Bundestagswahl 2017: Was wollen die Parteien?

Am 24. September ist wieder Wahl! Wir von DI-Netz verfolgen, ob und was die einzelnen Parteien hinsichtlich der weiteren gesetzlichen Regulierung der Reproduktionsmedizin, der Familiengründung mit Hilfe Dritter und der Spendersamenbehandlung im speziellen tun wollen.

Um darüber Genaueres zu erfahren, hat DI-Netz sogenannte Wahlprüfsteine vorbereit, wie schon bei der letzten Wahl 2013. Doch man kann sich auch etwas in den Wahlprogrammen umsehen (externer Link zu allen Programmen: https://bundestagswahl-2017.com/wahlprogramm/) .

Welche Ankündigungen finden wir in den Parteiprogrammen?

Die Parteien machen in ihren Wahlprogrammen verschiedene Aussagen zu ihrem Familienbild und zum Familien- und Abstammungsrecht, und sie werden unterschiedlich deutlich in ihren Aussagen zum speziellen Gebiet der modernen Reproduktionsmedizin.

Wir haben die Aussagen hier gesammelt:

CDU/CSU

Die Union skizziert in ihrem Wahlprogramm das eigene Familienbild. Ergänzend gibt es eine Aufzählung möglicher Modelle, wie Menschen miteinander leben. Konkrete eigene politische Maßnahmen werden (noch) nicht daraus abgeleitet:

„Wir schreiben Familien kein bestimmtes Familienmodell vor. Wir respektieren die unterschiedlichen Formen des Zusammenlebens. Menschen sollen selbst entscheiden, wie sie ihr Zusammenleben gestalten und ihren Alltag organisieren. Verantwortung wird auch in anderen Formen des Zusammenlebens, die auf Dauer angelegt sind, übernommen und gelebt: Zum Beispiel durch Alleinerziehende, Patchwork- Familien, nicht-eheliche Lebensgemeinschaften und die bestehenden eingetragenen Lebenspartnerschaften.“

SPD

Im Wahlprogramm der SPD gibt es einen eigenen Absatz, der mit „Vielfältige Lebensrealitäten anerkennen“ überschrieben ist. Für die Rolle der eigenen Partei werden aktive Verben genutzt wie „wir unterstützen“, „wir setzen uns (…) ein“. Hinsichtlich des Abstammungsrechts wird angekündigt, dass man sich für „ein modernes Abstammungsrecht“ einsetzen will, das den „neuen Familienkonstellationen“ Rechnung trägt. Es werden (mehr als bei der CDU) zehn solcher Konstellationen aufgezählt. Die Ehe für gleichgeschlechtliche Paare wird benannt:

Wir unterstützen Familien in ihrer Vielfalt. Das Verständnis von Familie in Deutschland wird breiter: Familie ist dort, wo Menschen dauerhaft Verantwortung füreinander übernehmen. Wir werden daher die Ehe für gleichgeschlechtliche Paare öffnen und wollen die Ehe für alle. Das schließt das Adoptionsrecht ausdrücklich mit ein. Wir wollen ein modernes Familienrecht, das die Vielfalt von Familien widerspiegelt. Familien mit verheirateten, unverheirateten oder gleichgeschlechtlichen Paaren; getrennt, gemeinsam oder allein Erziehende; Stieffamilien, Regenbogenfamilien, Patchworkfamilien oder Pflegefamilien. Wir sorgen für Klarheit in all diesen Konstellationen, indem Rechte und Pflichten eindeutig definiert werden. Das Wohl der Kinder muss dabei immer im Mittelpunkt stehen. (…) Die Vielfalt der heutigen Familienkonstellationen und der wissenschaftliche Fortschritt in der Reproduktionsmedizin führen dazu, dass die biologischen Eltern immer häufiger nicht die sozialen Eltern sind. Deshalb setzen wir uns für ein modernes Abstammungsrecht ein, das diesen neuen Konstellationen Rechnung trägt.“

Bündnis 90/ Die Grünen

Die Grünen benennen ebenfall die heutige Vielfältigkeit von Familien. Die Erläuterungen im Absatz zum Familienbild fallen länger aus, und es wird ein fehlender klarer rechtlicher Rahmen und Absicherung moniert. Das familienrechtliche Ziel der Grünen und das eigene Engagement werden explizit genannt: „Wir wollen das Familienrecht weiterentwickeln (…)“, „Wir unterstützen…“. Ein neu zu schaffendes Rechtsinstitut für soziale Elternschaft wird erwähnt – die „elterliche Mitverantwortung“.

„Familien sind inzwischen so vielfältig wie das Leben selbst: Es gibt verheiratete Paare mit Kindern, Alleinerziehende, Patchwork-Familien, nichteheliche Familien oder Regenbogenfamilien. Wir Grünen machen eine Politik, die Familien in allen Formen und Modellen unterstützt. Deshalb sorgen wir dafür, dass die finanzielle Absicherung von Kindern und Familien nicht länger vom Lebensmodell der Eltern abhängt. Den sozialen Eltern, also Menschen, die wie in vielen Patchwork-Familien langfristig Verantwortung für ein Kind übernehmen, ohne dessen leibliche Eltern zu sein, fehlt ein rechtlicher Rahmen für ihre Familienform. Und das, obwohl sie feste Wegbegleiter*innen ihrer Kinder sind (…)

Für ein modernes Familienrecht – Alle Familienformen anerkennen und schützen

Familie ist da, wo Kinder sind. Über 30 Prozent aller Familien, in denen minderjährige Kinder leben, sind keine Ehen, sondern: nichteheliche Familien, Alleinerziehende mit Kind, Patchwork-Familien oder Regenbogenfamilien. Für viele dieser heute selbstverständlichen Familienkonstellationen gibt es keinen klaren Rahmen, der ihre Rechte benennt und ihre Familienform absichert. Wir wollen das Familienrecht weiterentwickeln und für diese Familien ein Angebot schaffen, das sie in ihrer Verantwortung als Eltern rechtlich stärkt (Rechtsinstitut der elterlichen Mitverantwortung). Damit wollen wir klar regeln, welche Rechte und Pflichten, beispielsweise in der Schule, beim Arztbesuch oder im Alltag, aber auch welche Verantwortung für das Kind die leiblichen und die nicht leiblichen, aber miterziehenden Eltern haben.

DIE LINKE

Die Vielfalt der Familien wird bei den Linken ebenfalls benannt. Sie fordern eine Gleichstellung und eine Anerkennung aller Familienformen, und sie wenden sich ausdrücklich gegen einen privilegierten Status der Ehe. Reproduktionsmedizin wird explizit erwähnt, denn sie soll auch gleichgeschlechtlichen Paaren zur Verfügung stehen. Auch Mehrelternkonstellationen von bis zu vier Personen sollen erlaubt sein.

„Wir wollen, dass vielfältige Lebensweisen rechtlich gleichgestellt werden und setzen uns für ihre gesellschaftliche Akzeptanz ein. Dazu gehört, die Ungleichbehandlung von eingetragenen Lebenspartnerschaften zu überwinden. Bisher sind Ehe und Lebenspartnerschaft in den Pflichten gleichgestellt (z.B. gegenseitige Unterhaltspflichten). Doch gleiche Rechte, wie z.B. ein gemeinsames Adoptionsrecht, haben sie nicht. Die Anerkennung aller Familienformen und Lebensentwürfe ist für uns leitendes Prinzip. Überkommene Privilegien der Ehe sollen überwunden werden. Deswegen sollen der besondere Schutz und die Förderung durch Staat und Gesellschaft in Zukunft nicht Ehepaaren, sondern denjenigen zu Gute kommen, die mit Kindern oder Pflegebedürftigen leben und Kompensation für daraus erwachsende Nachteile benötigen. (…)

Wir wollen die Öffnung der Ehe und das volle Adoptionsrecht für Alle. Reproduktionsmedizin muss auch nichtverheirateten und lesbischen Frauen zur Verfügung stehen. – Kinder brauchen Erwachsene, die sich liebevoll und verbindlich um sie kümmern. Eltern und Sorgeberechtigte sind nicht unbedingt dieselben Personen. Wir setzen uns dafür ein, dass auch (bis zu) vier Personen Eltern für ein Kind sein können, also in Co-Elternschaft das gemeinsame Sorgerecht innehaben. Neben den Pflichten betrifft das auch Rechte wie Kinderfreibeträge und Rentenansprüche. Diese vertraglich zu regelnde Verbindlichkeit betrifft umgekehrt auch Rechte des Kindes gegenüber allen Elternteilen, wie Unterhaltsanspruch und Erbe.“

FDP

Auch die FDP setzt sich für die Änderung des Familienrechts ein. Sie fordert neben der Ehe das Rechtsinsitut der „Verantwortungsgemeinschaft“, mit „flexiblen Bausteinen der Verantwortungsübernahme“. Der Reproduktionsmedizin ist ein eigener Absatz gewidmet. Anders als bei den übrigen Parteien wird darin die Legalisierung von Eizellspende und Leihmutterschaft ausdrücklich genannt.

Wir Freie Demokraten setzen uns für die Einführung der Verantwortungsgemeinschaft als Rechtsinstitut neben der Ehe ein. In einer Zeit, in der traditionelle Familienstrukturen gerade im Alter nicht immer tragen, wächst der Bedarf an neuen Formen gegenseitiger Absicherung – jenseits von Verwandtschaft oder Liebesbeziehungen.Deshalb wollen wir im Bürgerlichen Gesetzbuch neben der Ehe das Rechtsinstitut der Verantwortungsgemeinschaft mit flexiblen Bausteinen der Verantwortungsübernahme zwischen zwei oder mehreren Personen einführen. Um Rechtsklarheit gegenüber anderen Verpflichtungen zu wahren, dürfen diese Personen weder verheiratet, verpartnert oder in gerader Linie miteinander verwandt sein. Begünstigungen durch den Staat im Steuer- und Sozialrecht, aber auch im Erbrecht, sind nur gerechtfertigt, wenn die Partner volle Unterhalts- und Einstandspflichten wie Ehepaare übernehmen.

Chancen der Reproduktionsmedizin für die Familiengründung nutzen

Wir Freie Demokraten fordern einen offenen Umgang mit den Möglichkeiten der modernen Reproduktionsmedizin. Allen Menschen muss unabhängig vom Familienstand der Zugang zu reproduktionsmedizinischen Angeboten gegeben werden. Das Kindeswohl hängt von der Liebe der Eltern ab, nicht von der Art der Zeugung. Der Staat sollte sich aus den intimen Angelegenheiten heraushalten und freie Entscheidungen ermöglichen, die ethisch vertretbar sind. Eizellspenden und nicht-kommerzielle Leihmutterschaft sind in vielen Staaten der EU bereits legal und sollten auch in Deutschland unter Auflagen erlaubt werden.

AFD

Das Statement der AFD zum eigenen Familienbild fällt kurz und knapp aus, man grenzt sich mit einer Negativaussage ab:

„Wir lehnen alle Versuche ab, den Sinn des Wortes „Familie“ in Art. 6 Abs. 1 Grundgesetz auf andere Gemeinschaften auszudehnen und der Familie auf diesem Wege den besonderen staatlichen Schutz zu entziehen.“