis der Ausführungen und Antworten der Referentin zurück.

Das Team des DI-Netzes

Vortrag RA Dr. Helga Müller:

Es sind grundsätzlich drei Phasen zu unterscheiden:

  • Die Phase von der Planung der Familiengründung mit Samenspende bis zur Behandlung.
  • Daran anschließend die Phase von der Behandlung und der Schwangerschaft bis zur Geburt des Kindes
  • Die Phase nach der Geburt des Kindes

Relevante rechtliche Unterschiede stellen sich in den jeweiligen Phasen dadurch ein, ob ein Kinderwunschpaar verheiratet ist oder nicht!

Grundsätzlich gilt, mit dem Samenspenderregistergesetz hat sich die Rechtslage weitgehend geklärt.

Zur Phase (1)

  • Themen wie Sorgerecht, Umgangsrecht, Unterhaltsverpflichtungen sind bei verheirateten Paaren per Gesetz geregelt: §1353 BGB umfasst die gegenseitige Verantwortung und gemeinsame Familienplanung in der Ehe.
  • Bei nichtverheirateten Paaren kann schon in dieser ersten Phase eine Absichtserklärung zum Sorgerecht, Umgangsrecht und den Unterhaltsverpflichtungen sehr hilfreich sein; falls später Komplikationen auftreten, hat man damit Vorkehrungen getroffen.
  • Diese Vereinbarung (sich vorab für die gemeinsame Sorge und den Unterhalt für das gewünschte Kind zu verpflichten) ist für nichtverheiratete Paare zu empfehlen.
  • Über diese vertragliche Erklärung sichern sich Mutter und Vater gegenseitig ab. Z.B. könnte die Mutter nach einer Trennung Unterhalt einfordern, oder aus Sicht des Vaters bekommt er frühzeitig eine vorgeburtliche Anerkennung seiner Vaterschaft, was in bestimmten Fällen vieles erleichtern kann.  
  • Für nicht verheiratete Paare empfiehlt sich also spätestens in der 2. Phase eine solche, am besten auch notarielle Vereinbarung zu hinterlegen.
  • Der Vorteil von notariellen Vereinbarungen: Notariell hinterlegte Verträge sind nicht einfach kündbar und wären nur dann widerrufbar, wenn eine Partei nachweisen könnte, dass sie bei Vertragsabschluss nicht im Besitz ihrer geistigen Kräfte war. Für diesen Nachweis werden sehr strenge Kriterien angelegt.
  • In einer Vereinbarung kann auch stehen, welcher Elternteil wann in Elternzeit geht.
  • Arztpraxen und Samenbanken verlangen oft ebenfalls einen Behandlungs- oder Notarvertrag, um zu beweisen, dass zwischen den Partnern Einvernehmen zur Zeugung eines Kindes besteht und sie die elterlichen Pflichten übernehmen. Dies schützt die Behandler vor möglichen Unterhaltszahlungen.

Zur Phase (2)

  • In der Ehe ist die gegenseitige Verantwortung sowohl füreinander als auch für das gemeinsame Kind gesetzlich klar und verbindlich geklärt.
  • Eine vorgeburtliche Anerkennung der Vaterschaft kann aber auch bei Ehepaaren in dieser Phase sinnvoll sein: z.B. bei Geburtskomplikationen, oder auch bei Krankheit der Mutter, wenn der Vater Entscheidungen treffen muss.
  • Für nichtverheiratete Paare macht es erst recht Sinn.
  • Gesetzeslage: §1592 Nr. 2 („Vater eines Kindes ist der Mann, der die Vaterschaft anerkannt hat.“) und §1594 Abs. 4 („Die Anerkennung ist schon vor der Geburt des Kindes zulässig.“) und § 1595 Abs. 1 BGB („Die Anerkennung bedarf der Zustimmung der Mutter.“)
  • Es gibt für den Mann kein Anwesenheitsrecht bei den Gesundheitsuntersuchungen. Das lässt sich aber auch im Notarvertrag regeln.

Zur Phase (3)

  • Im Falle der Ehe ist der Ehemann von Gesetzes wegen Vater.
  • Bei Nichtverheirateten muss man eine Vaterschaft anerkennen lassen (Jugendamt). Es gibt auch die Möglichkeit des nachgeburtlichen Anerkenntnisses.
  • Der rechtlich anerkannte Vater wird auch ins Geburtenregister eingetragen.
  • Es wäre möglich, dass trotz vorheriger Vereinbarung die Mutter kein Einverständnis zur Vaterschaft gibt. Das Gericht könnte dann anordnen, dass der Vater trotzdem (wegen der vorherigen Vereinbarung) eingetragen wird.
  • §1600d Abs. 4 BGB: „Ist das Kind durch eine ärztlich unterstützte künstliche Befruchtung in einer Einrichtung der medizinischen Versorgung im Sinne von § 1a Nummer 9 des Transplantationsgesetzes unter heterologer Verwendung von Samen gezeugt worden, der vom Spender in einer Entnahmeeinrichtung im Sinne von § 2 Absatz 1 Satz 1 des Samenspenderregistergesetzes zur Verfügung gestellt wurde, so gibt es aufgrund des Samenspenderregistergesetzes keine Option/Gefahr, dass der Samenspender als Vater dieses Kindes festgestellt werden kann.“ Dies bietet für den Wunschvater eine hohe Sicherheit.
  • Allerdings: Wenn die Samenspende nicht „medizinisch“ war (also keine Entnahme in einer medizinischen Einrichtung und keine assistierte Befruchtung durch ein Kinderwunschzentrum), dann sind auch Umstände denkbar, bei denen der Samenspender zum rechtlichen Vater erklärt werden kann.
  • Sind die Verfahrenswege für eine Schwangerschaft solche, wie sie vom Samenspenderregistergesetz vorgesehenen sind, dann wird nicht nur der DI-Vater (der intendierte Vater) zum rechtlichen Vater, es ist zudem die Anfechtbarkeit des DI-Vaters als rechtlicher Vater ausgeschlossen! Der Samenspender kann dann nicht als Vater festgestellt werden.
  • Bei privat vermittelten Samenspenden kann es hier zu ungewollten Komplikationen kommen (siehe unten).

Fragerunde und interessante Fakten:

  • Zu den Notarverträgen: Die Texte sind sich alle ähnlich und unterscheiden sich nur kosmetisch, sprich, die Notare haben eine Art defacto Standard.
  • Warum will eine Kinderwunschpraxis einen Notarvertrag, eine andere nicht? Das hat mit unterschiedlichen Auslegungen der Rechtslage und einem unterschiedlichen Absicherungsbedürfnis der Kinderwunschpraxen zu tun. Manche verlangen diese notarielle Beurkundung grundsätzlich von den Wunscheltern, manche nur von nichtverheirateten Paaren.   
  • Private Samenspenden sind bisher nicht im Samenspenderregistergesetz (SaRegG) eingetragen. Man müsste sich in diesem Fall selbst eintragen lassen. Es gibt ein Urteil zu dem Fall, dass der Spender eines lesbischen Paares nach der Geburt doch der rechtliche Vater werden wollte. Er bekam die Vaterrechte. Hier wurde ein Paragraf angewandt, nach dem der genetische Vater eines Kindes aus einer Affaire auch Rechte am Kind haben kann.       
  • Gerichtliche Klärungen allgemein im Zusammenhang mit der Samenspende gibt es kaum mehr, inzwischen geht es meist um Leihmutterschaftsfälle im Ausland.
  • Anfechtung der Vaterschaft:
  • Die Vaterschaft des DI Vaters nach einem SaRegG konformen Verfahren kann nicht angefochten werden, ….
  •  §1600(4) BGB: „Ist das Kind mit Einwilligung des Mannes und der Mutter durch künstliche Befruchtung mittels Samenspende eines Dritten gezeugt worden, so ist die Anfechtung der Vaterschaft durch den Mann oder die Mutter ausgeschlossen.“
  • Jedoch: das volljährige Kind kann die Vaterschaft anfechten.
  • Sobald ein Kind erfährt, dass es aus eine Samenspende gezeugt wurde, hat es 2 Jahre Zeit, die Vaterschaft anzufechten.
  • Kuriosa:
  • Gibt es das, dass die Vaterschaft durch das Kind angefochten wird und dass kein neuer rechtlicher Vater benannt ist? Ja, das gibt es.
  • Früher gab es Anfechtungsverfahren durch die Mütter nach Samenspende. Den DI-Vätern konnte die Vaterschaft aberkannt werden. Sie hatten dann kein Umgangsrecht, mussten aber zahlen.
  • Es gab auch einen Fall, in dem ein erwachsenes Kind den Mann als Vater hat feststellen lassen, der für ihn die Vaterrolle lange Zeit eingenommen hatte (neue Beziehung der Mutter nach Trennung vom DI-Vater). Der rechtlich anerkannte Vater (DI-Vater) spielte im Leben des Kindes nach der frühen Trennung von der Mutter keine Rolle mehr.  Obwohl schon 40 Jahre alt konnte das Kind/ein Mann belegen, dass er erst vor weniger als zwei Jahre von der Samenspende erfahren hatte. Hätte er es schon länger gewusst, hätte er kein Anfechtungsrecht mehr gehabt.     
  • Kann ein Kind den Status bekommen, keinen rechtlichen Vater zu haben? Ja, manchmal gibt es ein berechtigtes Interesse daran, eine Vaterschaft abzuerkennen. Etwa, wenn der Vater Schwerverbrecher ist.                                                     
  • Was ist, wenn die Mutter bei der Geburt stirbt und keine (auch nicht vorgeburtliche) Vaterschaftsanerkennung erfolgt ist? Wenn nichts festgelegt wurde, muss das Vormundschaftsgericht entscheiden. Wenn aber ein Notarvertrag (mit klaren Absichtserklärungen) vorlag, dann gibt es gute Aussichten auf die Vaterschaft. Der vorgesehene Vater wird dann erstmal Vormund und kann dann adoptieren.