„Die rechtliche Stellung der Väter – vor, während und nach der Spendersamenbehandlung“
Nach einem Kurzreferat beantwortete Frau Müller Fragen der zugeschalteten Teilnehmer. Wir fassen hier ihren Kurzvortrag, sowie die Fragen an sie und ihre Antworten zusammen. Wir danken Helga Müller für Ihre Teilnahme.
Wichtiger Hinweis:
Dies ist eine gekürzte Zusammenfassung eines Protokolls; falls sich, trotz sorgfältiger Bearbeitung, inhaltliche Fehler darin befinden, dann gehen diese allein auf unser Verständnis der Ausführungen und Antworten der Referentin zurück.
Das Team des DI-Netzes
Vortrag RA Dr. Helga Müller:
Es sind grundsätzlich drei Phasen zu unterscheiden:
- Die Phase von der Planung der Familiengründung mit Samenspende bis zur Behandlung.
- Daran anschließend die Phase von der Behandlung und der Schwangerschaft bis zur Geburt des Kindes
- Die Phase nach der Geburt des Kindes
Relevante rechtliche Unterschiede stellen sich in den jeweiligen Phasen dadurch ein, ob ein Kinderwunschpaar verheiratet ist oder nicht!
Grundsätzlich gilt, mit dem Samenspenderregistergesetz hat sich die Rechtslage weitgehend geklärt.
Zur Phase (1)
- Themen wie Sorgerecht, Umgangsrecht, Unterhaltsverpflichtungen sind bei verheirateten Paaren per Gesetz geregelt: §1353 BGB umfasst die gegenseitige Verantwortung und gemeinsame Familienplanung in der Ehe.
- Bei nichtverheirateten Paaren kann schon in dieser ersten Phase eine Absichtserklärung zum Sorgerecht, Umgangsrecht und den Unterhaltsverpflichtungen sehr hilfreich sein; falls später Komplikationen auftreten, hat man damit Vorkehrungen getroffen.
- Diese Vereinbarung (sich vorab für die gemeinsame Sorge und den Unterhalt für das gewünschte Kind zu verpflichten) ist für nichtverheiratete Paare zu empfehlen.
- Über diese vertragliche Erklärung sichern sich Mutter und Vater gegenseitig ab. Z.B. könnte die Mutter nach einer Trennung Unterhalt einfordern, oder aus Sicht des Vaters bekommt er frühzeitig eine vorgeburtliche Anerkennung seiner Vaterschaft, was in bestimmten Fällen vieles erleichtern kann.
- Für nicht verheiratete Paare empfiehlt sich also spätestens in der 2. Phase eine solche, am besten auch notarielle Vereinbarung zu hinterlegen.
- Der Vorteil von notariellen Vereinbarungen: Notariell hinterlegte Verträge sind nicht einfach kündbar und wären nur dann widerrufbar, wenn eine Partei nachweisen könnte, dass sie bei Vertragsabschluss nicht im Besitz ihrer geistigen Kräfte war. Für diesen Nachweis werden sehr strenge Kriterien angelegt.
- In einer Vereinbarung kann auch stehen, welcher Elternteil wann in Elternzeit geht.
- Arztpraxen und Samenbanken verlangen oft ebenfalls einen Behandlungs- oder Notarvertrag, um zu beweisen, dass zwischen den Partnern Einvernehmen zur Zeugung eines Kindes besteht und sie die elterlichen Pflichten übernehmen. Dies schützt die Behandler vor möglichen Unterhaltszahlungen.
Zur Phase (2)
- In der Ehe ist die gegenseitige Verantwortung sowohl füreinander als auch für das gemeinsame Kind gesetzlich klar und verbindlich geklärt.
- Eine vorgeburtliche Anerkennung der Vaterschaft kann aber auch bei Ehepaaren in dieser Phase sinnvoll sein: z.B. bei Geburtskomplikationen, oder auch bei Krankheit der Mutter, wenn der Vater Entscheidungen treffen muss.
- Für nichtverheiratete Paare macht es erst recht Sinn.
- Gesetzeslage: §1592 Nr. 2 („Vater eines Kindes ist der Mann, der die Vaterschaft anerkannt hat.“) und §1594 Abs. 4 („Die Anerkennung ist schon vor der Geburt des Kindes zulässig.“) und § 1595 Abs. 1 BGB („Die Anerkennung bedarf der Zustimmung der Mutter.“)
- Es gibt für den Mann kein Anwesenheitsrecht bei den Gesundheitsuntersuchungen. Das lässt sich aber auch im Notarvertrag regeln.
Zur Phase (3)
- Im Falle der Ehe ist der Ehemann von Gesetzes wegen Vater.
- Bei Nichtverheirateten muss man eine Vaterschaft anerkennen lassen (Jugendamt). Es gibt auch die Möglichkeit des nachgeburtlichen Anerkenntnisses.
- Der rechtlich anerkannte Vater wird auch ins Geburtenregister eingetragen.
- Es wäre möglich, dass trotz vorheriger Vereinbarung die Mutter kein Einverständnis zur Vaterschaft gibt. Das Gericht könnte dann anordnen, dass der Vater trotzdem (wegen der vorherigen Vereinbarung) eingetragen wird.
- §1600d Abs. 4 BGB: „Ist das Kind durch eine ärztlich unterstützte künstliche Befruchtung in einer Einrichtung der medizinischen Versorgung im Sinne von § 1a Nummer 9 des Transplantationsgesetzes unter heterologer Verwendung von Samen gezeugt worden, der vom Spender in einer Entnahmeeinrichtung im Sinne von § 2 Absatz 1 Satz 1 des Samenspenderregistergesetzes zur Verfügung gestellt wurde, so gibt es aufgrund des Samenspenderregistergesetzes keine Option/Gefahr, dass der Samenspender als Vater dieses Kindes festgestellt werden kann.“ Dies bietet für den Wunschvater eine hohe Sicherheit.
- Allerdings: Wenn die Samenspende nicht „medizinisch“ war (also keine Entnahme in einer medizinischen Einrichtung und keine assistierte Befruchtung durch ein Kinderwunschzentrum), dann sind auch Umstände denkbar, bei denen der Samenspender zum rechtlichen Vater erklärt werden kann.
- Sind die Verfahrenswege für eine Schwangerschaft solche, wie sie vom Samenspenderregistergesetz vorgesehenen sind, dann wird nicht nur der DI-Vater (der intendierte Vater) zum rechtlichen Vater, es ist zudem die Anfechtbarkeit des DI-Vaters als rechtlicher Vater ausgeschlossen! Der Samenspender kann dann nicht als Vater festgestellt werden.
- Bei privat vermittelten Samenspenden kann es hier zu ungewollten Komplikationen kommen (siehe unten).
Fragerunde und interessante Fakten:
- Zu den Notarverträgen: Die Texte sind sich alle ähnlich und unterscheiden sich nur kosmetisch, sprich, die Notare haben eine Art defacto Standard.
- Warum will eine Kinderwunschpraxis einen Notarvertrag, eine andere nicht? Das hat mit unterschiedlichen Auslegungen der Rechtslage und einem unterschiedlichen Absicherungsbedürfnis der Kinderwunschpraxen zu tun. Manche verlangen diese notarielle Beurkundung grundsätzlich von den Wunscheltern, manche nur von nichtverheirateten Paaren.
- Private Samenspenden sind bisher nicht im Samenspenderregistergesetz (SaRegG) eingetragen. Man müsste sich in diesem Fall selbst eintragen lassen.
Es gibt ein Urteil zu dem Fall, dass der Spender eines lesbischen Paares nach der Geburt doch der rechtliche Vater werden wollte. Er bekam die Vaterrechte. Hier wurde ein Paragraf angewandt, nach dem der genetische Vater eines Kindes aus einer Affaire auch Rechte am Kind haben kann.
- Gerichtliche Klärungen allgemein im Zusammenhang mit der Samenspende gibt es kaum mehr, inzwischen geht es meist um Leihmutterschaftsfälle im Ausland.
- Anfechtung der Vaterschaft:
- Die Vaterschaft des DI Vaters nach einem SaRegG konformen Verfahren kann nicht angefochten werden, ….
- §1600(4) BGB: „Ist das Kind mit Einwilligung des Mannes und der Mutter durch künstliche Befruchtung mittels Samenspende eines Dritten gezeugt worden, so ist die Anfechtung der Vaterschaft durch den Mann oder die Mutter ausgeschlossen.“
- Jedoch: das volljährige Kind kann die Vaterschaft anfechten.
- Sobald ein Kind erfährt, dass es aus eine Samenspende gezeugt wurde, hat es 2 Jahre Zeit, die Vaterschaft anzufechten.
- Kuriosa:
- Gibt es das, dass die Vaterschaft durch das Kind angefochten wird und dass kein neuer rechtlicher Vater benannt ist? Ja, das gibt es.
- Früher gab es Anfechtungsverfahren durch die Mütter nach Samenspende. Den DI-Vätern konnte die Vaterschaft aberkannt werden. Sie hatten dann kein Umgangsrecht, mussten aber zahlen.
- Es gab auch einen Fall, in dem ein erwachsenes Kind den Mann als Vater hat feststellen lassen, der für ihn die Vaterrolle lange Zeit eingenommen hatte (neue Beziehung der Mutter nach Trennung vom DI-Vater). Der rechtlich anerkannte Vater (DI-Vater) spielte im Leben des Kindes nach der frühen Trennung von der Mutter keine Rolle mehr. Obwohl schon 40 Jahre alt konnte das Kind/ein Mann belegen, dass er erst vor weniger als zwei Jahre von der Samenspende erfahren hatte. Hätte er es schon länger gewusst, hätte er kein Anfechtungsrecht mehr gehabt.
- Kann ein Kind den Status bekommen, keinen rechtlichen Vater zu haben? Ja, manchmal gibt es ein berechtigtes Interesse daran, eine Vaterschaft abzuerkennen. Etwa, wenn der Vater Schwerverbrecher ist.
- Was ist, wenn die Mutter bei der Geburt stirbt und keine (auch nicht vorgeburtliche) Vaterschaftsanerkennung erfolgt ist? Wenn nichts festgelegt wurde, muss das Vormundschaftsgericht entscheiden. Wenn aber ein Notarvertrag (mit klaren Absichtserklärungen) vorlag, dann gibt es gute Aussichten auf die Vaterschaft. Der vorgesehene Vater wird dann erstmal Vormund und kann dann adoptieren.